Mit den Augen einer Fotografin hat Rose Hajdu zahlreiche Gebäude des Architekten Paul Bonatz in den Fokus genommen. Die Ergebnisse sind derzeit im Göppinger Museum Storchen zu sehen.

Region: Corinna Meinke (com)

Göppingen - Mit Architekturfotografie wartet das Göppinger Stadtmuseum Storchen in diesem Sommer auf. Die Stuttgarter Fotografin Rose Hajdu zeigt eine Auswahl ihrer Arbeiten, die sich Paul Bonatz widmen, und bietet den Besuchern damit nicht nur neue Perspektiven auf Göppinger Gebäude des bekannten Architekten, darunter die Villa Bühler und das Mörikegymnasium. Vielmehr nimmt Hajdus Blick auch weitere Bauten dieses wichtigen Vertreters der sogenannten Stuttgarter Schule, etwa den Stuttgarter Hauptbahnhof, Wohn- und Verwaltungsgebäude, Brücken und technische Einrichtungen, in den Fokus.

 

Hajdu nimmt sich viel Zeit

So haben die Göppinger ihr Mörikegymnasium vermutlich noch nie gesehen: Rose Hajdu lenkt den Blick durch das Treppenhaus von unten bis ganz nach oben, wo das Auge an der Stuckdecke verweilen kann. Die helle Aufnahme zeichnet ein klares und gleichzeitig weiches Licht aus. Nicht nur beim Deckendurchbruch, auch bei den Wandöffnungen inszeniert die Fotografin die Formensprache Bonatz’, die in dem Schulgebäude vom Oval dominiert wird. Amber Sayah, die StZ-Redakteurin für Kunst und Architektur, hat bei der Einführung in die Ausstellung berichtet, dass sich Hajdu viel Zeit für ihre Arbeit mit dem Stativ nehme. „Die Aufnahmen strahlen etwas Intimes und Kontemplatives aus“, beschrieb Sayah die Fotografien.

Die Villa Bühler in der Nähe des Oberholzes

Bei einem Rundgang durch die Schau kann sich davon jeder selbst überzeugen und das Spiel von Licht und Schatten genießen. Die Göppinger dürften sich dabei auch an der Villa Bühler ergötzen. Das stattliche Gebäude in der Nähe des Oberholzes entstand nach den Plänen von Paul Bonatz in den 1920er Jahren. Neben dem zweigeschossigen Längsbau samt Wintergarten und Dacherker entwarf Bonatz, damals Professor an der Technischen Hochschule Stuttgart, auch den Bühler’schen Garten samt Gemüsegarten, Freibad, Wäschetrockenplatz und Bleiche.

Von der Amtsfotografin zur Künstlerin

Hajdu, die vor dem Schritt in die Selbstständigkeit ein paar Jahre als Amtsfotografin des Landesdenkmalsamts Baden-Württemberg gearbeitet hat, porträtiert die Villa als typischen Vertreter der damaligen Stuttgarter Schule. Das Gebäude dominieren traditionelle Formen, und die baumeisterliche Qualität steht im Vordergrund. Bonatz und seine Mitstreiter stellten sich damit gegen den modernistischen Ansatz der Bauhausbewegung, wie sie sich in Stuttgart in der jetzt als Weltkulturerbe ausgezeichneten Weißenhofsiedlung manifestierte.

Von Göppingen bis Ankara

Dass es der Fotografin die handwerklichen Details angetan haben, zeigt Hajdu bei ihren zahlreichen architektonischen Innenaufnahmen, etwa in ihren Bildern von Tür- und Fenstergriffen oder von geschnitzte Handläufen und mehrfarbigen Fliesenfeldern, Details, an denen man im Alltag oft achtlos vorübergeht. Vor dem Vergessen bewahren wollte Hajdu offenbar auch den Stuttgarter Hauptbahnhof als Gesamtwerk. So dokumentierte sie im Jahr 2009 den Bau vor dem Abriss seiner beiden Seitenflügel im Auftrag des Deutschen Dokumentationszentrums für Kunstgeschichte und wurde dadurch neugierig auf das weitere Œuvre von Bonatz. Hajdu richtete die Linse daraufhin auch auf die Unibibliothek Tübingen, das Kunstmuseum Basel und die Oper in Ankara.

Als Kuriosum am Rande stellt das Museum Storchen auch Bonatzpläne für ein Göppinger Rathaus nationalsozialistischer Prägung von 1942 vor. Für die monumentale Anlage samt Aufmarschplatz hätte die halbe Altstadt abgerissen werden müssen.