Mehrere Kirchen und Moscheegemeinden gründen gemeinsam das Projekt „Dem Himmel nah“ für das Flugfeld. 

Flugfeld - Mittlerweile leben fast 3000 Menschen auf dem Flugfeld. Doch in dem neuen Wohngebiet gibt es weder eine Kirche noch eine Moschee, keine Gottesdienste oder sonstige religiöse Angebote. Andreas Senn möchte das ändern. Der Pastoralreferent der katholischen Kirche hat vor kurzem eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen. Sie nennt sich „Dem Himmel nah“ und soll konfessions- und religionsübergreifende Veranstaltungen organisieren. Zum Auftakt gab es an Heilig Abend eine Krippenfeier im Freien. Im Interview erzählt Andreas Senn, was darüber hinaus geplant ist.

 
Herr Senn, sind Sie zufrieden mit Ihrer ersten Weihnachtsfeier auf dem Flugfeld?
Von der Besucherzahl her hätten es gerne mehr sein können. Etwa 25 Leute sind gekommen, einige junge Familien, aber auch ein paar Bewohnerinnen des nahe gelegenen Wohn- und Pflegezentrums und einige Laufkundschaft – Leute, die zufällig vorbeikamen. Die Resonanz der Teilnehmer war gut. Einige sagten, diese Krippenfeier im Freien würden sie so schnell nicht vergessen.
Andreas Senn Foto: privat
Warum fand die Feier im Freien statt?
Ich probiere gerne neue Ideen aus. Und die Erzählung von der Geburt des Erlösers im Stall bei Bethlehem legt so ein Experiment ja nahe. So haben wir vor dem Jugendcontainer beim See einen Pavillon aufgebaut und ein Feuer entzündet. Wir haben ja im Moment keine kirchlichen Räume auf dem Flugfeld.
Wollen Sie auf dem Flugfeld eine Kirche bauen?
Nur ein Viertel der Bewohner auf dem Flugfeld gehört überhaupt einer der beiden großen Kirchen an. Die anderen sind Muslime, Mitglied einer Freikirche oder nicht religiös gebunden. Eine Kirche würde keinen Sinn machen – wenn von 400 Katholiken zehn Prozent am Sonntag den Gottesdienst besuchen. Natürlich brauchen wir künftig Räume, in denen religiöse lnhalte stattfinden können – wo sich Christen, aber auch Muslime und Angehörige anderer Religionen entfalten können.
Haben die Kirchen- und Moscheegemeinden überhaupt Interesse an solchen Räumen?
Ich habe Anfang des Jahres verschiedene Gemeinden besucht. Überall wurde ich freundlich empfangen und die verschiednen Gruppen – christliche wie muslimische – haben mir signalisiert, dass sie sich gerne beteiligen möchten. Wir haben nach einem Namen für dieses Projekt gesucht. Mit „Dem Himmel nah“ konnten sich alle identifizieren.
Sie planen also eine Art interreligiöses Zentrum?
Zunächst planen wir gemeinsame Veranstaltungen. Wir haben einen Arbeitskreis gegründet. Dieser hat sich erstmals im Sommer getroffen. 25 Vertreter unterschiedlicher Glaubensrichtungen waren da: Katholiken, Evangelische, Methodisten, Baptisten, Orthodoxe sowie Vertreter verschiedener Sindelfinger Moscheegemeinden.
Was planen Sie?
Es hat sich schnell herauskristallisiert, dass gemeinsame Veranstaltungen verschiedener Gruppen wohl nicht so gut zu realisieren sind. Deshalb haben wir uns geeinigt, dass jede Gruppe eigene Veranstaltungen anbietet, zu denen aber alle eingeladen werden. Wir Katholiken haben den Auftakt gemacht mit der Krippenfeier an Heilig Abend. Im Februar lädt die orthodoxe Kirche zum Fastenessen ein, die Methodisten wollen eine Osternachtsfeier am See organisieren, die Muslime im Ramadan ein Fastenbrechen.
Wird es auch Gruppen geben, die sich regelmäßig treffen?
Ja, auch das ist geplant: ein Lesekreis, in dem Texte aus allen Heiligen Schriften gelesen und besprochen werden. Die Gruppe soll sich etwa einmal im Monat treffen. Für die Schirmherrschaft haben wir beim Böblinger Integrationsrat angefragt, damit keine Gruppe sozusagen die Vorherrschaft hat.
Wo sollen diese Veranstaltungen denn stattfinden?
Zunächst sind wir darauf angewiesen, irgendwo Unterschlupf zu finden. Wir können wie jede andere Gruppe auf dem Flugfeld den Stadtteiltreff nutzen. Langfristig ist es unser Ziel, eigene Räume zu bekommen, „Dem-Himmel- nah-Räume“.

So bekommt man Kontakt:

Person
Andreas Senn ist Pastoralreferent der katholischen Kirche in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Seit den 1980er-Jahren arbeitet er für die katholische Gesamtkirchengemeinde in Böblingen. Seit anderthalb Jahren ist der 63-Jährige für das Flugfeld zuständig, er selbst lebt in einem anderen Böblinger Stadtteil.

Projekt
Nur ein Viertel der Bewohner des Flugfelds gehört der evangelischen oder katholischen Kirche an. Andreas Senn weiß von aktuell etwa 400 Katholiken. Die Zahl der Muslime, die auf dem Flugfeld leben, ist nicht bekannt. Interessenten am Projekt können per E-Mail Kontakt zu Senn aufnehmen unter der Adresse flugfeld@kirchebb.de.