Viele Menschen wollen weg von der Fast Fashion, bei der Kinderarbeit oft eine Rolle spielt. Die Hohenheimer Institute haben jetzt ein Prüfverfahren für Textilien entwickelt.

Wenig Chemie in der Kleidung – das wünschen sich inzwischen nicht wenige Kunden. Längst ist Nachhaltigkeit zum Trend geworden. Aber was ist daran echt? „Die Mode-Industrie nutzt es zu Werbezwecken, aber oft wird das Versprechen nicht gehalten“, sagt Brunhilde Schreijäg, die in der Ludwigsburger City in ihrem Laden Beyavista seit neun Jahren Öko-Mode verkauft. Die Kunden orientierten sich angesichts der Unsicherheit zunehmend an Qualitätssiegeln. „Neue Siegel wären sehr zu begrüßen – es müsste sich noch mehr tun.“

 

Der Textilmarkt der EU soll sich ändern

Mehr Aufklärung über die Chemie in der Kleidung könne zu einem Umdenken führen, denkt die Modefachfrau Schreijäg. „Manche Verbraucher haben keine Ahnung, auf was sie sich einlassen.“ Eine Welle der Empörung ergoss sich vor etwa zehn Jahren, als die katastrophalen Zustände der Kleiderproduktion in Indien und Bangladesch nach Unglücken in Fabriken in den Fokus rückten. So gerieten auch deutsche Modehäuser in die Kritik, weil sie unter anderem Produkte aus Kinderarbeit verkauften.

Druck macht das vom Grünen Robert Habeck geführte Bundeswirtschaftsministerium. Hersteller und Verbraucher sollen die Umwelt schonen. Das setzt voraus, den Konsum der Fast Fashion zu reduzieren und sich für nachhaltige Produkte zu entscheiden. Ein Aktionsplan der EU-Kommission will im Rahmen des Green Deals den Textilmarkt der Europäischen Union verändern – hin zu mehr recycelbaren Fasern. Eine wichtige Rolle könnten dabei über kurz oder lang Qualitätssiegel spielen, die verpflichtend werden könnten.

Vergiftungsrisiko für Mensch und Umwelt

Den Wandel unterstützen die Hohensteiner Institute in Bönnigheim im Kreis Ludwigsburg. Das Unternehmen, das mit einigen bekannten Herstellern wie etwa Trigema zusammenarbeitet, hat ein neues Prüfverfahren entwickelt. Es trägt den Namen DIN Spec 4872. „Die Forschung im Bereich der Analyse des Mikrofaseraustrages beim Waschen hat in den letzten Jahren stark zugenommen“, berichtet Annika Wössner von den Hohensteiner Instituten. Neu sei die dynamische Bildanalyse – mit dem Verfahren untersuchten die Forscher nicht nur, wie viele Fasern freigesetzt werden, sondern auch welche Folgen das für die Umwelt hat. Unter die Lupe nehme man insbesondere, wie die Fasern biologisch abbaubar und wie giftig sie für das Ökosystem seien.

Ein wichtiges Thema der Textilforschung ist der Austrag von Mikroplastik. Die Kunststoffpartikel sind kleiner als fünf Millimeter und gelangen unter anderem beim Waschen von polyesterhaltiger Kleidung ins Abwasser. „Es werden aber auch Mikrofasern aus natürlichen Rohstoffen, wie etwa Baumwolle, frei“, sagt Annika Wössner. Diese Fasern nehme das Institut ebenfalls unter die Lupe. Die Naturfasern könnten nämlich laut Wössner chemisch gefärbt oder anderweitig so beschaffen sein, dass sie biologisch nur schwer abbaubar seien. Damit steige für Mensch und Umwelt das ökologische Vergiftungsrisiko.

