Der Zuschuss wird auf 360 000 Euro erhöht – damit sind sechs Stellen gesichert. Weil die Besetzung aber kaum ausreicht, stellt das Deutsche Rote Kreuz eine weitere Kraft.

Böblingen - „Ihm ist schwindelig, er kann nicht aufstehen“, meldet sich eine Angehörige eines 33-jährigen Ehningers in der Integrierten Leitstelle in Böblingen. Der Disponent Darius Müller notiert die Adresse. Er ist einer von vier Diensthabenden. Zwischen 9 Uhr und 18 Uhr gehen im Durchschnitt täglich 600 Anrufe ein, binnen 24

 

Stunden klingelte im vergangenen Jahr durchschnittlich 1019 Mal am Tag der Notruf 112. Im Vergleich dazu hat Darius Müller an diesem Vormittag wenig Stress. Damit er seine Überstunden abbauen kann, stellt das Deutsche Rote Kreuz (DRK) zum 1. April für die Leitstelle nun einen weiteren Disponenten zur Verfügung. „Bei uns ist es personell nach wie vor eng“, sagt Andreas Leutwein, der Chef der Leitstelle.

Damit die Einsätze möglichst effektiv sind, wurde am 1. Juli 2000 die gemeinsame Zentrale von DRK und Feuerwehr in Böblingen geschaffen. Dort schieben drei DRKler und ein Hauptamtlicher der Böblinger Feuerwehr tagsüber Dienst, zwei Mitarbeiter nehmen nachts die Anrufe entgegen. Bisher hat der Kreis die Personalkosten von zwei hauptamtlichen Feuerwehrleuten der Stadt getragen, 120 000 Euro. Nun stockt er den Zuschuss um 240 000 Euro auf für insgesamt sechs hauptamtliche Kräfte und kommt damit der Forderung von Böblingen nach, mehr zu zahlen. Denn viele Anrufe gehen auch aus den 25 anderen Kreiskommunen ein – wie aus Ehningen.

Laut Gesetz sollen Retter in zehn Minuten vor Ort sein

„Der Rettungswagen wird in einer halben Stunde bei Ihnen sein“, sagt Darius Müller der Angehörigen des Mannes mit den Schwindelgefühlen. David Bäthis, sein Kollege in der Leitstelle, ordert ein Fahrzeug. Weil die Zahl der Einsätze gestiegen ist, soll ein weiterer DRK-Rettungswagen tagsüber zum Einsatz kommen und zwei Fahrzeuge rund um die Uhr zusätzlich zur Verfügung stehen. Bisher werden von der DRK-Zentrale auf dem Flugfeld vier Wagen zu Notfallpatienten geschickt, in Herrenberg und Leonberg stehen zwei bereit und in Renningen-Malmsheim wartet ein Wagen auf den Einsatz. Die Standorte für die neuen Fahrzeuge stehen noch nicht fest.

„In 95 Prozent der Fälle halten wir den Anfahrtsweg von 15 Minuten ein“, sagt Leutwein, „wir müssen das aber dringend optimieren.“ Denn laut Gesetz sollten die Rettungssanitäter bereits binnen zehn Minuten vor Ort sein. „Diese Vorgabe werde jedoch nirgendwo in Baden-Württemberg erfüllt.“ Schuld daran seien der Personalmangel und die Tarifpolitik, ein Notfalleinsatzhelfer des DRK verdiene monatlich 1500 Euro brutto, sagt Leutwein.

Binnen zwei Jahren 30 Prozent mehr Notrufe

Laut Gerhard Fuchs, dem Leiter des DRK-Rettungsdienstes, ist die Zahl der mit den Krankenkassen abgerechneten Einsätzen seit dem Jahr 2013 um 30 Prozent innerhalb von zwei Jahren auf knapp 83 000 gestiegen. „Der Grund für den Anstieg liegt im gewachsenen Anspruchsdenken in der Bevölkerung, die auch bei kleinsten Verletzungen oder gesundheitlichen Problemen die Nummer 112 wählen“, sagt Fuchs.

Anspruchsvoller ist auch die Ausbildung geworden, sowohl für die Retter als auch für die Disponenten in der Leitstelle. Die Zahl der Anrufer ist innerhalb von zwei Jahren ebenfalls um rund 30 Prozent auf mehr als 370 000 gestiegen. Die Stadt Böblingen hat die Zahl der hauptamtlichen Feuerwehrkräfte, die auch in der Leitstelle eingesetzt werden, jüngst von zwölf auf 18 erhöht, neun sind noch in Ausbildung. Weil der Kreis sechs Kräfte für den Personalpool der Leitstelle bezahlt, bleiben an der Stadt noch 670 000 Euro an Personalkosten hängen. Zudem stellt das DRK für die Leitstelle sechs feste Kräfte und drei Springer. Beim DRK kalkuliert man pro Mitarbeiter in der Notrufzentrale mit 50 000 Euro Personalkosten. Am Ende sei alles eine Geldfrage, sagen Fuchs und Leutwein. Die Mitarbeiter müssten besser bezahlt werden, die Krankenkassen dürften bei der Finanzierung nicht so zurückhaltend sein. Sonst komme auch mal ein Rettungswagen nicht.

Derweil schaut der Disponent David Bäthis an diesem Vormittag eine halbe Stunde nach dem Ehninger Anruf auf seinen Monitor. „Der Wagen steht noch vor dem Krankenhaus in Sindelfingen. Er wird aber nun bald losfahren.“

Der Rems-Murr-Kreis hatte in der Region die Nase vorn

Esslingen:
Die Integrierte Leitstelle im Kreis mit einer gemeinsamen Technik für Feuerwehr und Rettungsdienst soll Ende dieses Jahres in Betrieb gehen. Eine gemeinsame Leitstelle mit getrennter Technik gibt es schon. Die Kosten für die Technik teilen sich Kreis und Rotes Kreuz. Die Gehälter trägt jeder Partner selbst. Der Kreis wird wohl sechs Feuerwehrleute entsenden, das Rote Kreuz 15 Mitarbeiter. Rund 84 000 Einsätze koordinieren sie, etwa 80 000 betreffen den Rettungsdienst.

Göppingen
: Die eine Hälfte der Sachkosten der Integrierten Leitstelle, die es seit 2007 gibt und bei der die Fäden für etwa 50 000 Einsätze im Jahr zusammenlaufen, bezahlen Kreis und Stadt, die andere das Rote Kreuz. Die Gehälter der 17 Mitarbeiter – sieben stellt die Feuerwehr – zahlen die Partner aus eigener Tasche.

Ludwigsburg
: Seit 2014 hat es im Kreis eine Integrierte Leitstelle, in der 17 Rot-Kreuz-Mitarbeiter und sechs Feuerwehrleute Dienst tun. Sie bearbeiteten im vergangenen Jahr rund 105 000 Einsätze. Die integrierte Leitstelle ist eine eigenständige GmbH, deren Gesellschafter der Landkreis und der Rote Kreuz zu gleichen Teilen sind.

Stuttgart
: Rund 150 000 Einsätze im Jahr koordinieren die etwa 60 Mitarbeiter von Feuerwehr und Rotem Kreuz der im April 2006 eröffneten Integrierten Leitstelle in Stuttgart. Die Gesamtkosten teilen sich Stadt und Hilfsorganisation.

Rems-Murr:
Schon seit 1998 gibt es die Integrierte Leitstelle im Kreis. 21 Mitarbeiter kümmern sich um über 80 000 Einsätze im Jahr. 45 Prozent der Kosten übernimmt der Kreis, 55 Prozent Kostenträger wie Krankenkassen. (bik)