Mit Kopfsteinpflaster und Altbaufassaden überzeugt das Bohnenviertelfest in Stuttgart-Mitte an diesem Wochenende mit gewohntem Charme. Es gibt aber auch Neues – und auf ein Highlight müssen Stammbesucher verzichten.
„Wir kommen vom Sommerfestival der Kulturen und beim Jazz Open schauen wir auch noch vorbei“, sagt Manfred Brandenburger. An jeder Ecke lädt Stuttgart an diesem Wochenende zum Feiern ein, aber jetzt sind Christel Brandenburger und er erst einmal hier am Bohnenviertelfest. Wie immer am Freitagabend, sagt sie, „wenn die Stuttgarter da sind und wir beim Durchspazieren auch Leute treffen.“
Auf sein Stammpublikum kann das Bohnenviertelfest in Stuttgart-Mitte zählen und wer die zwischen Rosen-, Olga- und Esslinger Straße schlendernden Menschen fragt, könnte meinen, alle gehören sie dazu. Ob Manfred und Christel Brandenburger, 60 Jahre alt und aus Kaltental, die drei Mittzwanziger, die mit einer Flasche Wein auf dem Kopfsteinpflaster sitzen und sich unterhalten oder Verena Laicht, 41, die mit Freunden und Familie hier Spaghetti isst: Sie kommen seit Jahren.
In diesem Jahr fehlt die Bühne
Und so ist die Konkurrenz in Stuttgart zwar groß, aber spätestens um 20 Uhr haben sich Schlangen vor Grillstand und Weinhäusern im Bohnenviertel gebildet, sind fast alle Liege-, Bistrostühle und Bierbänke belegt und die Menge schiebt sich langsamer durch die Gassen.
Zwei Stunden zuvor ging es ruhiger zu. „Der Eröffnungsabend lief super, heute ist vielleicht etwas weniger los“, unkte da noch ein Standbetreiber. Dabei kommt das Entspannte des frühen Abends gut an. „Mit den Kindern ist es schön, dass kein Gedränge herrscht“, sagt Verena Laicht.
Es ist in diesem Jahr ja alles etwas beengter. Wegen des Abrisses des Breuninger Parkhauses fehlt dem Fest die Esslinger Straße. „Um den Ständen mehr Platz zu schaffen, haben wir auf die Bühne verzichtet“, sagt Thomas Rodens vom Festausschuss. Für Musik sorgen Lokale und Standbetreiber. Lateinamerikanisch klingt es vor der Tropical Bar in der Brennerstraße, vor Paddy’s Irish Pub spielt der Sänger auf der Gitarre. Andere legen House oder Funk auf – mit Live-DJ oder pragmatisch: Laptop, Playlist und Lautsprecher an, Lokalfenster auf.
Alles typisch Bohnenviertel und doch ein wenig anders. Das Stammpublikum wird gerne überrascht. „Ich lebe seit zehn Jahren hier, aber es gibt immer Neues. Einfach ein schönes Fest“, sagt Anwohner Tobias Stegmaier, der mit Kollegen gekommen ist. In diesem Jahr haben sie die Mini-Wassermelonen in der Weberstraße entdeckt. Marcel Batschuri mixt das Fruchtfleisch mit Limettensaft, braunem Zucker und auf Wunsch mit Wodka. Getrunken wird mit Strohhalm aus der ausgehöhlten Frucht. Seit diesem Sommer sind die drei Betreiber aus Vaihingen auf Stadtfesten unterwegs. Ebenso ist die Westernbar Reboots-Bar in diesem Jahr erstmals dabei, sagt Organisator Valentin Heldmann.
Für Altansässige ist das Fest Chance, sich neu zu präsentieren. „Wir versuchen die Leute hier reinzukriegen und ihnen zu zeigen, was wir machen“, sagt Werkstattleiter Dominik Mehwald von der Schreinerei Zwinz. In diesem Jahr funktioniere das gut. Nachhaltigkeit interessiert und damit Möbel, die Generationen überdauern. Die Türen der Werkstatt sind geöffnet, zwischen Tischkreissäge und Meißel trinken Besucher Gin, der mit Zirbenlikör nach Wald schmeckt, und sehen sich ausgestelltes Handwerk an.
Abends wird getanzt
Seit Mitte der 1980er gibt es das Bohnenviertelfest, so lange, dass auch Heldmann erst nachsehen muss. Seitdem dürfte gelten: Ist das Wetter gut, läuft das Ganze gut. Und das Wetter, endlich, es ist gut. Vielleicht ein wenig drückend, zumindest bei Michael Knuth am Ofen für die Dinnenden. Aber die Stimmung sei super, sagt er. Am Abschlusssamstag soll es warm bleiben.
Um 20 Uhr trifft goldenes Sonnenlicht auf Kopfsteinpflaster und Altstadtfassaden. Mehr Viertelromantik geht nicht. Selbst das Gewitter verzieht sich später schnell. Ab 21 Uhr wird der Geselle bei Zwinz Elektro auflegen.
Am Stand der Non-Profit Natan-Bar in der Pfarrstraße sammelt sich eine Traube um deren DJ. Es ist 20.30 Uhr, „jetzt geht es erst richtig los“, heißt es dort, „in einer Stunde wird hier getanzt.“