Am Anstieg der Hauspreise zeigen sich die Nebenwirkungen der lockeren Geldpolitik. Sie zu begrenzen, ist Sache der Länder.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Frankfurt - In einem Punkt hat Bundesbankpräsident Jens Weidmann die Europäische Zentralbank (EZB) stets verteidigt: Die niedrigen Zinsen, so stellte der prominenteste Kritiker von EZB-Präsident Mario Draghi wiederholt klar, seien für Deutschland nicht nur schlecht. Bei allem Verständnis für die Sorgen der Sparer – die Deutschen seien auch Kreditnehmer und Häuslebauer, sagte Weidmann etwa vor einem Jahr bei einem Auftritt in München. „Und aus dieser Perspektive erscheinen die niedrigen Zinsen nicht nur negativ.“

 

Klar – Kredite für Hauskäufer und Bauherren sind so günstig wie nie. Die Kehrseite ist allerdings, dass die dadurch befeuerte Nachfrage nach Immobilien und Grundstücken deren Preise vielerorts auf Rekordniveau getrieben hat. Allein 2016 seien die Preise für Wohnimmobilien in deutschen Städten im Schnitt um acht Prozent gestiegen, schreibt die Bundesbank selbst in ihrem jüngsten Monatsbericht. Dies lasse sich nicht mehr allein „durch demografische und wirtschaftliche Fundamentalfaktoren“ erklären: „Die Preisübertreibungen in den Städten betrugen gemäß aktuellen Schätzergebnissen im vergangenen Jahr zwischen 15 Prozent und 30 Prozent.“

Droht in Europa nun auch eine Blase zu platzen?

Die lockere Geldpolitik der EZB heizt den Boom nicht nur durch die niedrigen Hypothekenzinsen an, sondern über einen weiteren Kanal: Da klassische Spareinlagen kaum noch Erträge abwerfen, setzen Investoren zunehmend auf Immobilien. „Auch die allgemeinen Aussichten der Währungsunion betrachten viele mit Skepsis, was Betongold in der Gunst der Anleger deutlich steigen ließ“, kommentiert der Commerzbank-Analyst Marco Wagner.

Eine durchaus brisante Mischung. Schließlich war es eine Immobilienblase in den USA, deren Platzen vor bald zehn Jahren die weltweite Finanzkrise auslöste. Das Entstehen dieser Blase wurde durch eine lockere Geldpolitik, in dem Falle der US-Notenbank Fed, begünstigt. Ihr damaliger Chef Alan Greenspan hatte mit niedrigen Zinsen die Folgen der Dotcom-Krise um die Jahrtausendwende zu bekämpfen versucht – und legte damit letztlich die Saat für die nächste Katastrophe. Wird sich diese Geschichte womöglich in Europa wiederholen?

Nach dem rasanten Preisanstieg folgt wohl der jähe Einbruch

Für Deutschland sieht der Commerzbank-Analyst Wagner noch keine solche Gefahr. Er weist auf die im internationalen Vergleich moderate Verschuldung der privaten Haushalte sowie auf die lange Zinsbindung von Wohnbaukrediten hierzulande hin. Wenn die Zinsen irgendwann wieder steigen, würde also nicht auf einen Schlag die Belastung der Hypothekenschuldner erhöht. „Je länger allerdings der Boom dauert, umso größer werden die Gefahren, dass es doch zu beträchtlichen Übertreibungen kommt, deren Korrektur die deutsche Wirtschaft massiv belasten würde“, warnt Wagner. Denn wenn sich der rasante Preisanstieg lang genug fortsetze, drohe irgendwann ein kräftiger Einbruch.

Für die EZB sind solche Risiken nachrangig. Ihr oberstes Ziel ist zwar die Gewährleistung der Preisstabilität – die Kosten von Immobilien fallen aber nicht darunter. Der Verbraucherpreisindex, mit dem die Inflationsrate berechnet wird, bildet nur die Entwicklung der Mieten ab, aber nicht die von Wohneigentum. Die Verhinderung von Immobilienblasen ist Sache der einzelnen Euroländer. Dabei sieht sich auch die Bundesbank in der Pflicht: In einer Anhörung unterstützte Vizepräsidentin Claudia Buch am Montag das Vorhaben der Bundesregierung, bei Gefahr im Verzug Hürden für die Kreditvergabe zu errichten – etwa mithilfe einer Obergrenze für das Verhältnis von Darlehenshöhe zu Immobilienwert.