Die italienische Sportwagenschmiede Ferrari geht in New York an die Börse. Der Fiat-Chrysler Konzern FCA betreibt ein verschachteltes Finanzspiel mit vielen Facetten. Einer der Gewinner steht schon jetzt fest: Die Fiat-Eignerfamilie Agnelli.

Rom - Ferrari rollt an die Börse. Das wird bestimmt der Renner – schon allein deshalb, weil sich der Chef persönlich das offizielle Kürzel für den Auftritt an der Wall Street ausgedacht hat: Race lautet es; diesen Mittwoch soll es zum ersten Mal über die Bildschirme der New York Stock Exchange flimmern. Dabei gilt „Race“ nur als zweite Wahl, denn „Red“ für – natürlich – das berühmte Ferrari-Rot war schon vergeben. Egal.

 

Alle Analysen und Vorausmeldungen sprachen im Vorfeld des Börsengangs von einer mehrfachen Überzeichnung der Aktie. Am späten Dienstagabend gab der Sportwagenhersteller dann bekannt, dass der Ausgabepreis bei 52 Dollar (46 Euro) liegen wird. Dem italienischen Mutterkonzern FCA, Fiat Chrysler Automobiles, ist das mehr als recht: Die knapp eine Milliarde Dollar, die sich FCA vom Börsengang verspricht, werden dringend benötigt zur Reduzierung der Schulden, zum Finanzieren von Investitionen und nächstes Jahr womöglich als Mitgift für eine große Konzern-Hochzeit, sollte der umworbene, aber bisher abweisende amerikanische Traumpartner General Motors mitspielen.

Race und dessen Gesamtarchitektur verdanken sich dem 63-jährigen Italo-Kanadier Sergio Marchionne. Er führt Fiat seit elf Jahren und hat den Konzern saniert – zuerst mehr mit kühnen Finanzoperationen als mit dem Bau und dem Verkauf von Autos. 2011 stiegen die Italiener als Retter beim akut pleitegefährdeten amerikanischen Chrysler-Konzern ein, verschmolzen vor einem Jahr alles zu FCA und wachsen seither in Europa stärker als der Markt: Haben die Autoverkäufe insgesamt im September um 9,8 Prozent gegenüber 2014 zugelegt, so die FCA-Marken um 15,6 Prozent. Es boomen vor allem die Modelle Panda, Cinquecento sowie der neue Geländewagen Renegade, für den im süditalienischen Werk Melfi eigens 1500 Arbeiter unbefristet neu angestellt worden sind. Für Italien ist das geradezu ein Wirtschaftswunder.

Ferrari verknappt das Angebot fast schon aggressiv

Zur nächsten Etappe nun zündet Marchionne seinen Ferrari-Turbo. Der Renn-Mythos aus Maranello ist hoch profitabel. Nach den neuesten, noch vorläufigen Zahlen, die FCA soeben an die US-Börsenaufsicht geliefert hat, lag der Gewinn im dritten Quartal dieses Jahres zwischen 93 und 96 Millionen Euro und damit um 60 bis 66 (!) Prozent über dem Vorjahreswert. Den Ruf des italienischen Nobelfahrzeugs vermehrt der Konzern nicht zuletzt durch fortgesetzte, geradezu aggressive Verknappung des Angebots: Mehr als 8000 Fahrzeuge pro Jahr wollte Marchionne nie ausliefern – dieses Jahr waren es 7700 –, er verspricht jetzt aber im Börsenprospekt, die Produktion in den nächsten vier Jahren auf 9000 zu steigern: Schließlich will man die seit Jahren auf Wartelisten stehenden Kunden, vor allem die osteuropäischen und die asiatischen, nicht vergraulen. Nur eines will Marchionne auf gar keinen Fall anbieten: einen Ferrari-SUV.

Der Börsengang von Race ist – typisch Marchionne – ein auf mehreren Ebenen kunstvoll verschachteltes Geschehen. Jedenfalls wenn man von Piero absieht, dem Sohn des Firmengründers Enzo Ferrari: Er behält seine zehn Prozent. FCA, derzeit im Besitz von 90 Prozent der Anteile, gibt zehn Prozent über die Börse ab. Übrig bleiben achtzig Prozent – aber nur für wenige Monate. Anfang nächsten Jahres nämlich soll Ferrari formell von Fiat abgespalten werden. Dann verschenkt FCA seine Ferrari-Anteile an die eigenen Aktionäre, eine Race-Aktie auf zehn Fiat-Chrysler. Davon profitiert natürlich auch der Kleinanleger. Den besten Schnitt aber machen die Agnellis, die mit 29,2 Prozent immer noch größten Aktionäre im Familienbetrieb. Bereits jetzt, im Verlauf der letzten Jahres, als der Ferrari-Börsengang schon angekündigt war, haben die FCA-Aktien ihren Wert verdoppelt (plus 103 Prozent, Stand Dienstag dieser Woche). Wenn jetzt noch die ebenso boomträchtige wie prestigereiche Marke Ferrari dazukommt und jeder, der Ferrari kaufen will, dies ausschließlich über den Erwerb von FCA-Aktien tun kann . . .

Die Agnellis sichern sich die Stimmenmehrheit

Trickreich haben Marchionne und die Agnellis zudem dafür gesorgt, dass das Sagen bei Ferrari auch weiterhin die Familie haben wird. Nominell werden die Agnellis nur 24 Prozent der Anteile behalten; da sie ihren New Yorker Börsengang aber über eine Holding niederländischen Rechts bewerkstelligen, konnten sie sich Stimmrechte sichern, die einem Anteil von 33,4 Prozent entsprechen. Und die nominell zehn Prozent des Ferrari-Erben Piero werden auf diese hübsche Weise 15,3 Prozent wert. Das macht in der Summe zwar nur 48,7 Prozent, die rechnerische Mehrheit aber tritt nicht als Block auf, sondern liegt im Streubesitz.

Im Internet-Wirtschaftsdienst lavoce.info vermutet der Mailänder Ökonom Salvatore Bragantini, dass die Agnellis langfristig nur Ferrari, das Goldstück in ihrem Portfolio, behalten, sich aber stufenweise aus dem automobilen Massengeschäft bei FCA zurückziehen wollen, „das allzu schwer auf ihren Schultern lastet.“ Die Trennung von Ferrari und FCA Anfang 2016 legt dafür die Grundlage. Sollte Fiat-Chrysler demnächst eine Ehe mit General Motors oder wem auch immer eingehen und der Anteil der Agnellis dabei auf einen einstelligen Wert schrumpfen, so hat die Familie offenbar auch nichts mehr dagegen: „Wir sind bereit, ein kleinerer Aktionär in einer größeren Gruppe zu werden, sofern das einen Sinn für FCA hat.“ So zitiert die Mailänder Zeitung Corriere della Sera den Agnelli-Erben und Konzernpräsidenten John Elkann.

Nur von einem hat man nichts mehr gehört: dass die Agnellis, die „ihren“ Ferrari nun eher als Luxusobjekt denn als Autofirma an die Börse bringen, künftig und synergieträchtig auch ins Geschäft mit anderem italienischem Superluxus einsteigen wollen: in die Mode zum Beispiel. Sogar der 81-jährige Giorgio Armani, heißt es, brauche irgendwann einen Nachfolger. Aber das sagt man vielleicht schon allzu lange.