Streuobstwiesen gehören zu Baden-Württemberg wie der Bodensee oder die Schwäbische Alb. Doch ihr Bestand ist bedroht. Das Land will Anreize schaffen - und winkt mit Schnittprämien.

Streuobstwiesen gehören zu Baden-Württemberg wie der Bodensee oder die Schwäbische Alb. Doch ihr Bestand ist bedroht. Das Land will Anreize schaffen - und winkt mit Schnittprämien.

 

Stuttgart/Schwäbisch Gmünd - Die landestypische Kulturform der Streuobstwiesen im Südwesten ist bedroht. Seit den 1960er Jahren ist fast die Hälfte der Streuobstbäume zwischen Main und Bodensee verschwunden. Dem will das Land jetzt mit einer Reihe von Schritten den Riegel vorschieben. Unter anderem sollen künftig Schnittprämien als Anreiz für die Pflege von Bäumen auf Streuobstwiesen gezahlt werden.

„Streuobstwiesen können nur erhalten werden, wenn sie gepflegt und genutzt werden. Leider sind viele Streuobstbäume durch den schlechten Pflegezustand bedroht“, erläuterte Naturschutzminister Alexander Bonde (Grüne) auf der Landesgartenschau in Schwäbisch Gmünd (Ostalbkreis). Die Naturschützer sehen Licht und Schatten in der neuen Streuobstkonzeption.

15 Euro pro professionell beschnittenem Baum

Nach dem Konzept sollen Vereine, Gemeinden oder Initiativen von Privatbesitzern ein Schnittkonzept anmelden und in fünf Jahren maximal zweimal 15 Euro pro professionell beschnittenem Baum bekommen können. Das Ministerium erwartet die Genehmigung der neuen Förderung durch die EU noch in diesem Jahr. Unterstützt würden Pflege und Bewirtschaftung der Wiesen durch das neue Förderprogramm für Agrarumwelt, Klimaschutz und Tierwohl (FAKT) und die Landschaftspflegerichtlinie, berichtete Bonde. Das Land bezuschusst überdies Werbe- und Verkaufsförderung sowie Investitionen von Keltereien und landwirtschaftlichen Betrieben, etwa in Brennereien sowie in gastronomische und touristische Angebote.

Baden-Württemberg hat mit mehr als 100.000 Hektar Streuobstwiesen europaweit die bedeutendsten Streuobstbestände. Mit rund 5000 Tier- und Pflanzenarten zählen sie zu den artenreichsten Lebensräumen in Mitteleuropa und sind wertvolles Gen-Reservoir für rund 3000 Obstsorten.

Aber auch in Baden-Württemberg weichen die Streuobstwiesen mehr und mehr anderer lukrativerer Nutzung. Gründe dafür sind laut Ministerium die zunehmend intensivere Bewirtschaftung, die Nachfrage des Handels nach normiertem und makellosem Obst, die Ausweisung von Baugebieten und mangelhaftes Wissen rund um Pflege und Nutzung alter Sorten.

Nabu ist skeptisch

Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) lobte „das ambitionierteste Programm zum Schutz unserer Streuobstwiesen“ in Baden-Württemberg. Nabu-Landeschef Andre Baumann bedauerte aber, dass die Biotope nicht unter gesetzlichen Schutz gestellt werden. „Wir brauchen diesen Schutz - nicht um Landwirte zu gängeln, sondern um Streuobstwiesen davor zu bewahren, für Neubaugebiete abgeholzt zu werden.“ Bonde konterte, die Diskussion über den Schutzstatus der Streuobstwiesen bringe die Pflege nicht voran.

Nach Überzeugung des Nabu kann das neue Konzept ein Grundsatzproblem des Streuobstbaus nicht lösen - die mangelnde ökonomische Attraktivität. Der Naturschützer riet, zusätzliche Förderung auf ökologisch und für das Landschaftsbild besonders wertvolle Wiesen zu konzentrieren: „Wir können wahrscheinlich nicht jedes Streuobstwiesle retten.“

Weiter unter Druck geraten die Besitzer von Streuobstwiesen durch den Preisverfall für Obst - und das trotz und wegen bester Ernteaussichten. Denn hohes Angebot verursache einen niedrigen Preis, erläuterte der Verband der Agrargewerblichen Wirtschaft. Mit dem Einfuhrstopp nach Russland sei ein wichtiger Markt für die europäischen Obsterzeuger weggebrochen. Überdies nehme die Nachfrage in Deutschland immer weiter ab, so in der ersten Hälfte 2014 um zwölf Prozent bei dem Pro-Kopf-Verbrauch von Fruchtsaft.

Keltereien in Süddeutschland bezahlen laut Nabu aktuell nur 3,50 Euro je 100 Kilogramm Mostobst. Das sei etwa ein Drittel des Preises in Hessen oder Nordrhein-Westfalen, sagte der Sprecher des Nabu-Bundesfachausschusses Streuobst, Markus Rösler, den „Stuttgarter Nachrichten“.

Nabu-Chef Baumann appellierte an die Verbraucher, eher hochwertige Streuobstsäfte statt Billigsäfte aus China zu kaufen, auch wenn das einige Cent teurer sei. „Nur wenn wir alle eine Nachfrage schaffen, wird es diese Produkte weiterhin geben - und mit ihnen die Streuobstwiesen, die für Mensch und Natur so wichtig sind.“