Der Abfallwirtschaftsbetrieb sucht Mitstreiter, um dem Einwegbecher mit einem Pfandsystem den Garaus zu machen. Ein Bürgerprojekt in Herrenberg war mit der Idee gescheitert. Die Umsetzung ist kompliziert.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Der Abfallwirtschaftsbetrieb (AWB) hat genau nachgezählt: 13 Millionen Kaffeebecher landen jährlich im Landkreis Böblingen auf dem Müll. Diese Flut soll jetzt eingedämmt werden – und dafür sucht der AWB Mitstreiter. Mit einem „einfach zu handhabenden und firmenübergreifenden Pfandbechersystem will der Landkreis Böblingen eine Verhaltensänderung bewirken“, lautet das Ziel. Die Umsetzung steht und fällt allerdings mit der Anzahl der teilnehmenden Cafés, Bäckereien und anderen Verkaufsstellen „Wir unterstützen es“, sagt Eberhard Binder, der Obmann der Bäcker im Kreis Böblingen. „Aber bei uns gibt der Kunde die Schlagzahl vor“, schränkt er ein.

 

Die Köpfe rauchten wegen des komplizierten Projekts

In Herrenberg hatten engagierte Bürger ein Jahr lang versucht, das Herrenberger Becherle in der Stadt zu etablieren. Ende 2017 gaben sie auf. „Je länger die Gruppe sich damit befasst hat, desto komplexer wurde es“, berichtet Ina Mohr, die Leiterin der städtischen Koordinierungsstelle Bürgerengagement. Wo können die Becher zurückgegeben und gespült werden, lautete eine der Fragen. Wie kann das Pfand unter den Teilnehmern ausgeglichen werden, eine weitere. „Die Köpfe haben geraucht“, erzählt Ina Mohr. Das Fazit lautete, dass sich ein Mehrwegbecher nicht über ein Bürgerprojekt einführen lässt. Auch in Stuttgart wird seit zwei Jahren an einer Lösung für weniger Müll beim Kaffeetrinken getüftelt. In Freiburg hat der Abfallentsorger bereits erfolgreich eine Pfandtasse eingeführt. Den Esslinger Stadtbecher gibt es seit April.

Für den Kreis Böblingen soll die Lösung Recup heißen. Die Kunststofftassen der Firma sind bereits in mehreren Städten im Umlauf, in der Region Stuttgart etwa in Göppingen, in Geislingen an der Steige und im Kreis Ludwigsburg. Je größer die Verbreitung, desto praktischer ist es für den Kunden, weil der Becher dann bei vielen Verkaufsstellen zurückgegeben werden kann. Das Pfand dafür kostet einen Euro. Recup finanziert sich über eine Systemnutzungsgebühr der Verkaufsstellen von ebenfalls einem Euro am Tag je Standort. Der Becher wird in den Partnercafés gespült und kann bis zu 500 Mal wiederverwendet werden.

Ein Zeichen gegen die Wegwerfmentalität

„Wir wollen ein Zeichen gegen die immer weiter fortschreitende Wegwerfmentalität setzen und einen Beitrag zur Abfallvermeidung leisten“, erläutert der Landrat Roland Bernhard die Initiative in Böblingen. Der AWB will mit einem eigenen Landkreisbecher das Angebot von Recup noch verdichten. Als Anschubfinanzierung übernimmt das Landratsamt die Kosten für das Layout und den Aufdruck sowie die Produktion von 15 000 lokalen Bechern. Für das Projekt ist ein langer Atem gefragt, im Breisgau wird noch eineinhalb Jahre nach Einführung der Freiburg-Cup am System geschraubt: Der Becherschwund durch Souvenirjäger ist immens, die Plastiktasse hat wegen ihres geringen Umlaufs kaum eine bessere Ökobilanz als der Pappbecher. Esslingen verlangt sicherheitshalber zwei statt nur einem Euro Pfand für den Stadtbecher, der in 50 Läden zu haben ist.

„Die Handhabung von der Sache ist durchdacht“, findet Eberhard Binder. Er will mit seinen sechs Filialen der Holzgerlinger Krone Bäckerei Binder mitmachen. Nach einem Gespräch im Landratsamt hat ein weiterer Bäcker seine Teilnahme zugesagt. Damit die Landkreis-Edition zustande kommt, werden 30 Mehrwegbecher-Standorte benötigt. Einige Kollegen würden aber bereits eigene Pfandbecher ausgeben, gibt Eberhard Binder zu bedenken. „Es gibt Kundschaft, die dieses Bemühen wohlwollend begleitet“, sagt der Obermeister außerdem. Andere quittierten solche erzieherischen Maßnahmen jedoch „mit einem Nasenstüber“.

Information:
Bei einem Gespräch im Landratsamt haben unter anderen sechs Bäckereien, städtische Klimaschutzmanagerinnen und das Gewerbe-Forum Böblingen teilgenommen. Bis Ende August sollen die Betriebe entscheiden, ob sie bei Recup mitmachen wollen.

Interesse:
An einem Pfandsystem für Kaffeebecher ist der Klinikverband Südwest, der an seinen sechs Standorten 380 000 Patienten samt ihrer Besucher sowie 4800 Mitarbeiter auch mit Kaffee versorgt, sehr interessiert. Vor zwei Jahren hatte das Unternehmen untersuchen lassen, ob sich die Einführung eines eigenen Pfandbechers ökologisch und ökonomisch umsetzen lässt. Doch die Rückgabe erschien zu kompliziert, wenn Patienten einmal entlassen sind. „Insofern begrüßen wir eine breite, flächendeckende Herangehensweise“, sagt der Sprecher Ingo Matheus.