Die aktuelle Ausstellung des Böblinger Fleischermuseums zeigt skurrile Figuren und ist mit viel Humor gemacht. Das neue Konzept kommt offenbar auch bei den Besuchern an.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Die Eierlegende Wollmilchsau ist ein Faszinosum: „Dieses Wesen kann alles, aber noch niemand hat es in der freien Wildbahn erspäht“, sagt Christian Baudisch über das Objekt seiner aktuellen Ausstellung. Ein Dutzend Wolpertinger hat er unter anderem zwischen die Dauerexponate geschmuggelt. Der Titel passt auch zum Böblinger Fleischermuseum und zu seinem neuen Leiter, die sowohl ein Handwerk und seine Geschichte präsentieren als auch für Aufmerksamkeit sorgen sollen. „Ich versuche, das Haus und seine Möglichkeiten zu testen“, sagt Christian Baudisch. Das Unmögliche scheint zu gelingen: Die Besucherzahlen steigen. Und im Gemeinderat gibt es längst keine Kritik mehr an der Einrichtung, sondern nur Lob.

 

„Es freut uns saumäßig“, sagte Hans-Dieter Schühle über den gelungenen Neustart, als Christian Baudisch im Januar dem Gemeinderat sein Programm vorstellte. Die Einrichtung sei stiefmütterlich behandelt worden, keilte der CDU-Fraktionschef gegen die SPD und ihren „grandiosen Antrag“. Denn die Genossen hatten vor vier Jahren die Schließung der Einrichtung gefordert. „Der Besuch und die Akzeptanz dieses Museums ist verschwindend gering“, argumentierte die Fraktion, sie wollte die 180.000 Euro an jährlichen Unterhaltskosten sparen. Der Antrag besteht zwar weiterhin, zumindest bis im Herbst die bei einer Agentur in Auftrag gegebene Museumskonzeption für die Stadt vorliegt. „Er macht es richtig gut und hat pfiffige Ideen“, sagte der SPD-Stadtrat Jochen Reisch allerdings schon damals über den neuen Museumsleiter. Seine Fraktion habe zwischenzeitlich auch eine andere Richtung eingeschlagen: „Wir wollen mehr in die Kultur investieren“, sagte der Stadtrat.

„Wenn man den Leuten etwas bietet, dann läuft es bestens“

Genau 4159 Besucher sind laut den jetzt vom Kulturamt vorgelegten Zahlen im vergangenen Jahr im Fleischermuseum gewesen: 500 mehr als 2016 und 1400 mehr als 2015. Mehr als die Hälfte steuerte Nurdan Drignath mit ihrer Abschlussausstellung zum Karikaturisten Horst Haitzinger bei. Die Schlachtplatten ihres Nachfolgers Christian Baudisch – Schallplattenhüllen mit Tier- und Fleischmotiven – lockten zwischen November und März 1200 Menschen an.

„Wenn man den Leuten etwas bietet, dann läuft es bestens“, sagt der Kunsthistoriker und Literaturwissenschaftler. Zu einem Gespräch über die Stadionwurst kamen im Juli vor einem Jahr 100 Zuhörer, zur Eröffnung der Wollmilchsau-Schau im Mai waren es mehr als 200. Was Hans-Dieter Schühle ihm besonders hoch anrechnete: Dass er dazu ein Foodtruck-Festival auf den ausgestorbenen Marktplatz lockte. „Mit Gulaschkanonen und Gaisburger Marsch“ würde er die Fläche gerne weiter beleben, träumte der CDU-Stadtrat weiter.

Für Christian Baudisch ist das Fleischermuseum ein Pfund, mit dem Böblingen wuchern kann – allein schon wegen seines außergewöhnlichen Namens. „Die Liebe der Böblinger zu dem Museum ist eingeschlafen“ – das ist ihm aufgefallen, als er auf der Grill- und Barbecue-Messe in Sindelfingen dieses Frühjahr Werbung dafür machte. Abwechslungsreiche Ausstellungen, die immer anderes Publikum anziehen, sind deshalb seine Taktik.

Zusammenstellung von Mischwesen

Die Eierlegende Wollmilchsau ist eine äußerst humorvolle und abwechslungsreiche Zusammenstellung von Mischwesen. „Sie wurden alle erfunden, um jemanden hereinzulegen“, erklärt der Museumsleiter. Wolpertinger gibt es in Bayern nämlich erst, seit es dort preußische Touristen gibt. Zu sehen ist außerdem, wie der Comiczeichner Martin Frei für die Schau das Namen gebende Tier entworfen hat.

Originaldrucke von Tom und Jerry werden ebenso gezeigt wie die Assoziationen von mehreren Künstler zu dem Thema. Das Antediluvianische Bilderbuch, „eine herrliche Darwin-Satire“, hat einen Raum erhalten. Was man selten in der freien Wildbahn erspähen kann, aber im Museum: das Skelett eines siamesischen Zwillingslamms.

Ein Ausgrillen mit Welturaufführung

Programm:
Die„Eierlegende Wollmilchsau“ ist noch bis 14. Oktober im Fleischermuseum in Böblingen zu Gast. Am 15. November steht dann eine Vernissage an: Pia Maria Martin erhält eine Einzelausstellung. Die 1974 in Altdorf geborene Videokünstlerin, die an der Kunstakademie in Stuttgart studiert hat, dreht eigens für das Fleischermuseum einen Film. Die Eröffnung der Ausstellung, die auch eine Welturaufführung ist, beginnt deshalb im Bären-Kino. Für 2020 steht im Fleischermuseum das Thema Food Porn auf der Agenda.

Zahlen :
In den anderen beiden Museen wurde ebenfalls gezählt: Das Bauernkriegsmuseum und die Zehntscheuer sind im vergangenen Jahr von 6513 Menschen besucht worden, 2016 waren es noch 5253. Wobei im Jahr 2015 sogar 7814 Besucher gekommen waren, was teilweise an der sehr erfolgreichen Kunstausstellung „Die Klasse der Damen“ lag.