Ein Haus der Katholischen Kirche wird am Bonifatiusplatz gebaut. Der Neubau soll nicht nur als Anlaufstelle für alle Mitglieder im Kreis dienen, dort sollen auch sämtliche kirchliche Dienste im Landkreis zentral untergebracht werden.

Böblingen - Weniger als ein Viertel der Böblinger sind katholisch. Und längst nicht alle Katholiken kennen den für sie zuständigen Pfarrer oder wissen, zu welcher Kirchengemeinde sie gehören. Längst haben die Kirchen – die katholische genauso wie die evangelische – ihre früher für die Gesellschaft so wichtige Position verloren. Sie müssen also überlegen, wie sie sich wieder ins Bewusstsein der Menschen bringen. Die Böblinger Katholiken wollen dies mit einem großen Bauprojekt schaffen: Am Bonifatiusplatz entsteht ein Haus der Katholischen Kirche.

 

Dienste für 88 000 Katholiken

Dort sollen zentrale Funktionen gebündelt werden – sowohl für die knapp 11 000 Katholiken in der Stadt Böblingen als auch für die 88 000 Katholiken im Kreis. „Wir wollen hier die verschiedenen Dienste und Organisationen zusammenfassen“, sagt Andreas Senn. Er ist als Pastoralreferent für das Projekt Kirche auf dem Flugfeld zuständig, bei dem er religionsübergreifend agiert. Kirche sei mehr als der sonntägliche Gottesdienst, betont Senn. „Auch die Caritas gehört zu uns, das Jugendwerk, die Katholische Erwachsenenbildung.“ All diese Einheiten, die momentan im Kreis Böblingen verstreut sind, sollen im geplanten Haus der Kirche versammelt werden. Das Schuldekanat beispielsweise befindet sich zurzeit in Herrenberg. Es soll nach Böblingen umziehen. Insgesamt werden künftig rund 70 Mitarbeiter am Standort Bonifatiusplatz arbeiten.

Zudem soll der Empfang des Hauses die Anlaufstelle für alle Katholiken aus der Stadt werden. „Wir haben momentan vier Gemeinden in Böblingen. Nicht jeder Katholik weiß, wo er hingehört. Nicht jeder hat bei einem Anliegen genau dann Zeit, wenn das Pfarrbüro offen ist“, sagt Senn. Dazu muss man wissen, dass die Öffnungszeiten von Pfarrbüros sich auf wenige Stunden pro Woche beschränken. Wer künftig zum Beispiel sein Kind zur Taufe anmelden möchte, kann dies im Haus der Kirche tun.

Ruheoase für Passanten

Ähnlich wie das Haus der Katholischen Kirche in Stuttgart soll auch das Böblinger Pendant für die Passanten zu einer kleinen Ruheoase werden. Ein Café wie in Stuttgart werde es zwar vermutlich nicht geben, meint Senn. „Aber wir werden einen Kaffeeautomaten aufstellen und ein paar Sessel und sicherlich auch etwas zum Lesen für die Besucher auslegen.“

Wie das Haus einmal aussehen wird, zeigen erste Entwürfe. Ein Architektenwettbewerb war der Planung vorgeschaltet. Am Freitag tagte nichtöffentlich die Jury und wählte den Siegerentwurf aus. Dieser bleibt bis Sonntag noch geheim. Dann können ihn alle Interessenten im Gemeindehaus St. Bonifatius anschauen, ebenso wie die anderen eingereichten Modelle. 5,3 Millionen Euro hat die Kirche als Baukosten für den Neubau veranschlagt. Finanziert wird er unter anderem durch den Verkauf anderer Gebäude in Kirchenbesitz.

Von dem Haus soll „Strahlkraft“ ausgehen

Zwei Entwicklungen erhoffen sich die Verantwortlichen der Katholischen Kirche von dem Neubau und der Zentralisierung: „Zum einen rechnen wir mit Synergieeffekten. Nicht jede Organisation braucht zum Beispiel einen eigenen Drucker, den kann man sich teilen“, sagt Senn. Zudem werde die Zusammenarbeit der verschiedenen kirchlichen Dienste und die Organisation gemeinsamer Veranstaltungen einfacher, wenn alle unter einem Dach seien.

Der wichtigste Aspekt für Senn ist jedoch „die Strahlkraft, die vom Haus der Kirche ausgehen soll“. Mit dieser Institution wollen die Katholiken in der Stadt und in einer immer säkularer werdenden Gesellschaft Präsenz zeigen.

Die Protestanten treffen sich in der Festen Burg

Zahlen:
Knapp 50 000 Einwohner hat die Stadt Böblingen. Davon sind rund 11 000 Mitglider der Katholischen Kirche, etwa 13 000 gehören der evangelischen Kirche an. Im Kreis Böblingen bekennen sich etwa zwei Drittel der 370 000 Einwohner zu einer der beiden großen christlichen Kirchen: 140 000 Protestanten und knapp 90 000 Katholiken leben im Kreis.

Feste Burg:
Auch die evangelische Kirche hat in Böblingen eine zentrale Anlaufstelle. Die Feste Burg in der Sindelfinger Straße, früher lediglich ein einfaches Gemeindehaus, wurde vor fünf Jahren aufwendig saniert und ausgebaut. Seither ist sie der Treffpunkt der Gesamtkirchengemeinde. Zudem sind mehrere Dienste dort untergebracht: die Fachberatung der evangelischen Kindergärten, das Jugendwerk und der Tafelladen, wo Bedürftige sich mit günstigen Lebensmitteln eindecken können.

Region:
Ähnliche Projekte gibt es beispielsweise in Stuttgart und Reutlingen. Das Haus der Katholischen Kirche in der Stuttgarter Königsstraße ist eine beliebte Anlaufstelle für ruhesuchende Menschen auf Einkaufstour. Ein Café, das verpachtet wurde, bietet ein kleines gastronomisches Angebot. Eine Ordensschwester steht am Empfang für Fragen aller Art bereit. In Reutlingen betreiben die evangelische und katholische Gesamtkirchengemeinde gemeinsam die Citykirche in der Fußgängerzone: mit einem Café, Gesprächen und Veranstaltungen.