Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) hat sich mal wieder zu Wort gemeldet. Dieses Mal mit einem Angriff auf die Hauptstadt der Republik.

Berlin - Endlich sagt es mal einer! Wer als Herkunftsschwabe – oder Schwäbin – nach Berlin kommt, der muss erstens so oder so völlig wahnsinnig sein (Die Wohnklos! Die Araberclans! Die „Brezeln“!) Und er begibt sich zweitens in schwerste Gefahr.

 

Denn dies hier ist der nicht funktionierende Teil Deutschlands. Und erkannt hat das Boris Palmer, von Beruf nebenbei Oberbürgermeister in Tübingen, und hauptamtlich sowohl Chef der Ortspolizeibehörde als auch Experte in Sachen Idylle. Glücklicherweise hat der große Schweiger seine Sicht auf die Dinge jetzt in einem seiner seltenen Interviews endlich mal den Medien mitgeteilt und erklärt – in diesem Fall unter anderem der „Berliner Morgenpost“, die sich in ihrer Stadt vielleicht demnächst auch so gut auskennt wie Boris Palmer.

„Ich will diese Verhältnisse in Tübingen nicht.“

Mit Idylle also ist es ganz schlecht in Berlin. Das kann man an allem sehen bei 3,7 Millionen Menschen, die hier miteinander leben – und zwar ohne Sperrstunde! Tag und Nacht wagen sie sich vor die Tür, steigen in einen Nahverkehr, der angeblich nie funktioniert, unternehmen aber im Jahr doch irgendwie 1,01 Milliarden Fahrten. 354 000 Kinder und Jugendliche gehen jeden Tag in allgemeinbildende Schulen (das sind 35 mal so viele wie in Tübingen, Tendenz steigend). Und etwa 50 000 Neuberliner gibt es auch noch, die jedes Jahr in die Stadt ziehen, sich anmelden, ummelden, hier wohnen wollen, in die Schule gehen, zum Arzt und ins Krankenhaus. (Das ist gut halb Tübingen, einmal pro Jahr, seit 2011, jedes Jahr wieder, nur mit viel weniger Geld).

Ganz schlimm ist auch „diese Mischung auf der Straße“ – Kriminalität, Drogen und „bittere Armut“. Ja, was soll man da machen? Boris Palmer weiß Rat. „Ich will diese Verhältnisse in Tübingen nicht.“ Man könnte jetzt sagen, da hat einer Äpfel mit Birnen verglichen, aber im Fall Palmer mag man das irgendwie nicht unterstellen.

Außerdem, was so ein Ortspolizeibehördenchef ist, der kann gegen Kriminelle einiges machen. Wer nach 22 Uhr nahezu grundlos in der Innenstadt herumschreit zum Beispiel, der wird vielleicht so lange um den Marktbrunnen gejagt, bis er außer Puste ist. Drogen, so lang sie legal sind, sind auch kein Problem, gerade an einem solchen Klinikstandort. Und Armut, ja Gott, Armut. Das schafft man halt ab! Hat in Tübingen doch auch geklappt. Man legt sich einfach eines der höchsten Pro-Kopf-Einkommen unter den europäischen Regionen zu. Problem gelöst. Könnte Berlin auch. Wenn es nur wollte. Und das ist doch das eigentliche Drama.

Mehr Horizont täte dem Auge weh

Das Allergefährlichste für den Schwaben, das ist das Berliner Achselzucken. Wenn was nicht klappt, was macht der Berliner dann? Achselzucken und weiter geht es. Oder halt auch nicht. Und wenn schon. Der Flughafen wird nicht fertig? Das Kadewe wird ausgeraubt? Es knirscht in der Verwaltung? Hoch die Achseln, und: fallenlassen.

Und was ein echter Schwabe ist, für den ist das die elementarste Bedrohung überhaupt. Etwas, das nicht schnell genug geht, nicht pünktlich kommt – schlimm genug. Aber etwas, das im Prinzip irgendwie effizienter funktionieren, sparsamer laufen, sauberer geputzt sein könnte, wenn man es denn nur aus vollem Herzen und mit ganzer Kraft probieren würde – das kann der Schwabe nicht ertragen. Wissenschaftler haben vor einiger Zeit nachgewiesen, dass der Schwabe seit so vielen Jahrhunderten tüchtig, fleißig und effizient ist, dass sich sogar seine DNA im Vergleich zu anderen Urvölkern eindeutig verkürzt hat. Eine Umdrehung weniger reicht doch.

Das hat natürlich Folgen. Eine mögliche Nebenwirkung dieser evolutionären Entwicklung ist der Tunnelblick. Er stellt sich bei manchen ein. Man schaut immer nur geradaus, vor sich hin, vielleicht gerade noch auf den Marktplatz vor dem Bürofenster. Mehr Horizont täte dem Auge weh.