Jürgen Frey von der EnBW sollte bei den Stadtwerken für den Energiekonzern das Ruder übernehmen – sagt nun aber kurzfristig ab und nennt dafür „persönliche Gründe“. Damit bleibt einer von zwei Führungsposten vorerst unbesetzt. Gegen die Stadtwerke ermittelt zurzeit die Energiekartellbehörde.

Böblingen - Bei den Stadtwerken Böblingen und im Energiekonzern EnBW rumort es offenbar gewaltig. Zunächst sollte der bisherige EnBW-Geschäftsführer Knut Bacher gegen Jürgen Frey, bis dato Geschäftsführer der Herrenberger Stromnetzgesellschaft, ausgetauscht werden. Seinen neuen Job in Böblingen sollte Frey zum 1. Juni antreten. Doch daraus wurde nichts. Wie die EnBW am Donnerstag bekannt gab, möchte Frey den Posten „aus persönlichen Gründen“ nicht übernehmen. Die Stadtwerke – Anteilseigner sind die Stadt und die EnBW – wurden bisher von zwei Geschäftsführern paritätisch geleitet. Im Amt befindet sich derzeit noch Gerd Hertle, der 2012 vom Böblinger Gemeinderat gewählt wurde.

 

EnBW: Völlig überraschende Absage

„Für uns kam die Absage von Herrn Frey auch völlig überraschend“, erklärte der EnBW-Sprecher Hans-Jörg Groscurth. Der Energiekonzern und die Stadt Böblingen müssten nun beraten, wie es weitergehen soll. Näheres sagt Groscurth nicht. Auch bei den Stadtwerken hüllt man sich in Schweigen. Schon über die Rochade zwischen Bacher und Frey war kaum etwas verlautbart worden. Die 50 Jahre alte Frey war mehr als 20 Jahre bei der EnBW beschäftigt. Im April 2010 wurde die Stromnetzgesellschaft Herrenberg mbH & Co. KG von den beiden Gesellschaftern, der Stadt Herrenberg und der Netze BW GmbH (ehemals EnBW Regional AG) gegründet. Seitdem betrieb sie das nach eigenen Angaben rund 512 Kilometer umfassende Stromnetz in Herrenberg und belieferte 18 000 Netzkunden. Frey hat die Geschäfte dort geleitet – ob er es weiter tut, darüber verlautete nichts.

Ebenso wenig bekannt wurde bisher etwas darüber, weshalb Knut Bacher an der Stadtwerke-Führungsspitze abgelöst wurde oder ob der 48-Jährige auf eigenen Wunsch in das EnBW-Beteiligungsmanagement wechselt. „Völlig unspektakulär“ nannte Groscurth diesen Vorgang, im Konzern gebe es eben ein gewisse Fluktuation. Bacher war von der EnBW 2015 Gerd Hertle als Co-Geschäftsführer zur Seite gestellt worden. Die Pressestelle der Stadt will sich zu den Vorkommnissen bei den Stadtwerken nicht äußern und verweist auf den Miteigentümer EnBW.

Wer übernimmt als Geschäftsführer die Verantwortung?

„Bei den Stadtwerken geht es zurzeit hoch her“, berichtet der Sprecher der IG Fernwärme Böblingen (IGF-BB), Peter Aue. Es sei bereits einiger Flurschaden angerichtet worden, heißt es in den Reihen der IGF-BB, das Image der Stadtwerke sei ziemlich ramponiert. Welcher Geschäftsführer der EnBW wolle in diesen Zeiten die Verantwortung übernehmen? „Letztlich wissen wir aber nichts über die genauen Hintergründe“, sagt Aue. Fakt ist aber, dass die Energiekartellbehörde des Landes nach Beschwerden der IGF-BB gegen die Stadtwerke ein formelles Missbrauchsverfahren eingeleitet hat. Offenbar gibt es schwerwiegende Anhaltspunkte dafür, dass die Stadtwerke gegen gesetzliche Grundlagen verstoßen haben könnten.

