Die Regionalfluggesellschaft VLM ist von der Pleite bedroht. Doch gebuchte Tickets sind sicher.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Friedrichshafen - So schnell dreht sich der Wind: Anfang des Jahres galt die belgische Airline VLM noch als eine Art Rettungsflieger für den Flughafen Friedrichshafen. Der Regionalzubringer Intersky mit Sitz im österreichischen Bregenz war Ende 2015 pleite gegangen. Nur wenige Wochen später konnten die Friedrichshafener ein Nachfolgeunternehmen präsentieren, das willens war, wieder Maschinen am Bodensee zu stationieren und den täglichen Verkehr nach Berlin, Düsseldorf und Hamburg fortzusetzen. Eine gute Nachricht für Geschäftsreisende – aber auch für das Land Baden-Württemberg, den Bodenseekreis und die Stadt Friedrichshafen. Sie halten zusammen 40 Prozent der Anteile an der Flughafengesellschaft und müssen bei Verlusten Geld nachschießen.

 

Nun zeigt sich, wie brüchig auch die neue Partnerschaft ist. Kürzlich wurde bekannt, dass VLM vor der Pleite steht. Nach einem Vorjahresverlust von mehr als zehn Millionen Euro sollen die Schulden des Unternehmens mit Sitz in Antwerpen auf sechs Millionen Euro angewachsen sein. Mehrere Osteuropa-Verbindungen und die Chartergeschäfte sollen dem Vernehmen nach völlig am Markt vorbei gehen. VLM bestätigte die zuerst in belgischen Medien verbreiteten Zahlen nicht, musste in der vergangenen Woche aber einräumen, zahlungsunfähig zu sein. Die Hausbank hatte offenbar die Konten gesperrt. Beim zuständigen belgischen Handelsgericht wurde ein sogenannter Gläubigerschutz beantragt (Creditor Protection). Bei dem Verfahren darf in einem verschuldeten Unternehmen für eine Übergangszeit nicht gepfändet werden. Voraussetzung dafür ist ein schlüssiges Sanierungskonzept.

VLM darf zunächst sechs Monate weitermachen

Am Mittwoch hat das belgische Gericht entschieden: VLM Airlines darf für die Dauer von mindestens sechs Monaten weitermachen und in dieser Zeit versuchen, die prekäre Lage abzuwenden. Hamish P. Davidson, geschäftsführendes Vorstandsmitglied von VLM, sagte kurz nach der Entscheidung, die Wende solle geschafft werden, „indem der bestmögliche Wert aus unserem bestehenden Vermögen in Form von Flugzeugen erzielt und dadurch unsere Liquidität erhalten werden kann“. Einfacher gesagt heißt das: VLM muss seine Maschinen verkaufen, aus dem Erlös die Schulden bezahlen und mit gemieteten Flugzeugen weiterarbeiten.

Aktuell besitzt VLM elf Maschinen vom Typ Fokker 50. Drei davon sind seit Februar fest in Friedrichshafen stationiert. Sie sind allesamt älter als 20 Jahre, haben nach Angabe eines Sprechers des Flughafens Friedrichshafen aber erst rund die Hälfte ihrer prognostizierten Benutzungsdauer hinter sich. Die Flughafengesellschaft sei zuversichtlich, so der Sprecher, dass der Verkauf rasch über die Bühne gehen könne und VLM seine Schulden deutlich vor Ablauf von sechs Monaten tilgen könne. Fluggäste, die fürs laufende Jahr schon Tickets gebucht und bezahlt hätten, müssten sich keine Sorgen machen.

Zwischen Misstrauen und Hoffnung

Einer Befreiung kommt der belgische Gerichtsbeschluss aber keineswegs gleich. Sollte sich VLM kurzfristig retten können, bliebe ein Unternehmen ohne nennenswerte Kapitalbasis übrig, ähnlich wie es die Fluglinie Intersky zuletzt gewesen ist. Auch Intersky hatte einst eigene Maschinen verkauft und zurückgemietet, den Niedergang damit aber nicht aufhalten können. Bis heute warten Hunderte Gläubiger auf ihr Geld. Die Gesamtforderungen belaufen sich auf rund fünf Millionen Euro.

Die Haltung der Friedrichshafener Flughafenbetreiber gegenüber VLM dürfte künftig zwischen Misstrauen und Hoffnung schwanken. Noch Mitte Februar hatte der Friedrichshafener Oberbürgermeister Andreas Brand gesagt: „Die können Airline. Ich bin zuversichtlich, die beherrschen ihr Handwerk.“ Die damals bereits vorhandenen Schwierigkeiten sind offenbar verschwiegen worden. „Das haben die uns gegenüber nicht angedeutet“, sagte am Mittwoch der Flughafensprecher.

Eine völlige Pleite der Belgier wäre indessen auch für den Standort am Bodensee desaströs. 2015 betrug das Defizit 1,6 Millionen Euro. 560 000 Fluggäste zählte Friedrichshafen zuletzt, 600 000 wären für einen kostendeckenden Betrieb notwendig. Von dieser Marke, so die Pläne, sollte VLM eigentlich rund 20 Prozent erwirtschaften. „Eine Restgefahr ist immer da“, sagt der Flughafensprecher. Könne sich VLM am Ende doch nicht retten, „dann werden wir wieder losmarschieren und gucken, wer das hier übernimmt“.