Die Stadt gibt eine laienhafte Ausstellung über Wehrmachtssoldaten an ein Museum ab. Im Gemeinderat herrscht darüber Erleichterung, Protest kommt nur vom rechten Rand.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Christian Baudisch hat eigentlich mit einem Shitstorm gerechnet. Im Böblinger Fleischermuseum steht eine Schaufensterpuppe, die eine Wehrmachtsuniform trägt. Dass sich daneben noch kein Besucher hat ablichten lassen und das politisch unkorrekte Foto ins Internet gestellt hat, empfindet der Museumsleiter als glücklichen Zufall. Es hätte seiner Ansicht nach sicher für Aufruhr gesorgt. „Das kann man heute nicht mehr so machen“, sagt er über die Ausstellung, die von ehemaligen Soldaten zusammengestellt wurde – und die schon seit geraumer Zeit Unbehagen in der Stadt hervorruft. Die Bestandteile der Schau werden nun dem Wehrgeschichtlichen Museum in Rastatt geschenkt.

 

Von ANfang an Bauchweh mit der Präsentation

Zwei Zimmer im Fleischermuseum sind dem 8. Panzerregiment gewidmet, das nur ein Jahr lang in Böblingen stationiert war. Am 9. April 1938 bereiteten die Böblinger den Soldaten einen überschwänglichen Empfang, Aber schon ein Jahr später wurden sie in den Osten verlegt und von 1943 an im Afrikakorps eingesetzt. Von ursprünglich 2800 Mann sollen nur wenige Krieg und Gefangenschaft überlebt haben. In den 1990er Jahren sammelten ehemalige Kameraden Uniformen, Fahnen, Orden, Kartenmaterialien, Briefe, Zeitungsartikel und Fotos. Gezeigt wurden die Erinnerungsstücke 1998 im Rathaus, die Veteranen schenkten sie der Stadt Böblingen. Lange lagerten sie auf dem Dachboden, bis vor 16 Jahren Platz im Fleischermuseum gefunden wurde. Öffentlich zugänglich waren sie nur auf Nachfrage, die es so gut wie nie gab, und bis 2017 zur Langen Nacht der Museen.

„Ich hatte von Anfang an Bauchweh mit der Präsentation“, sagt Christian Baudisch, der das Fleischermuseum seit nicht ganz zweieinhalb Jahren leitet. Deshalb schloss er die Räume zur jüngsten Museumsnacht schon nicht mehr auf. Die Präsentation sei laienhaft und historisch unscharf, erklärt der Kunsthistoriker. Als Beispiel führt er das Foto von einem Hakenkreuz an, das von einem Soldaten aus Muscheln gelegt wurde: „Spielereien am Strand“, lautet die Bildunterschrift. Seiner Meinung nach besteht „die Gefahr einer militaristischen, kriegsverherrlichenden oder zumindest beschönigenden Deutung“ der Regimentsgeschichte. Abgesehen davon leiden die Objekte mangels konservatorischer Pflege.

Das Interesse ist ein Glücksfall

Dass sich das Wehrgeschichtliche Museum überhaupt für die Exponate interessiert, ist für Christian Baudisch ein Glücksfall. „Rastatt nimmt nicht alles, aber den Böblinger Bestand finden sie spannend“, sagt er über die Kollegen. Sie werden die Präsentation selbst abbauen, vorher dokumentieren und mit den Ausstellungsmachern Interviews führen, um deren ehrenamtliche Leistung zu würdigen. Die Stücke werden katalogisiert, ihre Herkunft aus Böblingen explizit vermerkt. Sie gehen in das Eigentum des Wehrgeschichtlichen Museums über, können allerdings jederzeit für Ausstellungen angefordert werden.

Der Gemeinderat hat den Plan fast einstimmig befürwortet. Die Sammlung müsse in „einen ordentlichen historischen Zusammenhang“ gebracht werden, sagte Ingrid Stauss (Freie Wähler). Nur Willi-Reinhart Braumann (Bürger für Böblingen) forderte von der Verwaltung ein Konzept zur Restaurierung und Veröffentlichung der Exponate und ihren Verbleib in Böblingen. Dabei handle es sich um Wehrmachtsgeschichte und nicht um Stadtgeschichte, konterte Christian Baudisch. „Es tut weder dem Fleischerhandwerk noch dem Soldatenhandwerk gut, in ein und dem selben Haus dargestellt zu werden“, ergänzte der Museumsleiter.