Sendungen der Superlative mit C-Promis boomen und treiben nicht nur bei den Privaten bizarre Blüten. Ein Überblick über die TV-Rankingshows. 

Stuttgart - Auf den ersten Blick hat Heidi Klum nichts mit Yvonne gemein. So hieß jene Milchkuh, die Reißaus nahm, um das Sommerloch mit Meldungen über ihren jeweiligen Aufenthaltsort zu stopfen. Wer will, findet aber doch einen Bezug: Wer von beiden nervte mehr? Das ist so eine Frage, die die Zuschauer von Pro Sieben bewegt. Der Privatsender wird sie Donnerstagabend beantworten - dann präsentiert er "Die nervigsten Deutschen 2011".

 

Die gute Nachricht: der etwas andere Jahresrückblick von Pro Sieben ist jetzt eine Stunde kürzer als in den vergangenen Jahren und heißt nicht mehr "Die 100 nervigsten Deutschen". Die Zahl der Kandidaten wurde halbiert. Die schlechte Nachricht: fünfzig nervige Deutsche nerven nicht weniger als hundert, vor allem dann nicht, wenn ihre Geschichten schon in anderen Rankingshows verwurstet wurden. Und davon gibt es mehr, als man ertragen kann. Auf allen Kanälen wird gepunktet, gewertet und gelistet. Ob Schicksale, Showmaster oder Schönheitsoperationen: inzwischen gibt es kaum ein Thema, das nicht als Motto für ein "Best ..." oder "Worst of ..." herhalten musste. Rankingshows sind die Recyclinganlage des Fernsehens. Der Abfall wird sortiert, neu verpackt und umetikettiert - fertig ist die Lauge.

Besonders beliebt: Küblböck's Heulkrampf

Die privaten Fernsehsender können sich aus einem schier unerschöpflichen Reservoir an Castingshow-Kandidaten und anderen Möchtegernstars bedienen. Unlängst hat RTL in seiner Reihe "Die 10 ..." " die größten DSDS-Aufreger" präsentiert. Man sah noch einmal, wie Daniel Küblböck weinend zusammenbrach, als seine geliebte Grazia ausschied. Nie war das Fernsehen so sehr bei sich wie in diesem Moment. Ad absurdum führt es sich immer dann, wenn im Panel C-Prominente als O-Ton-Geber sitzen, die sonst selber die Charts blockieren. Sie heißen Elton oder Hella von Sinnen, Bürger Lars Dietrich oder Gülcan. Und sie werden nicht müde, die Zeit zwischen den Werbeblöcken mit Inhalten zu füllen, wie man sie aus Comicblasen kennt. Eine nicht repräsentative Zählung hat ergeben, dass "Oh Gott, oh Gott!" die Hitliste der am häufigsten Ausrufe anführt, gefolgt von "wie geil/peinlich ist das denn" und "Waaahnsinn!". Letzteren Begriff, so scheint es, hat sich Claudia Roth urheberrechtlich schützen lassen.

Ein Versprecher. Ein spektakulärer Seitensprung. Oder eben grenzenloses Nervpotenzial - mehr bedarf es nicht, um sich für die Teilnahme an einer der Rankingshows zu qualifizieren. Die Formate heißen "Die 25 ..." oder "Die 10 ..." (RTL), "Simply the Best" (Pro Sieben) oder "32Eins!" (Sat 1), "Unsere Besten" (ZDF) oder "Hitlisten des Westens" (WDR) . Die Titel suggerieren, dass die Kandidaten wie 100-Meter-Läufer oder DVDs nach Zeiten oder Verkaufszahlen bewertet werden. Wenn aber die Zuschauer ihr Votum vorab im Internet abgeben, frönen sie nur dem Spaß an der Willkür.

Auch dritte Programme durchforsten ihre Archive

Für den Berliner Medientheoretiker Norbert Bolz liegt genau darin das Erfolgsgeheimnis dieses Genres, dessen Siegeszug 2003 mit der "ultimativen Chartshow" bei RTL begann. "Wir werden dazu erzogen, dass alle auf der gleichen Stufe stehen", sagt Bolz. Es gebe kaum Raum für Differenzierungen. Dieses Defizit würden die Shows kompensieren. "Man genießt den Unterschied." Längst sind auch die dritten Programme auf den Zug aufgesprungen. Den Boulevard streifen sie jedoch nur am Rande - zum Beispiel in Gestalt der "jecksten Karnevalssitzungen" (WDR). Was zählt, ist der Déjà-vu-Effekt: Systematisch forsten Redakteure ihre Archive nach Bildern von vertrauten Bauwerken oder Bräuchen durch, mit denen der Zuschauer Erinnerungen verbindet.

"Je konkreter der regionale Bezug ist, desto besser kommen die Sendungen an", sagt Ute Beutler, die für den Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) die Reihe "30 Favoriten" verantwortet - von den "30 erstaunlichsten Berliner Straßen" bis zu den "30 beliebtesten Berlinern". Dass der Redaktion der Stoff ausgehen könnte, fürchtet Beutler nicht. Sie sagt, dass das Format durchaus noch Potenzial mit neu gedrehtem Material habe, hätten schon der NDR und der WDR demonstriert - mit den Charts der schönsten Bauernhöfe.

Auswahl von anstehenden Ratingsshows

Pro Sieben, 3.November, 20.15, "Die nervigsten Deutschen"

rbb, 9. November, 21.00, "Die außergewöhnlichsten Berliner Brücken"

RTL, 9. Dezember, 20.15, die 100. Folge der "Ultimativen Chartshow"