Die Städte haben eine Expertise in Auftrag gegeben, die Vergleichszahlen liefern soll. Doch das Interesse an einer Fusion ist ziemlich erloschen.

Böblingen/Sindelfingen - Um die geplante Städtefusion von Böblingen und Sindelfingen ist es still geworden. Die Anfang des Jahres 2013 bei der Hochschule Kehl in Auftrag gegebene Studie liegt in den Rathäusern bereits seit einigen Monaten vor. „Wir haben sie uns vor ein paar Wochen angeguckt und geprüft“, erklärt Wolfgang

 

Lützner, der Böblinger Oberbürgermeister. Aus der Expertise gehe hervor, was man ohnehin schon gewusst habe: Eine Fusion sei rechtlich möglich. Allerdings fehlen in der Studie sämtliche Vergleichszahlen von Kommunen ähnlicher Größe. Durch sie wollte man nähere Erkenntnisse darüber erhalten, welche Konsequenzen eine Städtehochzeit mit sich bringen würde. „Das wäre ein Haufen Arbeit, der in diesem Umfang nicht vertretbar ist“, sagt der Sindelfinger Hauptamtsleiter Manfred Pöschl. Ein Gespräch darüber habe es zuletzt mit Böblingen keines gegeben, das Verhältnis zwischen den Städten sei zur Zeit ohnehin nicht einfach.

Die Doppelstadt könnte kreisfrei werden

Um das Zahlenmaterial etwa für den Personalaufwand und andere Ausgaben zu erheben, müsse ein Verwaltungsmitarbeiter „zwei Wochen in den Keller geschickt werden“, sagt Manfred Pöschl. Erst dann könne die Forschungsgruppe in Kehl mit den Daten versorgt werden. Aber der Zeitaufwand sei wohl sehr hoch. Deshalb gibt es auch keine Vergleichszahlen von Städten wie Villingen-Schwenningen, die vor mehr als 40 Jahren fusionierten. Als erstes Zwischenergebnis liegt laut Pöschl nun ein rechtliches Gutachten vor, das die Auswirkungen eines Zusammenschlusses darlegt.

Die Doppelstadt mit mehr als 100 000 Einwohnern könnte eine kreisfreie Stadt werden und dadurch etwa auch von der Kreisumlage entbunden werden. Sie müsste aber etwa eine Berufsfeuerwehr ins Leben rufen. „Was das kosten würde, wollen wir aber erst wissen“, betont Lützner. Daten dazu seien ebenfalls noch nicht erhoben worden. „Wenn sich ein Zusammenschluss rechnet“, meint der Böblinger OB grundsätzlich, „dann machen wir es.“ Das nun vorliegende Papier biete jedoch keinerlei konkrete Kalkulationen.

Streit im Schulverband Goldberggymnasium

Dennoch haben die Städte die Hälfte der 20 000 Euro teuren Studie laut Pöschl schon an die Hochschule überwiesen. Der dortige Prorektor und mit der Expertise beauftragte Jürgen Kellermann war zu keiner Stellungnahme bereit. Sindelfingen will Böblingen nun vorschlagen, in Kehl einen Abschlussbericht „über die derzeitigen Ergebnisse“ anfertigen zu lassen. Ferner erwartet Pöschl eine Stellungnahme, wie das Thema weiterbearbeitet werden könnte. Auch von Seiten der Nachbarstadt.

Während der Sindelfinger Oberbürgermeister Bernd Vöhringer eine Anfrage zum Fusionsthema damit beantwortet, dass es nichts Neues zu sagen gebe, kommt sein Kollege Lützner unumwunden auf das jüngste Zerwürfnis zu sprechen. Im Mittelpunkt steht der Schulzweckverband Goldberggymnasium, den die Städte seit dem Jahr 1923 gemeinsam betreiben. Damals wurde exakt auf der Markungsgrenze das erste Gymnasium der beiden Städte errichtet. „Heute gibt es aber noch viel mehr Gymnasien“, sagt Lützner, „wir sehen keine Notwendigkeit mehr zur Kooperation.“ Hintergrund ist ein Streit über die geplante Schulsozialarbeit an dem Gymnasium (wir berichteten). Böblingen will sich an der Finanzierung nicht beteiligen, weil immer weniger Böblinger Schüler die Schule besuchen. Und Sindelfingen möchte seinen Nachbarn nicht so ohne Weiteres aus dem Verband entlassen – dafür wäre im Übrigen ein einstimmiger Verbandsbeschluss nötig.

Zwist um den A-81-Deckel

„Es geht um eine Zahlung von 7000 Euro jährlich“, sagt der SPD-Fraktionsvorsitzende im Sindelfinger Gemeinderat, Andreas Schneider-Dölker. Statt die Sache aber sachlich zu diskutieren, seien die Emotionen hoch geschlagen. „Das ist nicht mehr professionell“, kritisiert er. Und: es werfe kein gutes Licht auf das derzeitige Verhältnis beider Städte. Deshalb spreche in Sindelfingen momentan niemand mehr über das Fusionsthema. Es habe schon bessere Zeiten gegeben, „als die beiden Amtschefs noch miteinander konnten“.

Genauso so sieht es auch Peter Grotz, der CDU-Fraktionschef im Böblinger Gemeinderat: „Das Fusionsthema spielt mittelfristig keine Rolle mehr.“ Das zeigten die Erfahrungen der letzten Monate. Grotz nennt das Beispiel des geplanten Autobahndeckels über der A 81. Die Städte hatten sich über die Übernahme von möglichen Mehrkosten gestritten und zuletzt auch über die Begrünung und Pflege des Deckeldaches. Eine endgültige Entscheidung darüber steht noch aus.

Zehn Millionen Euro Einsparungen jährlich?

Auch die bisherigen Ergebnisse der Fusionsstudie hat noch keiner angemahnt. „Ich hatte mir überlegt, das in meiner Haushaltsrede zu tun“, sagt der Böblinger FDP-Stadtrat Helmut Kurtz, „aber dann wäre ich wohl als Anstifter zum Unfrieden dagestanden.“ Durch eine Fusion könnten jedoch nicht nur ein OB, sondern auch Verwaltungsposten und ein Gemeinderat eingespart werden. Das Interesse daran sei bei den Beteiligten wohl auch deshalb nicht sehr groß. Zudem gehe es beiden Städten durch die hohen Gewerbesteuereinnahmen zuletzt finanziell wieder besser. Die Rathauschefs hatten vor drei Jahren noch erwogen, das Geld in einen Topf zu werfen. Vöhringer hatte sogar einen möglichen Zeitpunkt einer Fusion genannt: das Jahr 2017. Die Amtskollegen gingen damals von jährlich zehn Millionen Euro an Einsparungen aus. Darüber haben sie in jüngster Zeit nicht mehr gesprochen.