Böblingen/Stuttgart - Wenn an diesem Dienstag der neugewählte Landtag zum ersten Mal zusammentritt, werden gleich sechs Vertreter aus dem Kreis Böblingen dabei sein. Neben den altgedienten Sabine Kurtz (CDU) und Thekla Walker (Grüne) sind darunter drei Parlamentsneulinge und ein Wiedereinsteiger. Jüngster ist der 27 Jahre alte Peter Seimer, der als Grüner für den langjährigen Abgeordneten Bernd Murschel nun den Wahlkreis Leonberg-Herrenberg vertritt. Kaum erwarten kann Seimer den Startschuss für seinen neuen Job. „Ich bin Feuer und Flamme und freue mich sehr, dass ich nun loslegen und Politik machen kann.“ Trotz seiner Jugend bringt Seimer schon eine Menge Berufserfahrung mit. Der Steuer- und Finanzfachmann war zuletzt als Steuerfahnder tätig und hat dabei eng mit dem Landeskriminalamt zusammengearbeitet. Einen seiner Schwerpunkt für seine Arbeit im Landtag sieht er daher in der Stärkung der Polizei.
Ähnlich jung wie Seimer heute war Florian Wahl, als er 2011 erstmals für die SPD in den Landtag einzog. Fünf Jahre lang war er unermüdlich im Kreis Böblingen unterwegs. Trotzdem verpasste er 2016 knapp den Wiedereinzug – das lag wohl weniger an seinem Einsatz als am starken Einbruch seiner Partei. In den fünf Jahren Pause von der Landespolitik sammelte Wahl Berufserfahrung als Kommunikationschef bei der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg. Nun ist der mittlerweile 36-Jährige zurück im Landtag. Wesentlich gelassener als vor zehn Jahren trete er sein Amt an, sagt Wahl. „Ich weiß nicht nur um die Möglichkeiten, sondern auch die Grenzen meines Amts.“
Wahl will ein Büro für die Bürger in Böblingen
Perfekt organisiert hat Wahl bereits seinen Stab: vier Mitarbeiter, teils in Voll-, teils in Teilzeit, hat er angestellt. 11 600 Euro pro Monat beträgt das Personalbudget eines jeden Abgeordneten. Arbeiten werden die Mitarbeiter anfangs im Homeoffice – pandemiebedingt und weil im Landtag die Büros noch umgebaut werden. Langfristig setzt Wahl jedoch auf eine Anlaufstelle in Böblingen. Wie bei seiner ersten Amtszeit ist ihm die Bürgernähe wichtig. Spätestens im Herbst soll es ein Wahlkreisbüro in Böblingen geben, das Wahl dann gemeinsam mit Jasmina Hostert betreiben möchte. Die Böblingerin hat am Wochenende einen aussichtsreichen Platz auf der Landesliste für die Bundestagswahl erhalten.
Peter Seimer hingegen hält ein Büro in seinem Wahlkreis Leonberg-Herrenberg für wenig sinnvoll. „Wenn ich ein Büro in Leonberg eröffne, kommt kein Herrenberger dorthin und umgekehrt genauso. “ Er plant stattdessen, jeden Monat durch die Gemeinden seines Wahlkreises zu tingeln und dort in Gaststätten feste Sprechstunden für die Bürger einzurichten. „Ich bin dann tatsächlich vor Ort und erreiche auch die Leute in den kleineren Gemeinden“, sagt Seimer, der selbst in Aidlingen lebt. Bereits in den vergangenen Wochen hätten ihn verstärkt Bürgeranfragen per Telefon oder Mail erreicht, berichtet der Grüne.
Als Neulinge waren Seimer und Miller bei den Koalitionsverhandlungen dabei
Reinschnuppern in die große Politik durfte Seimer bereits in den vergangenen Wochen bei den Vorbereitungen für die Koalitionsverhandlungen. genau wie sein CDU-Kollege Matthias Miller. Auch der 30-Jährige ist ein Neuling im Landtag. Miller verhandelte in der Gruppe Gesellschaftliche Integration die Grundzüge des Koalitionsvertrags. Die Schaffung eines Frauenhauses nennt Miller – genau wie Seimer – als eines der ersten Ziele für den Kreis Böblingen, das er anpacken möchte. Und bedauert, dass die Umsetzung noch an einem Finanzierungsvorbehalt hängt.
Eher zurückhaltend ist der 30-Jährige bei seinen Vorstellungen über seine zukünftige Arbeit. „Ich muss abwarten, was auf mich zukommt.“ Über die Einrichtung eines Wahlkreisbüros denkt er noch nach, drei Mitarbeiter hat er aber bereits eingestellt. Der Steinenbronner strebt sowohl einen Sitz im Innen- als auch im Wirtschaftsausschuss an. Ob seine Wünsche in Erfüllung gehen, erfährt er am 18. Mai. Dann werden in der Fraktion die Posten vergeben. Peter Seimer möchte als Steuerexperte unbedingt in den Finanzausschuss, und beim beim Thema Sicherheit mitarbeiten. Florian Wahl, der bereits in seiner ersten Amtszeit gesundheitspolitischer Sprecher seiner Fraktion war, hofft auf einen Sitz im Sozialausschuss.
Hans Dieter Scheerer will unabhängig bleiben
Mit 63 Jahren ist Hans Dieter Scheerer der älteste unter den Neulingen. Das sieht der Rechtsanwalt aus Weil der Stadt durchaus als Vorteil. „In meinem Alter ist man unabhängiger und souveräner. Ich verfüge über soviel Lebens- und Berufserfahrung, dass ich mich auch in der Politik nicht so schnell aus der Ruhe bringen lasse.“ Seine Anwaltskanzlei möchte der FDP-Abgeordnete neben dem Engagement im Landtag weiterführen. „Die Woche hat sieben Tage und der Tag 24 Stunden“, sagt er dazu. Auch sein Mandat als Stadtrat in Weil der Stadt will er weiter ausüben. „Es ist gut, wenn man als Landespolitiker dicht an der Basis dran ist und die Probleme kennt“; sagt er. Auch Matthias Miller und Florian Wahl sitzen übrigens in ihren Heimatorten im Gemeinderat.
Der Ausbau der Infrastruktur, vor allem des Glasfasernetzes, ist Scheerer ein wichtiges Anliegen für den Kreis Böblingen. Eine Zusammenarbeit mit seinen Kollegen aus dem Kreis Böblingen kann sich der FPD-Mann gut vorstellen. „Frau Kurtz und Herrn Wahl kenne ich bereits ganz gut.“
Matthais Miller hofft vor allem auf eine fraktionsübergreifende Koalition der Jungen im Gremium. Einig sind sich die Abgeordneten, dass eine so starke Vertretung im Landtag für den Kreis Böblingen nur vorteilhaft sein kann. Anders als in den vergangenen fünf Jahren sind mit Wahl und Scheerer auch Oppositionspolitiker aus dem Kreis dabei. „Das macht es für die Abgeordneten der Regierungsparteien etwas ungemütlicher. Denn wir schauen genau hin“, verspricht Florian Wahl.