Boris Pistorius hält das Sondervermögen für die Bundeswehr für zu klein. „Die 100 Milliarden werden nicht reichen“, so der Verteidigungsminister in einem Interview.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hält das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr für zu klein. „Die 100 Milliarden werden nicht reichen“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“. „Wir haben mit jedem neuen System auch neue Unterhaltungskosten. Mit jedem neuen Gerät entstehen also neue und höhere laufende Kosten.“

 

Das Sondervermögen war im vergangenen Jahr nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine eingerichtet worden. Es soll eine bessere Ausstattung der deutschen Armee ermöglichen. Im vergangenen Jahr flossen noch keine Mittel aus dem Sondervermögen ab; es wurden lediglich Verträge mit Rüstungsfirmen im Volumen von gut zehn Milliarden geschlossen. Die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl (SPD), hatte kürzlich eine Aufstockung des Sondervermögens auf 300 Milliarden Euro ins Gespräch gebracht.

Der reguläre Verteidigungsetat ist Pistorius mit aktuell rund 50 Milliarden Euro im Jahr ebenfalls zu klein. „Ich gehe nicht davon aus, dass das reicht“, sagte er.

„Nicht jeder muss jedes Waffensystem entwickeln“

Die Bundeswehr brauche auch wegen der Lieferung von Militärgerät an die Ukraine dringend Nachschub. „Panzer stehen nicht irgendwo im Regal zum Mitnehmen“, gab Pistorius zu bedenken. „Die haben eine Lieferzeit, und das sind nicht drei Wochen. Und Munition wächst nicht auf Bäumen und will nur gepflückt werden.“ Deutschland werde kurzfristig nicht in der Lage sein, den Bedarf zu decken.

„Mittel- und langfristig müssen wir in Europa eine Rüstungsindustrie aufbauen, die das kann“, forderte Pistorius. „Nicht jeder muss jedes Waffensystem entwickeln. Und wir sollten zu standardisierten Waffensystemen kommen in Europa.“ Der Minister kündigte enge Absprachen mit der Industrie an, um Produktionskapazitäten auszuweiten und Lieferungen zu beschleunigen. Für die kommende Woche plane er entsprechende Gespräche. 

In dem Zeitungsinterview äußerte sich Pistorius auch zum Aussetzen der Wehrpflicht seit dem Jahr 2011. „Wenn Sie mich als Zivilisten fragen, als Staatsbürger, als Politiker, würde ich sagen: Es war ein Fehler, die Wehrpflicht auszusetzen.“

Die Wehrpflicht sei unter anderem wichtig gewesen, um in der Gesellschaft einen stärkeren Bezug zur Bundeswehr zu haben. „Früher saßen an jedem zweiten Küchentisch Wehrpflichtige“, sagte Pistorius. „Auch dadurch gab es immer eine Verbindung zur Zivilgesellschaft.“ Es gelte nun, die Bundeswehr „erstmal so attraktiv machen, dass sich gute junge Leute für sie interessieren und sich bewerben“, sagte der Verteidigungsminister.