Auch im Boden sammeln sich gigantische Mengen an Kohlenstoff. Jetzt nimmt das Thünen-Institut an 3000 Stellen in Deutschland Bodenproben und wertet diese Daten anschließend aus. Allein in Baden-Württemberg werden an 269 Standorten Proben genommen.

Stuttgart - Diplom-Geograf Mathias Dinter steht in einer Grube auf einem Acker bei Renningen und zeigt erfreut auf die Erdschichten: Das sei ein typischer Stauwasserboden, sagt er, zufälligerweise der Boden des Jahres 2015, und den möchte Dinter einer zehnten Schulklasse aus Sindelfingen erklären, die sich zu einem Besuch angemeldet hat: Da sei eine 70 Zentimeter Schicht aus wasserführender Lössfließerde und darunter die Keuperfließerde mit Mangankonkretion – dicht, wasserstauend und mit Rostflecken.

 

Ob Stauwasserböden gut oder schlecht für den Landwirt sind, ist schwer zu sagen. In trockenen Regionen Mitteldeutschlands kommt es den Bauern gelegen, wenn das Regenwasser nicht allzu rasch abfließt. Aber Dinter ist nicht für die landwirtschaftliche Beratung nach Renningen gekommen: Er und zwei Mitarbeiter arbeiten am Thünen-Institut für Klimaschutz in Braunschweig. Sie nehmen Teil an dem seit 2008 laufenden Projekt „Bodenzustandserhebung in der Landwirtschaft“. Ganz Deutschland ist mit einem systematischen Raster von acht mal acht Kilometern überzogen, darin sind 3000 Standorte auf Äckern, Wiesen und Gärten festgelegt, auf denen Bodenproben gezogen werden. An einem zentralen Punkt wird ein ein Meter tiefes Loch ausgehoben, und in einem Radius von zehn Metern werden an acht Punkten im Umkreis Bohrungen vorgenommen, um Erdproben zu nehmen.

Im Labor in Braunschweig werden die angelieferten Proben – pro Woche sind es eine Tonne – analysiert, getrocknet, gesiebt und eingefroren. „Die Analysen umfassen die Konzentration von Kohlenstoff und Stickstoff, die Lagerungsdichte und den Steingehalt“, sagt Arne Heidkamp, der Laborleiter. Auch wichtige Parameter für Kohlenstoffvorräte werden ermittelt, etwa der pH-Wert oder die Art des Bodens.

Auch der Boden ist ein Kohlenstoffspeicher

Das Sammeln der Erde dient dem Klimaschutz. Die Daten sollen die Emissionsberichterstattung im Rahmen der UN-Klimakonvention verbessern, denn was bei der Debatte über saubere Luft oft ignoriert wird: Auch der Boden ist ein gigantischer Kohlenstoffspeicher, er enthält mit 1500 Gigatonnen organischem Kohlenstoff die doppelte Menge des Kohlenstoffs, der sich im Kohlendioxid gebunden in der Atmosphäre befindet. Es gibt ein Wechselspiel zwischen Böden, ihrer Nutzung und dem Klima, aber wie genau es abläuft, ist unbekannt. Tatsache ist, dass kohlenstoffreiche Böden wie Moore organischen Kohlenstoff verlieren, wenn sie trockengelegt werden. Auch anderes ist bekannt. „Wir erwarten, dass Grünland 30 Prozent mehr organischen Kohlenstoff in den oberen 30 Zentimetern des Bodens speichert als Ackerfläche“, sagt Arne Heidkamp. Aber welcher Effekt stellt sich ein, wenn Grünland umgepflügt wird? Was passiert, wenn die Erde wegen des Klimawandels wärmer wird und Mikroorganismen aktiver werden? Welche Wirkung haben wärmere Winter auf die Humusschichten, die ja fast zur Hälfte aus organischem Kohlenstoff bestehen?

Solche Fragen lassen sich nur in langen Zeiträumen beantworten. Die „nächste Wissenschaftlergeneration“, sagt Mathias Dinter, werde sich darum kümmern. Sie soll dann eine Datenbasis vorfinden, weshalb nun die „Inventur“ der Kohlenstoffvorräte vorgenommen wird. In Baden-Württemberg stehen 269 Standorte zur Erprobung an, erst 30 sind erprobt. Insgesamt sind 50 Mitarbeiter des Thünen-Instituts für Klimaschutz, das zum Bundesforschungsinstitut für Ländlichen Raum, Wälder und Fischerei gehört, mit dem Job befasst – ein Großprojekt für das Institut. Mit den beteiligten Landwirten, die freiwillig den Zugang zu ihren Äckern gewähren, werden Fragebögen ausgefüllt, die Hinweise auf die Bodenbearbeitung geben. Der Landwirt Heinz-Wilhelm Schulz, der mit in Dinters Team reist, lobt die große Bereitschaft seiner Berufskollegen, bei der Datenerhebung mitzumachen. Auf seinen Reisen hat das Team die unterschiedlichsten Böden gesehen. Am stärksten hat Mathias Dinter ein Acker in Niedersachsen beeindruckt, der 20 Jahre lang nur mit Mais bepflanzt wurde. Da sei „nur entnommen“, nie organisches Material zugeführt worden. „Der Boden sah blasser aus als andere.“ Wie es um ihn steht, kann in einigen Jahrzehnten erneut erkundet werden. Vergleichsdaten sind nun vorhanden.