Am Montag startet im ZDF die zweite „Borgia“-Staffel. Die russische Schauspielerin Isolda Dychauk übernimmt in der erfolgreichen Serie die Figur der Lucrezia. Sie manipuliert, intrigiert, poussiert und wird seinem Ruf als Luder zunehmend gerecht.

Stuttgart - Seien Sie nett zu ihr, ruft der Producer scherzend herüber, als man sich mit dem Star am Set in Prag zur Mittagspause zusammensetzt. Als ob man Isolda Dychauk, dieses zarte Wesen mit dem rotlockigen Haar, noch immer beschützen müsste. Vor drei Jahren spielte sie die Lucrezia in der ZDF-Serie „Borgia“ zum ersten Mal. Erst 17 war sie damals, mit einer ersten Kostümfilm-Erfahrung als Gretchen in Alexander Sokurows „Faust“, und ihre Worte waren von einer Unbedarftheit, dass sich die Entourage der Jungschauspielerin aus Berlin tatsächlich sorgen musste. Doch das Küken von einst ist inzwischen zur Frau gereift. Überzeugt von sich und ihrem Können. Wie ihre Lucrezia.

 

Wenn das ZDF heute mit der Ausstrahlung neuer Episoden über die berüchtigte Papst-Sippe beginnt, wird man eine Lucrezia erleben, in der sich die Borgia-Gene in Vollendung entfalten. Das junge Ding manipuliert, intrigiert, poussiert und wird seinem Ruf als Luder der Renaissance zunehmend gerecht. Acht Monate sind vergangen, seit sie ihren Bruder Juan meuchelte. Ihr Vater, der Papst und Clan-Chef Rodrigo Borgia (John Doman), ist untröstlich. Er leidet, er halluziniert, er trinkt Vitriolium, einen Seelentröster mit fatalen, unappetitlichen Folgen. Cesare (Mark Ryder), der verbliebene, ungeliebte Sohn, versucht sich derweil als Feldherr. Und Lucrezia gebiert in aller Heimlichkeit ihr erstes Kind.

Gedreht wird überwiegend in Tschechien

„Alles wird größer, besser, wilder, härter, schöner, sexier – einfach fantastisch“, dröhnt der Deutsche Christoph Schrewe, der einige „Borgia“-Folgen inszenierte. Darunter ist jene, in der Roms Tiber zur Sintflut anschwillt. Für diese nach Fernsehstandards überaus imposante Szene zog der „Borgia“-Tross von Tschechien, wo das Gros der Serie entsteht, nach Italien zu den berühmten Cinecitta-Studios. Verkäufe in mehr als achtzig Länder, unter anderen die amerikanische Online-Videothek Netflix, erlauben solch kostspielige Sprünge. Das bei Außendrehs in der Campagna hergestellte Panorama entspannt das sonst von flackerndem Kerzenschein strapazierte Zuschauerauge doch ungemein.

Und Staffel drei, die definitiv letzte, ist dank guter Zahlen auch längst in Arbeit. Martinitzky-Palast, Prag: der Papst, Lucrezias Vater Rodrigo Borgia, ist alt und fett, sein Tod nahe. Noch einmal versammelt er all seine Lieben um sich. An seiner Seite die geliebte Tochter Lucrezia. Ihr Busen bebt, kunstvoll geschnürt in eine schwere Samtrobe von dem Film-Couturier Sergio Ballo. Lucrezia soll sich auf Wunsch des Vaters vermählen, wieder einmal. Isolda Dychauk ist am Set zu allerlei Schabernack aufgelegt. Doch heißt es „Action!“, ist sie hoch konzentriert und verhaspelt sich nicht öfter als ihre gestandenen Kollegen.

Tom Fontana, der Erfinder der „Borgia“-Serie und als so genannter Showrunner befugt, überall hineinzureden, hat für die aus Russland stammende Schauspielerin eine einprägsame Metapher gefunden: Auf dem ungemein kurvigen Fluss, den ihre Lucrezia herunter rudern muss, nehme Isolda gekonnt jede Biegung, ohne dass das Boot kentert. Die „Bunte“ sieht die Papsttochterdarstellerin denn auch schon „auf dem besten Weg zum Star, nicht nur in Deutschland“.

Total nackt – das gibt es nicht im ZDF

Im Ausland wird man von Isolda Dychauk und dem anderen „Borgia“-Personal noch ein bisschen mehr sehen dürfen als hierzulande. Wo nackte Tatsachen blitzen, ließ das ZDF kaschieren. „Full frontal Nudity“ ist mit dem hiesigen Jugendschutz eben nicht vereinbar. Da mag Tom Fontana noch so faktensicher referieren, dass in erster Linie Sex und Gewalt das Leben der Menschen im 15. Jahrhundert bestimmten.

Unter dem Deckmantel der Authentizität, und da steht die zweite Staffel der ersten in nichts nach, erlauben sich die „Borgia“-Macher unheimliche Maßlosigkeiten. Die abscheuliche Methode, Homosexuelle mit der „Papst-Birne“ zu penetrieren, irritiert dann doch mehr, als es ein nackter Busen je könnte. „Gewalt in dieser Massivität war damals Gang und Gäbe. Deshalb ist es wichtig, dass die Serie das auch zeigt“, findet Isolda Dychauk und ergänzt: „Monster waren die Borgia nicht.“ Aber wirklich nett waren sie zueinander auch nicht.