Nach den Erdhebungen aufgrund unsachgemäß ausgeführter Geothermiebohrungen verlangen geschädigte Hausbesitzer finanzielle Unterstützung aus einem staatlichen Topf. Das versprochene Geld der Versicherung reiche nicht, sagen die Betroffenen.

Böblingen - Seit mehr als fünf Jahren bilden sich nach Erdwärmebohrungen Risse an rund 200 Häusern in einem nördlichen und südlichen Gebiet in Böblingen. Manche neigen sich zur Seite, manche nach vorne oder nach hinten. „Das geht viel zu lange. Viele Betroffene haben resigniert. Niemand erhielt bisher eine Unterstützung“, zeigt sich Erich Weiß frustriert. Weiß wie auch weitere Mitstreiter und geschädigte Hausbesitzer fordern, dass endlich ein Hilfsfonds eingerichtet wird. Sie sehen das Land in der Pflicht.

 

Kopfschütteln über die Haltung der Landesregierung

In einem Brief an den grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann führten die streitbaren Bürger an, dass die Landesregierung dem Kreis die Kosten für die Sanierung der schadhaften Bohrlöcher erstattet habe. Unbürokratische Hilfe sei nun auch für die geschädigten Hausbesitzer legitim. Von der Landesregierung kam jedoch eine Absage mit dem Hinweis, dafür fehle die rechtliche Grundlage. Die Betroffenen können über die Ungleichbehandlung nur den Kopf schütteln. „Wenn es kein Gesetz dafür gibt, dann muss eben eines geschaffen werden“, sagt Hans-Peter Braun.

Lange Zeit warb die Landesregierung für die Wärmegewinnung durch die Geothermie. Und Erdwärmebohrungen, die zwischen den Jahren 2006 und 2008 durchgeführt und behördlicherseits nicht überwacht wurden, sind – wie von offizieller Seite bestätigt – in einem nördlichen Wohngebiet der Stadt Schuld daran, dass sich die Erde hebt und Häuserschäden auftreten. Also sei es nur recht und billig, dass von staatlicher Seite eine finanzielle Unterstützung gewährt werde, damit die Gebäudesanierungen endlich beginnen könnten, sagen die Hauseigentümer.

Garagentor ging nicht mehr auf

Viele wie Hans-Peter Braun mussten zwangsläufig etwas unternehmen und haben schon viel Geld investiert, um die gröbsten Schäden zu beheben. Ohne bisher einen Cent erhalten zu haben. Weder von der Versicherung der insolventen Bohrfirma, noch aus einem staatlichen Topf. Bei der Familie Braun ging eines Tages das Garagentor nicht mehr auf. Es klemmte, weil sich die Garage immer mehr nach vorne bewegt. Durch den aufquellenden Anhydrid im Erdreich, verursacht durch die unsachgemäß vorgenommenen Geothermiebohrungen in der Nachbarschaft. Die Brauns mussten ein neues Garagentor kaufen, die größten Risse am Wohngebäude wurden gestopft. Ihr Gebäude – eine Doppelhaushälfte – hat sich nach vorne geneigt.

Hans-Peter Braun hat zuletzt beobachtet, dass sich sein Haus nun immerhin nicht mehr bewegt. Rund hundert Gebäude im südlichen Teil der Stadt sind beschädigt worden. „Das seit drei Jahren versprochene geologische Gutachten vom Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGRB) liegt aber immer noch nicht vor“, bemängelt Brauns Mitstreiter Fritz Ott. Es werde nun Ende diesen Jahres erwartet. Man ist sehr gespannt auf die Expertise, weil sie bestätigen könnte, dass die Bohrungen auch im Böblinger Süden die Ursache für die Erdhebungen sind. Für den Norden liegt das LGRB-Gutachten vor.

Gutachter erkennen nicht alle Schäden an

Man gehe davon aus, dass es im Süden Böblingens zwei Hebungsgebiete gebe, vielleicht auch drei, meint Ott. Wie viel die Allianz Versicherung zahle, sei noch ungewiss. Pro Hebungsgebiet sei die zu erstattende Schadenssumme aber auf fünf Millionen Euro begrenzt. „Das Geld wird nicht reichen, vor allem dann, wenn zudem auch eine Wertminderung der Häuser geltend gemacht wird“, erklärt Ott.

Zudem gehen Gutachter der Allianz davon aus, dass nicht alle Häuserschäden im Norden auf schadhafte Erdwärmebohrungen zurückzuführen seien. Dasselbe könnten sie auch im Süden annehmen. Allerdings stehen Gutachten für die südlichen Bewohner noch aus. „Wann und ob wir jemals Geld bekommen, ist völlig offen“, sagt Ott. Wenn das noch zehn Jahre dauere, könnten manche Hausbesitzer vielleicht schon gestorben sein.

Der Kreis bekam Kosten für die Lochsanierung erstattet

Kostenersatz:
Der Kreis hatte bisher bei der Sanierung der Bohrlöcher Kosten in Höhe von 5,7 Millionen Euro. Sie wurden vom Land ersetzt.

Sanierung:
16 von 17 schadhaften Bohrlöchern wurden saniert. Zwei im Norden Böblingens, 14 im Süden, wo das letzte bald dicht sein soll. Die Bohrfirma hatte Zement verwendet, der sich zersetzte. Wasser gelangte in Gipskeuper, der aufquoll – wodurch sich die Erde hob. Im Süden tut sie das noch, im Norden kam sie nach der erneuten Zementverfüllung zur Ruhe.

Schadensregulierung:
Laut einem Allianz-Gutachten sind durch die Bohrungen im Norden Schäden in Höhe von 6,7 Millionen aufgetreten. Für den Süden will die Allianz die Schäden noch erheben. Ein Betroffener verklagte seine Nachbarin, die einen Bohrauftrag erteilt hatte, auf Schadensersatz. Der Richter vertagte das Urteil und verlangt nun Gutachten.