Nach dem wichtigen 1:0-Sieg gegen RB Leipzig atmen Borussia Dortmund und Trainer Thomas Tuchel erleichert auf. Doch ein neues Reizthema wird immer akuter.

Dortmund - Unter Polizeischutz rollt der Mannschaftsbus von RB Leipzig bereits Richtung Autobahn, als Sascha Thielert endlich wieder in der Lage ist, feste Nahrung zu sich zu nehmen. Einen Teller voller Garnelen trägt der Schiedsrichterassistent durch den Kabinengang des Dortmunder Stadions, der Schweiß steht ihm noch immer auf der Stirn. Mehr als eine Stunde vorher hat er ein letztes Mal die Fahne gehoben und sah sich von wutschnaubenden Leipzigern umringt. Was passiert wäre, wenn der RB-Debütant Federico Palacios bei seinem Tor in der dritten Minute der Nachspielzeit nicht tatsächlich geschätzte zwei Zentimeter im Abseits gewesen wäre – das mag sich Sascha Thielert sicher nicht ausmalen.

 

Seinen Adleraugen war es am Ende zu verdanken, dass Borussia Dortmund am Samstagabend in einem fesselnden, hochintensiven Spitzenspiel zu einem 1:0-Sieg gegen den Aufsteiger aus Leipzig kam. Die Schockstarre, von der nach dem vermeintlichen Ausgleich nicht nur die Südtribüne ergriffen war, entlud sich in einem kollektiven Aufschrei der Erleichterung, wie man ihn selbst im Dortmunder Fußballtempel nicht oft erlebt. „Das fühlt sich überagend an“, sagt hinterher Thomas Tuchel, noch immer völlig aufgekratzt.

Ttainer Tuchel zeigt große Emotionen

Seine Emotionen am Spielfeldrand, sein enthemmter Jubeltanz nach dem Führungstor, seine Häme in Richtung der RB-Bank – all das verriet, unter welchem Druck der BVB-Trainer gestanden hatte. Dass Thielert die Fahne hob, erspart ihm zumindest vorerst, dass die Diskussionen über sein mehr als nur angespanntes Verhältnis zur Clubführung noch weiter ausufern. Den „perfekten Moment“ sah Tuchel gekommen, einen „Schlussstrich“ zu ziehen und sich wieder „aufs Wesentliche“ zu besinnen.

An Nebenkriegsschauplätzen wird es der Borussia allerdings auch in den nächsten Wochen nicht fehlen, wenn in der Bundesliga, der Champions League und dem Pokal entscheidende Spiele anstehen. Im Mittelpunkt steht dabei ausgerechnet jener Mann, der in diesen Partien den Unterschied ausmachen soll: Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang. „Ohne ihn werden wir alle unsere Ziele nicht erreichen“, das hatte Tuchel schon am Tag vor dem Leipzig-Spiel gesagt – und siehe da: Während Marco Reus in der zweiten Hälfte gleich drei Großchancen versiebte, war der Stürmer aus Gabun nach brillanter Vorarbeit von Ousmane Dembélé gewohnt zuverlässig zur Stelle (35.). Es war seinem 17. Saisonspiel sein 17. Treffer.

Über seine Zukunft denkt Aubameyang öffentlich nach

Jedes Tor befeuert die Spekulationen um seine Zukunft, an der sich der 27-Jährige trotz Vertrages bis 2020 rege beteiligt. In Interviews in Frankreich hat sich Aubameyang zuletzt mehrfach zu Wort gemeldet und laut über einen möglichen Abschied nachgedacht. Er stelle sich die Frage, „ob ich nicht wechseln muss, wenn ich die nächste Stufe erreichen will“, sagte er, denn: „Wenn ich noch einmal etwas Neues machen möchte, dann muss ich diesen Sommer gehen.“ Real Madrid, das hat er schon oft erklärt, sei sein Traumverein, „aber es gibt auch noch andere Clubs“. Immerhin einen Wechsel zu den Bayern hat Aubameyang bereits ausgeschlossen („Das wäre zu hart für unsere Fans.“)

Die Dortmunder Schmerzgrenze liegt bei 80 Millionen Euro

Im Bemühen, das Thema möglichst klein zu halten, zeigt Tuchel („Man muss auch die Zwischentöne der Interviews hören“) zwar Verständnis für die Gedankenspiele seines Starstürmers – jedoch: „Ob man das öffentlich tun muss , darüber kann man streiten. Es gibt Momente, in denen das Thema nervt.“ Noch mehr dürfte den Trainer die Sorge nerven, dass nach den Transfers von Mats Hummels, Ilkay Gündogan und Henrikh Mkhitaryan im vergangenen Sommer der nächste schmerzhafte Abschied drohen könnte. „Bei einem 80-Millionen-Euro-Angebot würden wir uns Gedanken machen“, sagte BVB-Chef Hans-Joachim Watzke zuletzt dem „Kicker“.

Einen möglichen Ersatz hat der Club in dem Schweden Alexander Isak (17) bereits in diesem Winter verpflichtet. Daneben soll vor allem der famose Dembélé dafür sorgen, dass es weiter aufwärts geht – ob nun mit Aubameyang oder ohne. Fragt sich nur, wie lange es dauert, bis die ersten Angebote für den Tempodribbler aus Frankreich kommen. Neben Linienrichter Thielert war er am Samstag der Held der Arbeit. Er könne sich nicht erinner, sagte Aubameyang, jemals „eine so perfekte Vorlage“ bekommen zu haben.