Boris Palmer unterhält sein Publikum in Weil der Stadt mit gewohnt provokanten Thesen aus seinem Buch.

Weil der Stadt - Knapp 100 Besucher waren der Einladung von Brigitte Mareczek in die Kulisse nach Weil der Stadt gefolgt, um Boris Palmer kennenzulernen und aus seinem neuen Buch „Erst die Fakten, dann die Moral“ zu hören. „Die Veranstaltung war nach wenigen Stunden ausverkauft“, berichtet die Inhaberin des Weiler Buchladens „Buch und Musik“.

 

Sie habe sich aber absichtlich dafür entschieden, den Teilnehmerkreis klein zu halten. „Ich möchte, dass die Leute den Mensch Boris Palmer kennenlernen“, erläutert Mareczek. Der Plan geht auf. Fast zwei Stunden liest der Tübinger Oberbürgermeister aus seinem Buch, erzählt Anekdoten und stellt sich Publikumsfragen. Genau begrenzt ist diese Zeit durch den Bahnfahrplan, mit der Palmer konsequenterweise anreist. Er kommt prompt auch einige Minuten zu spät. „Erst fuhr die Bahn in Herrenberg nicht und dann musste ich in Stuttgart ewig auf die S-Bahn nach Weil der Stadt warten“, entschuldigt er seine Verspätung und hat damit schon zu Beginn das Publikum für sich gewonnen. Probleme mit der S-Bahn kann schließlich jeder nachvollziehen.

Von Klimawandel und „Klimareligion“

Er beginnt seine Lesung mit einem Kapitel aus seinem Buch, in dem er mit der, wie er es nennt, Klimareligion aufräumt. Die Blicke im Publikum werden nervös, die Menschen gucken sich verunsichert an, einige schütteln empört mit dem Kopf, denn was der Grüne Politiker da postuliert, scheint unglaubwürdig: „In der Geschichte der Erde war der Klimawandel die Normalität“, ist dabei nur eine der zahlreichen Thesen von Klimawandelskeptikern, die er aufführt.

Als die Verwirrung so gut wie greifbar ist, stellt er fest: „Vielleicht haben Sie jetzt fast geglaubt, das wäre meine Überzeugung“, sagt er und ein erleichtertes Lachen geht durch die Menge. Im Anschluss daran nimmt Palmer sich jeder These an und entkräftet sie mit stichhaltigen Argumenten und wissenschaftlich belegten Fakten. Das ist eine zentrale Aussage Palmers und des Abends: Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten sollte man mit Fakten und nicht mit Halbwahrheiten führen. „Mit Kant gewinnt man Wahlen, nicht mit Beschimpferei“, sagt er und fordert mehr Sachlichkeit anstatt Meinungsmache.

Natürlich lebt eine schillernde Persönlichkeit wie Boris Palmer auch davon, kontroverse Debatten anzustoßen – und so ist es kaum verwunderlich, dass er beim Thema Feinstaub behauptet: „Coca Cola ist weitaus gefährlicher für die Menschheit als Stickoxide.“ Auch seine Erläuterung hierzu bleibt ähnlich reißerisch: „Wenn wir erzählt bekommen, in Europa gibt es mehr als 400 000 Tote durch Feinstaub, dann ist das eine größere Opferzahl als der Syrienkrieg in zehn Jahren gefordert hat.“ Palmer mahnt an, dass auch hier die Faktenlage klar sei, die Diskussion sich aber nicht vollständig auf diese stütze. 400 000 Menschen haben in Europa eine verkürzte Lebenserwartung durch eine zu hohe Feinstaubbelastung, die Verkürzung betrage hierbei ungefähr vier Monate.

Mit Humor und Selbstironie

Die Verkürzung der Lebenserwartung durch den Konsum von zuckerhaltigen Getränken wie etwa Coca-Cola betrage jedoch mehrere Jahre. „Wir müssen über Fahrverbote von Autos in Innenstädten reden, weil es zu viele Verkehrstote gibt, weil Fahrräder keinen Platz haben, weil zumindest Verbrennungsmotoren noch eine enorme Lärmbelästigung mit sich bringen, aber wir sollten die Diskussion um saubere Luft hierfür nicht zweckentfremden“, findet der Tübinger OB.

Palmer gelingt es, die Themen, die die Gesellschaft spalten, anzusprechen, gut zu erläutern und – was vielleicht am wichtigsten ist – mit einer ordentlichen Portion und Humor und Selbstironie vorzutragen und gewinnt so das Publikum für sich. So ist es kein Wunder, dass am Ende der Veranstaltung fast alle Gäste sich in die Schlange einreihen um ein signiertes Buch zu kaufen. Nur beeilen müssen sie sich ein bisschen, denn um kurz nach zehn muss Palmer seine Bahn zurück nach Tübingen erwischen.