Im Kreistag sind sich die Parteien im Großen und Ganzen einig: Mehr Geld für Kliniken, mehr für die Mobilität. Woher die Millionen Euro im Einzelnen kommen sollen, darüber gehen die Meinungen allerdings auseinander.

Böblingen - Der Landkreis Böblingen gehört in Deutschland zu den wohlhabenderen: Kaum eine Region hat so viel Geld für Busse, Krankenhäuser, Schulen zur Verfügung. Auf 682 Millionen Euro beläuft sich der Haushaltsentwurf für das nächste Jahr, den Landrat Roland Bernhard Anfang Oktober dem Kreistag vorgestellt hatte. Das ist auch für den Landkreis ein Rekord. Am Montag haben die Parteien darüber debattiert. Die strukturelle Transformation der Wirtschaft, der demografische Wandel, die Erfordernisse durch die Klimapolitik – große Veränderungen stehen an. Die Parteien wollen dafür die Weichen stellen. Wohin soll das viele Geld im kommenden Jahr also fließen?

 

 

 Der Sozialetat ist mit 250 Millionen Euro das größte Feld im Haushalt. Herrscht darüber Einigkeit?

Im Grunde ja. Das bereits bestehende Angebot für die Jugend- und Familienhilfe soll erhalten bleiben. Die SPD und die Linke fordern zusätzlich ein „Sozialticket“ für finanziell Schwächere. Außerdem wollen die Fraktionen Geld von Bund und Land eintreiben, das sie für Leistungen ausgegeben haben, die eigentlich Bund und Land erfüllen müssten. Dabei geht es um knapp drei Millionen Euro für die Anschlussunterbringung der Asylberechtigten und weitere knapp drei Millionen für die Integration von Menschen mit Behinderung. „Hier muss Geld von Bund und Land an die Kreise fließen“, sagte Thomas Sprißler von den Freien Wählern. „Der Landkreis steht vor großen Herausforderungen. Wir brauchen das Land als verlässlichen Partner“, hatte Landrat Bernhard bereits vor einigen Tagen gesagt. Bislang herrscht über die Finanzierung dieser Leistungen Uneinigkeit.

 

Knapp 45 Millionen Euro sollen in den Ausbau des Nahverkehrs fließen. Kommt trotzdem eine Tariferhöhung?

Busse und Bahnen werden auch im Zuge der Klimadebatte immer wichtiger. Uneinigkeit herrscht darüber, ob die notwendigen Zusatzmittel für deren Ausbau auch von den Kunden mitfinanziert werden sollen. Die Grünen wollen eine Tariferhöhung vermeiden und an die Nutzer ein „Signal“ senden, dass die Politik auf mehr Nachhaltigkeit setze, sagte Roland Mundle. Deshalb sollte der Kreis die Kosten übernehmen. Die CDU und die Freien Wähler hingegen mahnen, dass ein Zuwachs der Fahrgäste nicht sicher sei. Sie würde eine „maßvolle Erhöhung“ (CDU) der Preise um 1,9 Prozent im bisherigen Etatentwurf mittragen. Dieser sieht von einer Erhöhung bei den Schüler- und Studententickets ab.

Welche Rolle spielen dabei die Gäubahn und die Schönbuchbahn?

Nahezu alle Fraktionen wollen, dass die Gäubahn bis zur Fertigstellung von Stuttgart 21 bis zum Hauptbahnhof in Stuttgart fährt. Bislang soll sie in Vaihingen enden. Weil zudem der Ausbau der Autobahn A 81 beginnt, befürchten die Fraktionen eine „starke Gefährdung“ für die Wirtschaft und Mobilität (Grüne). Landrat Bernhard selbst geht davon aus, dass der Ausbau von S 21 sich um zwei bis drei Jahre verzögere, was dem Landkreis Böblingen zusätzlich schade. Begrüßt wird hingegen die Inbetriebnahme der Schönbuchbahn von Mitte Dezember an. Die Linke fordert, die elektrische Bahn im ersten Monat „zur Attraktivitätssteigerung“ für Nutzer kostenlos zur Verfügung zu stellen.

 

 Schon heute schreiben die Kliniken 18 Millionen Euro Verlust im Jahr. Will der Kreis hier sparen?

Eindeutig nein. „Wir werden auch in Zukunft ein Defizit im Betrieb der Krankenhäuser finanzieren“, sagte Helmut Nöe (CDU), andere Fraktionen sehen das ähnlich. Große Hoffnungen sind allerdings mit dem Neubau des Flugfeldklinikums verknüpft. Dieses soll sowohl effizienter arbeiten als auch leichter erreichbar sein als bisherige Krankenhäuser. Diskutiert wurden auch Wege, wie man das dafür nötige Personal in die Region holt. „Stipendien für Medizinstudenten“, die sich als Landarzt im Landkreis verpflichten, schlug die SPD vor. Der CDU schweben Jobtickets und Kinderbetreuungseinrichtungen vor. Es müssten „neue Angebote“ unterbreitet werden, um überhaupt Personal zu bekommen, sagten die Grünen.

 

 Von 2021 an sollen die Einnahmen um fast 80 Millionen Euro sinken. Wird die Kreisumlage deshalb angehoben?

Die Zukunft der Finanzierung des Landkreises in Zukunft bleibt unklar. Die Fraktionen sind uneins, ob die Kreisumlage, also der Anteil der Einnahmen der Kommunen, die sie an den Kreis weiterleiten, angehoben werden soll oder nicht. Sowohl die SPD als auch die Grünen wollen an der bisherigen Marke von 32 Prozent der kommunalen Steuerkraft festhalten. Die Freien Wähler wollen sie angesichts der Mehreinnahmen um ein Prozent absenken. Auch die CDU will die Umlage senken, mittelfristig aber bei 32 Prozent belassen. In den kommenden Tagen beraten die Fachausschüsse. Mitte Dezember soll der Haushalt verabschiedet werden.