Ein fester Kunde und Partner der Hohenheimer Institute ist schon seit vielen Jahren der Burladinger Textilproduzent Trigema. „Der Trend geht klar zur Nachhaltigkeit“, sagt Simone Nuccio, Produktionsleiter des Arbeitgebers mit rund 1200 Beschäftigten und einem Umsatz von jährlich rund 127  Millionen Euro. Trigema setze auf Qualität im Garn, bei der Vorbehandlung von Stoffen und dem Färben. Produkte aus Bio-Baumwolle seien zunehmend gefragt, da es mehr Menschen mit Allergien gebe und das Umweltbewusstsein steige. Natürlich liege der Preis für Bio-Baumwolle höher, da der Anbau teurer sei. Einen Schritt weiter geht Trigema mit der Cradle-to-Cradle-Kollektion: Sie besteht aus kompostierbarer Kleidung. Trigema will damit die Kreislaufwirtschaft unterstützten – ein Kernthema der Cradle-to-Cradle-Bewegung, die sich auf das Notwendigste an Ressourcenverbrauch beschränken will. Das neue Prüfverfahren DIN Spec 4872 zum Mikrofaseraustrag begrüßt der Trigema-Produktionsleiter Simone Nuccio: „Wir gehen davon aus, dass die Kunden künftig verstärkt darauf achten werden.“

Bislang nur eine Nische im Gesamtgeschäft

Ob sich der Trend zu nachhaltigen Textilien bei der Masse der Kunden durchsetzen wird, erscheint in der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Lage allerdings fraglich. Nur eine Nische im Gesamtgeschäft stellt die Öko-Kleidung in einem Modehaus im Kreis Ludwigsburg dar. „Wir beobachten, dass die Kunden seit Beginn des Krieges in der Ukraine und der Energiekrise sehr kostenbewusst einkaufen“, sagt der Verkaufsleiter. Die Nachfrage nach Textilien, die ökologisch nachhaltiger seien, habe deshalb tendenziell abgenommen.

Aus Sicht des Umweltbundesamtes lohnt es sich, beim Kauf von Kleidung genauer hinzuschauen. Das Amt empfiehlt Textilien aus Naturfasern wie etwa Wolle oder Baumwolle. So könne Mikroplastik vermieden werden. Die meisten Partikel fallen laut Umweltbundesamt in den ersten Wäschen an. Die Fasern gelangten ins Abwasser und von dort in die Kläranlagen. Die dort aufgefangene Menge beziffert das Amt auf 95 Prozent. Es gebe auch den Abrieb von Kleidungsteilen in der Luft. Fasern und Partikel würden auch bei Wäschetrocknern erzeugt. „Doch auch hier geht man davon aus, dass diese Partikel nicht klein genug sind, um tief in die Lunge inhalierbar zu sein.“ Lüften sei aber immer gut.

Was passiert mit Mikroplastik in der Kleidung?

Mikroplastik
 Nach bisherigen Erkenntnissen entfällt der größte Anteil von Mikroplastik, das in die Umwelt gelangt, auf den Reifenabrieb, teilt das Umweltministerium des Landes mit. „Textilfasern und anderes über häusliches Abwasser eingetragenes Mikroplastik halten Kläranlagen weitgehend im Klärschlamm zurück.“

Fasern
 Bei Textilien aus synthetischen Fasern können beim Tragen, Waschen und Trocknen Mikroplastikpartikel in die Umwelt eingetragen werden. „Die jährlichen Mikroplastikemissionen durch Waschen und Trocknen lassen sich für Deutschland auf rund 2270 Tonnen oder circa 27 Gramm pro Kopf und Jahr abschätzen.“

Filter Um den Eintrag von Mikroplastik zu reduzieren, haben erste Hersteller Filter für Waschmaschinen entwickelt. Sie sollen die Partikel aus dem Wasser herausfiltern. In Frankreich ist der Einbau eines solchen Filters ab 2025 verpflichtend vorgeschrieben. Frankreich setzt sich für eine Ausweitung in der EU ein.