Als Goldgrube hat sich eine Zahnarztpraxis in Böblingen erwiesen: Ein Zahntechniker hatte 26-mal Zahngold bestellt und es dann mitgehen lassen.

Böblingen - Was genau der 45 Jahre alte Dentaltechniker mit dem Gold gemacht hat, ist nicht klar. Der Mann, der sich am Mittwoch wegen Betruges vor dem Böblinger Amtsgericht verantworten musste, beruft sich auf Gedächtnisstörungen. Klar ist nur, dass er sich unrechtmäßig rund drei Kilo Gold im Wert von 173.000 Euro beschafft hat und deshalb nun zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt worden ist.

 

Eine hohe kriminelle Energie hat der Böblinger Amtsrichter Werner Kömpf dem ehemaligen Mitarbeiter einer Zahnarztpraxis bescheinigt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Zahntechniker zwischen dem 17. Mai und dem 20. August 2010 insgesamt 26-mal Zahngold und Legierungen für eine Böblinger Zahnarztpraxis bestellt und in die eigene Tasche gesteckt hat.

Wie die Beweisaufnahme ergab, hatte der 45-Jährige das Zahngold und die Legierungen jeweils hinter dem Rücken seines Chefs per Telefon bestellt. In den allermeisten Fällen nahm er die Päckchen von den Vertretern der Dentallabors oder von Lieferservicefirmen selbst entgegen. Mitunter ließ er sie auch zu sich nach Hause schicken. Wurde das Material zur Herstellung von Kronen oder Brücken in die Zahnarztpraxis geliefert, fing er es an der Empfangstheke ab, nahm es im Treppenhaus oder sogar vor dem Gebäude entgegen.

2010 flog der Betrug auf

Der Zahntechniker bestellte stets kleine Mengen, damit die "Unmengen an Gold, die eine Praxis so rasch gar nicht verarbeiten kann", wie der Richter feststellte, nicht auffielen. Davon betroffen waren insgesamt acht Firmen in Deutschland, die untereinander nichts von den Bestellungen des Zahntechnikers wussten. Vertreter dieser Unternehmen waren gestern als Zeugen geladen. Teilweise kannten sie den Angeklagten von geschäftlichen Treffen in Böblingen und hatten ihn dabei als vertrauenswürdig eingeschätzt.

Lediglich eine Firma im hessischen Hanau hatte das Konto der Arztpraxis gesperrt und die Lieferungen eingestellt, nachdem im Juni vorigen Jahres bei vier Bestellungen insgesamt 830 Gramm Gold für 34.800 Euro geliefert worden waren. Der Betrieb hatte als einziger Verdacht geschöpft, jedoch bei Nachfragen in der Praxis niemanden erreicht, weil im August wegen Urlaubs geschlossen war. Das Unternehmen klagt nun in einem Zivilrechtsverfahren am Stuttgarter Oberlandesgericht. Dabei will es den 29 Jahre alten Zahnarzt für die Vergehen seines Mitarbeiters zur Verantwortung ziehen.

Dem Angeklagten war es zunächst gelungen, alle Rechnungen und Mahnungen abzufangen. Anfang September 2010 flog der Betrug dann aber doch auf. Ein Lieferant hatte den nichts ahnenden Zahnarzt telefonisch erreicht und auf die Bezahlung einer Lieferung gepocht. Der Angestellte meldete sich daraufhin krank und ließ sich in einer Klinik sieben Wochen lang behandeln, wo die Ärzte eine Amnesie diagnostizierten.

Der Angeklagte hatte bereits 2008 Zahungsschwierigkeiten

"Ich kann mich an nichts mehr von damals erinnern", sagte der Angeklagte. Deshalb wisse er auch nicht, was er mit dem Gold gemacht habe. "Ein Zahntechniker weiß, wie man Gold einschmelzt und es zu Geld macht", sagte dafür der Richter Werner Kömpf. Bei ihren Ermittlungen hat die Polizei auf dem Computer des 45-Jährigen Internetverweise auf mehrere Escortservices gefunden. Vielleicht habe er Begleiterinnen geordert, mutmaßte eine Polizistin vor Gericht.

Der ledige Angeklagte war wegen Zahlungsschwierigkeiten bereits im Jahr 2008 in die Privatinsolvenz gegangen und müsste eigentlich für einen unehelichen Sohn Unterhalt bezahlen. "Der Betrugsschaden bleibt- je nachdem, wie das Oberlandesgericht urteilt-möglicherweise an den betroffenen Lieferfirmen hängen", meinte der Richter. Der Verteidiger führte an, dass es nicht erwiesen sei, ob es Mittäter gebe und plädierte auf eine Bewährungsstrafe von unter zwei Jahren. Und er geißelte die Firmen, "die auf die Schnelle das Gold zur Verfügung gestellt haben nach dem Motto ,Hauptsache Umsatz'."