Jan Böhmermann kann auch anders: Der Spötter der Nation sammelt – ganz ernsthaft – Spenden zur juristischen Verteidigung der Lifeline-Crew auf Malta. Das erzürnt die AfD, die genau deswegen Werbung für die Crowdfunding-Aktion des Satirikers macht.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Im aktuellen Politikbetrieb fällt es mittlerweile oft schwer, zwischen Realität und Satire zu unterscheiden. Das beginnt bei der Sprache: Die von der CSU geprägten Begriffe „fiktionale Nicht-Einreise“, „Masterplan Asyl“, „Asyltourismus“ oder „Anti-Abschiebe-Industrie“ tragen alle absurde Züge. Illusionstheater, das der TV-Satiriker Jan Böhmermann mit einem kleinen Dreh enttarnt: Zu „Transitzentren“ oder „Expresszentren“ könne man doch auch gleich „Freiheitsgefängnisse“ oder „Gute-Laune-Lager“ sagen.

 

„Galionsfigur einer Schleuserorganisation“

In dieser eher unlustigen Lage belässt es Böhmermann nicht bei Spott: Über das Crowdfunding-Portal leetchi.com sammelt er Geld für die 17-köpfige Crew der Lifeline – einem Schiff, das derzeit auf Malta festgehalten wird. Der Kapitän musste schon vor Gericht aussagen und wurde gegen eine Kaution vorläufig auf freien Fuß gesetzt. Böhmermann verurteilt, dass der Besatzung rechtliche Konsequenzen angedroht wurden, weil sie 230 Menschen das Leben gerettet hatte und bittet seit Freitag um Spenden: „Lasst uns gemeinsam für die beste Verteidigung zusammenschmeißen, die man sich für Geld kaufen kann.“

Der Appell wirkt: Bisher sind von etwa 7800 Spendern mehr als 167 000 Euro eingegangen – davon lassen sich gute Anwälte bezahlen. Die AfD tadelt, dass sich der „ZDF-Moderator“ zur „Galionsfigur der Schleuserorganisation Lifeline macht“. Diese habe Migranten eingesammelt, die eine „gut organisierte Reise über das Mittelmeer angetreten haben“. Übersehen wird, dass die Aktion so noch bekannter wird.

Seebrücke für die Mittelmeer-Flüchtlinge

Verbunden ist diese wiederum mit einem satirischen Vorstoß namens Seebrücke des Bundes. Auf einer vermeintlich vom Bundesinnenministerium ins Leben gerufenen Internetseite steht: „Eine europäische Einigung wurde erzielt.“ Mit der Initiative Seebrücke werde Deutschland seiner historisch gewachsenen Verantwortung gerecht – und „nimmt bis Ende 2019 freiwillig alle Menschen auf, die im Mittelmeer aus Seenot gerettet werden“. Aufgerufen wird zu Demonstrationen am 7. Juli in diversen deutschen Städten. Böhmermann, der schon den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zur Weißglut brachte, wechselt also nicht ganz ins seriöse Fach. Vielmehr bleibt er doppeldeutig – wie auch mancher Politiker.