Das Sozialunternehmen GWW schreibt rote Zahlen. Deshalb wird die Bezahlung der Mitarbeiter mit Behinderung künftig an die wirtschaftliche Entwicklung gekoppelt. Auch der Haustarif für die Beschäftigten ohne Handicap gilt nicht mehr.

Böblingen/Calw - Stolz ist man stets bei den Gemeinnützigen Werk- und Wohnstätten Gesellschaft (GWW) gewesen, dass man den behinderten Mitarbeitern seit vielen Jahren überdurchschnittlich hohe Löhne zahlen konnte. „Sie sind dreimal so hoch wie im bundesweiten Durchschnitt der Behindertenwerkstätten “, sagt Andrea Stratmann, die Geschäftsführerin der GWW. Im Schnitt 461 Euro erhielten die Mitarbeiter bisher an den 40 Standorten der GWW in den Kreisen Böblingen und Calw. Von Juni an wird es weniger sein.

 

Wie stark das Einkommen sinken soll. steht noch nicht ganz fest und wird auch unterschiedlich ausfallen. Denn das neue Lohnmodell sieht eine stärkere Flexibilisierung und Individualisierung bei der Bezahlung vor. Künftig wird die Entlohnung sowohl an den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens als auch an die Leistung des Einzelnen gekoppelt.

Diese Neuausrichtung sei unumgänglich, sagte Stratmann bei der gestrigen Bilanz-Pressekonferenz. Der Grund: Die GWW verzeichnete in den vergangenen Jahren immer wieder Umsatzeinbrüche. 2013 steht ein Defizit von 360 000 Euro unter der Bilanz. Laut Gesetz muss die GWW 70 Prozent ihres Gewinns als Löhne an die behinderten Mitarbeiter auszahlen. „im vergangenen Jahr waren es aber 122 Prozent. Das geht auf Dauer nicht“, so die Geschäftsführerin.

Werkstatträte reden mit

Die Werkstatträte, die die behinderten Mitarbeiter vertreten, wurden in die Findung eines neuen Lohnmodells miteinbezogen. Mit ihnen einigte sich die Geschäftsführung darauf, künftig statt der vorgeschriebenen 70 nun 80 Prozent des Gewinns für Löhne zu verwenden. „Das bedeutet in schlechten Jahren einen niedrigeren Lohn, aber in guten Jahren auch eine Sonderzahlung“, erklärte Andrea Stratmann. Zudem soll es für besonders engagierte Mitarbeiter, die zum Beispiel bereit sind, an einen anderen Standort zu wechseln, zusätzliche Boni geben. Die Grundlage für die Berechnung der Löhne soll immer das durchschnittliche Ergebnis der drei vergangenen Jahre sein. Damit die neue Regelung nicht gleich so hart ist, wird sie erst im Juni eingeführt.

„Die Mitarbeiter sind natürlich verunsichert, weil sie nicht wissen, was auf sie zukommt“, sagte Konstantinos Savvidis, der Sprecher des Sindelfinger Werkstattrats. „Wir wissen alle mehr, wenn jeder die erste Lohnabrechnung hat.“ Allerdings dürfte es nur wenige Beschäftigte hart treffen, sollte der Lohn deutlich niedriger als bisher sein, meinte der Werkstattrat. Die meisten erhielten sowieso über das Landratsamt eine ergänzende Grundsicherung. Für Härtefälle, für die dies nicht greife, wolle man individuelle Lösungen finden, versprach Stratmann. Als positiv bewertet der Werkstattrat Savvidis, dass die Mitarbeitervertretung in die Lohnverhandlungen eingebunden worden sei. Auch Stratmannn bezeichnete die Gespräche mit den Werkstatträten als „sehr konstruktiv.“

Wesentlich schwieriger seien die Verhandlungen mit dem Betriebsrat der nicht behinderten Mitarbeiter gewesen. Erstmals hatten einige Beschäftigte 2013 Jahr gestreikt (wir berichteten). Der Grund: Die GWW hatte den Haustarifvertrag gekündigt, der die Mitarbeiter deutlich besser stellte als nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD). Im Februar ist die GWW dem kommunalen Arbeitgeberverband beigetreten und hat damit auch den TVöD übernommen. Für all jene Beschäftigten, die zuvor den Haustarif unterlagen, verhandelt die Geschäftsführung zurzeit mit dem Betriebsrat über eine Überführungslösung in den neuen Tarif.

Insolvenz des Maschinenzulieferers

Die roten Zahlen der GWW im vergangenen Jahr waren wegen der Insolvenz des Holzgerlinger Unternehmens KD Sondermaschinenbau entstanden. Die Firma hatte stets die besonderen Maschinen angefertigt, die die GWW für die Produktion für ihre Mitarbeiter braucht. Durch die Insolvenz seien halbkonstruierte Maschinen liegen geblieben. Diese rechtzeitig für die Produktion fertigzustellen, habe ein Defizit von 200 000 Euro verursacht, so Stratmann. Stolz ist sie, dass trotzdem alle Aufträge für Kunden wie Daimler und Bosch pünktlich abgewickelt werden konnten. „Es gab keinerlei Verzug von unserer Seite“

Die Insolvenz der KD Sondermaschinenbau hatte auch Auswirkungen auf die Stiftung Zenit, deren Mitgesellschafter die GWW ist und deren Ziel die Qualifizierung von behinderten Menschen für den ersten Arbeitsmarkt ist. Man arbeite daran, neue kaptalkräftige Mitgesellschafter zu gewinnen, sagte der Landrat Roland Bernhard, der Aufsichtsratvorsitzender der GWW sowie Stiftungratschef bei Zenit ist.