Die Allianz haftet für die Schäden durch Erdhebungen. So hat es ein Schiedsgericht entschieden. Allerdings herrscht zwischen der Versicherung und der Interessengemeinschaft der Betroffenen Zwist – vor allem über die zu bezahlende Summe.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Böblingen - Die von Erdhebungen geplagten Hauseigentümer schließen Bekanntschaft mit den Tücken des Versicherungsrechts. Die Allianz muss für Schäden an ihren Häusern haften. Die AIG und die Württembergische Versicherung scheiden aus. Dies hat das mit einer Richterin und zwei Rechtsprofessoren besetzte Schiedsgericht entschieden. Die Firma Gungl, die für die Erdwärmebohrungen verantwortlich ist, hatte bei allen drei Versicherungen Verträge abgeschlossen. Wer zahlen sollte, war strittig. Nach dem Urteil sollte „die Allianz keine Spielchen mehr um Kausalität führen, sondern sich schnell zur Schadensregulierung bekennen“, meint der Landrat Roland Bernhard. Ob sich der Wunsch nach baldigem Schadenersatz erfüllt, scheint allerdings fraglich.

 

Wie angekündigt, akzeptiert die Versicherung den Schlichterspruch. Ungeachtet dessen herrscht Uneinigkeit über das weitere Vorgehen und die Haftungssumme. Der Grund dafür sind rechtliche Details in den Policen. Ungeklärt ist aus Sicht der Allianz, ob Gungl bei den Bohrungen fehlerhaft gearbeitet hat. Diese Frage will die Versicherung von Gutachtern klären lassen. Im für die Geschädigten ungünstigsten Fall will die Allianz höchstens zwei Millionen Euro verteilen. Diese Summe wäre ein Bruchteil dessen, was die Reparatur der rund 200 betroffenen Häuser kosten würde.

Die Allianz weist der Vorwurf der Verzögerungstaktik von sich

Wann die Gutachten fertig sein werden, ist unklar. „Wir sind an einer schnellen Klärung interessiert“, sagt Mathias Scheuber vom Allianz-Vorstand, „aber die offenen Fragen müssen rechtsstaatlich geklärt werden“. Den immer wieder erhobenen Vorwurf der Verzögerungstaktik weist er von sich. Das Schiedsverfahren „hat vier Monate gedauert“, sagt Scheuber, „in einem Rechtsstreit hätte ich mir auch vier Jahre vorstellen können“. Die Arbeit der Gutachter werde beginnen, sobald das weitere Vorgehen mit der Interessengemeinschaft Erdhebungen abgesprochen ist, der IGE.

Diese Absprachen dürften schwierig werden. „Die Allianz kommt zu dem Ergebnis, dass die Haftungssumme auf zwei Millionen Euro begrenzt ist, das ist der Hammer, ich kann es nicht anders sagen“. Das sagt Eberhard Haaf, der Rechtsanwalt der IGE. Aus seiner Sicht muss nicht Gungls Schuld bewiesen werden, allenfalls könne die Allianz vor Gericht versuchen, dessen Unschuld zu beweisen. „Das entspricht seit vielen Jahrzehnten der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs“, sagt Haaf. Überdies sei das Verschulden des Unternehmens amtlich festgestellt – mit einem Gutachten des Landesamtes für Geologie, Rohstoffe und Bergbau.

Bis 2011 war eine Haftung für Erdhebungen faktisch ausgeschlossen

Nach Lesart der Allianz hätten die Betroffenen auch leer ausgehen können. Gungl hatte zwei Policen abgeschlossen, eine für Betriebs-, eine für Umwelthaftpflicht. Erstere scheidet gemäß Schlichterspruch aus. In letzterer war eine Haftung für Schäden ausgeschlossen, die wegen einer „Änderung der Lagerstätte oder des Fließverhaltens des Grundwassers“ entstehen. Diese Passage hatte Gungl am 27. Oktober 2011 streichen lassen. Andernfalls wären auch jene zwei Millionen Euro strittig. Die übliche Ursache für Erdhebungen ist, dass Grundwasser in Gesteinsschichten eindringt, die dadurch aufquellen.

Die Absicht, Gutachter in Gang zu setzen, „wird die Allianz in zwei Wochen zurückziehen“, sagt Haaf, „davon bin ich überzeugt“. Der Zwist um die Höhe des Schadenersatzes werde länger dauern, „aber wenn wir vor Gericht ziehen, werden wir gewinnen“. Zumindest einer der Betroffenen beobachtet die jüngste Entwicklung mit Zuversicht: „Dass wir die Zuständigkeit einer Versicherung haben, ist ein Durchbruch, ganz klar“, sagt Werner Schubert, der Geschäftsführer der Interessengemeinschaft. „Wir sind jetzt guter Hoffnung, dass die Allianz es so regelt, dass sie nicht noch mehr blaue Flecken bekommt.“