Im Rathausfoyer von Börtlingen gehen Brezeln und süße Stückle über die Theke und der Ratssaal wird zur Kaffeetafel: So sieht Wirtschaftsförderung auf dem Dorf aus.

Region: Corinna Meinke (com)

Börtlingen - Oben duftet es im Börtlinger Rathaus nach frischem Brot, und in der kleinen Werkstatt im Untergeschoss hängt der typische Gummigeruch von neuen Fahrradschläuchen. Schon seit acht Jahren werden in dem Fahrradstall Mountainbikes und Rennräder repariert, während die Bäckerei Kauderer erst seit vier Wochen unter dem Dach der Verwaltung Asyl gefunden hat.

 

Süße Stückle, Nudeln und H-Milch

„Der Bäcker muss im Dorf bleiben“, sagt Franz Wenka und bringt damit seine Sicht zur Nahversorgung auf den Punkt. Als der Bürgermeister der 1700 Seelen zählenden Schurwaldgemeinde erfuhr, dass der örtliche Bäcker den Pachtvertrag für seinen Verkaufspavillon nicht verlängern konnte und der avisierte Laden noch im Bau war und erst im Winter fertig sein wird, setzte er alle Hebel in Bewegung. Es fand sich aber kein leer stehender Laden in der Hauptstraße, zumal es im Börtlinger Zentrum neben einer Landmetzgerei, einem Friseur und einem Gasthaus keine weiteren Einrichtungen zur Nahversorgung gibt. Also bot er kurzerhand das Foyer des Rathauses als Verkaufsfläche an.

Seither gehen süße Stückchen und Brezeln, Kuchen und Brötchen im Eingangsbereich der Verwaltung über die Theke. Und wenn im Rathaus das Kaffeepulver ausgeht, kann der Nachschub per Zuruf geordert werden. Sogar Nudeln, Mehl, Zucker und H-Milch stehen neben dem Treppenaufgang für Kunden bereit. Und die sind ganz begeistert von dem Börtlinger Provisorium.

Lob für die Verwaltung und Zeit für einen Schwatz

„Das war eine sehr gute Idee“, sagt eine Frau, die drei Häuser weiter in besagter Metzgerei als Verkäuferin hinter der Theke steht. Es könne nicht sein, findet sie, dass die Leute für jedes Brötchen in den Nachbarort fahren müssen. „Hier gibt es auch viele alte Menschen, die sind nicht mehr mobil, und drei Euro für den Bus sind für viele Rentner sowieso zu teuer“, vermutete sie. „Ich finde es richtig gut, wie das hier von der Verwaltung organisiert wird“, lobt ein Börtlinger, der in der Bank nebenan seine Überweisungen erledigt. „Hier ist es doch schnuckelig“ bestätigt eine Kundin, die noch schnell ein Brot fürs Vesper besorgt und mit der Verkäuferin Andrea Kohnemann einen kurzen Schwatz hält.

Ja, der Zusammenhalt im Dorf sei eng und gut, erklärt die Börtlingerin, die abwechselnd mit zwei Kolleginnen die kleinste von insgesamt 15 Kauderer-Filialen betreut. Das habe sich auch immer bei dem Pfingstturnier der Handballer gezeigt, für das Börtlingen über die Kreisgrenzen hinaus bekannt war. Leider gebe es seit zwei Jahren niemanden mehr im TV Börtlingen, der das Großereignis organisieren wolle.

Und der Ratssaal wird zur Kaffeetafel

Aber auch kleine Verbesserungen brächten den Ort voran. Kohnemann öffnet die Tür zum Ratssaal und erzählt, dass hier alle 14 Tage der Kaffeenachmittag für Senioren stattfinde – noch so eine noble Geste der Verwaltung, solange die neue Bäckerfiliale samt Café nicht fertig sei.

Natürlich sei es im Foyer viel enger als in dem bisherigen Verkaufspavillon an der Hauptstraße, und das Sortiment sei dadurch ein wenig geschrumpft. Doch die Kunden zeigten viel Verständnis – sogar für die kalten Brezeln. „Wir haben keinen Platz für einen Ofen und lassen deshalb alles aus der Filiale in Birenbach kommen“, erklärt die Verkäuferin, die wegen der kleinen Maschine momentan auch keinen Cappuccino anbieten kann und mangels Wasseranschluss das Geschirr zum Abwaschen runter in den Keller trägt.

Aber einen frischen Kaffee kann man sich auch in der Interimslösung schmecken lassen. Für Eilige bietet sich der Stehtisch neben den amtlichen Bekanntmachungen an. Wer mehr Zeit hat, kann es sich auf dem hübschen Rathausplatz gemütlich machen.

Der Bäckermeister hält dem Dorf die Treue

„Endlich ist auf dem Platz mal etwas los“, meint eine einstige Dorfbewohnerin, die auf Besuch ist, und setzt sich zum Plausch mit Verwandten nieder. Eine weitere Kundin ruft dem Bürgermeister gut gelaunt zu, die Bestuhlung und der Cafébetrieb müssten unbedingt auf Dauer so bleiben. Auch der Bäckermeister Michael Kauderer ist mit dem Provisorium zufrieden. Wichtig sei die zentrale Lage, weil die motorisierte Kundschaft nur kurz anhalte, um einzukaufen. Sein Familienbetrieb mit Sitz in Gingen, in dem 165 Menschen arbeiten, habe sich auf Standorte in kleineren Orten spezialisiert. Dort sei die Kundschaft treuer, und die Pachtbeträge seien günstiger.

Eine Bäckereifiliale, die in einem Supermarkt oder in der Immobilie eines Bauträgers untergebracht ist, schlage dagegen mit der drei- bis vierfachen Pacht zu Buche. „Da ist mir das Einzelrisiko zu hoch“, erklärt der Unternehmer. Im Börtlinger Rathaus fällt die Pacht sogar besonders gering aus. Die Kommune berechne nur die Nebenkosten, sagt der Bürgermeister Wenka: „Das ist für uns Wirtschaftsförderung.“