Im vergangenen Sommer hatten die rund 8500 Böblinger Haushalte, die von den Stadtwerken mit Fernwärme beliefert werden, eine Preisanhebung von durchschnittlich 21 Prozent schlucken müssen. Sie verfügen quasi über Zwangsanschlüsse, weil keine anderer Energielieferant zur Verfügung steht. Sie könnten etwa mit teurem Strom heizen, müssten ihre Anlagen dazu aber völlig umstellen.

Bürgerinitiative: 20 Prozent Mehrkosten für Verbraucher

Zum 1. Januar dieses Jahres erhoben die Stadtwerke dann zudem einen mehr als doppelt so hohen Grundpreis für die Fernwärme als bisher. Allerdings haben sie im Gegenzug den Verbrauchspreis etwas gesenkt. Die IGF errechnete, dass die Verbraucher damit seit Jahresbeginn mit weiteren 20 Prozent Mehrkosten zurechtkommen müssten. „Damit werden wir weitaus mehr zur Kasse gebeten als in vergleichbaren Städten“, erklärt Aue. Außerdem würden das Mercaden, das Landratsamt und auch die US-Panzerkaserne mit deutlich günstigerer Fernwärme beliefert.

Die Energiekartellbehörde prüfe nun auch, „ob bei den Stadtwerken eine unwirtschaftliche Betriebsführung vorliegt“, sagt Aue. Sie sind freilich in keiner einfachen Lage: Das marode Leitungsnetz muss erneuert werden. Zuletzt barst ein Fernwärmerohr an der Straßburger Straße/Ecke Pontoiser Straße. Und um mehr Einnahmen zu erzielen, soll das Netz erweitert werden. Jedoch ist das Geld bisher knapp. Allerdings seien die von den Stadtwerken genannten Sanierungskosten von 50 Millionen Euro in den nächsten Jahrzehnten zu hoch gegriffen. Diese mit den Preisanhebungen bei der Fernwärme zu begründen, sei nicht okay, sagt die IGF-BB.

Anteile:
Die Stadtwerke befanden sich bis Ende 2012 in städtischer Hand und wurden neu gegründet. Seit Anfang 2013 ist die Stadt mit 59 Prozent beteiligt, der Energiekonzern EnBW hält 41 Prozent.

Betriebsergebnis:
Der Stadtwerke-Geschäftsführer Gerd Hertle präsentierte dem Gemeinderat jüngst für das Jahr 2015 in den Sparten Wärme, Strom, Gas und Wasser einen Gewinn von insgesamt 1,5 Millionen Euro. Analog zum Gesellschafteranteil erhält die Stadt davon rund 300 000 Euro, die EnBW 200 000 Euro.

Leitungsnetz
:  In den nächsten zehn bis 20 Jahren sollen rund 50 Millionen Euro investiert werden, in Böblingen gibt es immer mehr Baustellen. Aktuell werden auch die Leitungen im Bereich der Pontoiser Straße erneuert. Betroffen sind zudem die Bergamastraße, Genker Straße, Straßburger Straße, Kremser Straße und Glenrothes Straße. Zwischen dem 6. Juni (21 Uhr) und 7. Juni (8 Uhr) werden die alten Leitungen außer Betrieb genommen und die neu verlegten Leitungen angeschlossen. Dabei wird die Wasser- und Fernwärmeversorgung vieler Gebäude unterbrochen. Es könne zu Lärmbelästigungen kommen, teilen die Stadtwerke mit, die dafür um Verständnis bitten.

Bürgerservice:
Wer Fragen oder ein Anliegen wegen der Baumaßnahmen hat, kann sich bei den Stadtwerken an Martin Knupfer wenden (unter der Telefonnummer 0 70 31/7 26 32 41 oder per E-Mail unter stoerung@stadtwerke-bb.de).