Fußballfans haben enthusiastisch das 3:2 von Borussia Dortmund gegen Malaga am Dienstagabend bejubelt. Die Gäste aus Spanien sprachen hingegen sogar von Rassismus. In jedem Fall ist diese Partie ein Spiel, das bleibt.

Dortmund - Es schlug gerade Mitternacht, als die letzten Worte von Jürgen Klopp von der großen Anzeigetafel seitlich der Südtribüne durch die Arena hallten. Die fünf einsamen Techniker, die noch die letzten Stromkabel einrollten, warfen einen kurzen Blick hinauf zur Leinwand. Ansonsten war das weite Oval, das bei den Schlussakkorden des Dortmunder 3:2-Triumphes über Málaga zuvor einen Geräuschpegel wie noch nie erlebt hatte, nun menschenleer. Und knapp eineinhalb Stunden nach dem Abpfiff durfte auch Klopp nach spät absolvierter Pressekonferenz Feierabend machen.

 

Die meisten seiner Spieler waren da bereits nach Hause gefahren, als einer der letzten turnte Felipe Santana am Stadionausgang herum. Der Schütze des entscheidenden Tores, des zweiten BVB-Treffers in einer atemberaubenden Nachspielzeit, mochte gar nicht nach Hause gehen an diesem unglaublichen Abend. „In der zweiten Halbzeit haben wir wirklich sehr viel gekämpft“, erzählte der am Schluss zum Stürmer umfunktionierte Innenverteidiger, hüpfte von einem Mikrofon zum nächsten und gluckste: „Die Jungs waren unglaublich. Ich bin sehr stolz, mit denen spielen zu dürfen.“

„Dabei waren wir schon tot“

So fidel war Neven Subotic nach diesem aufwühlenden Fußballabend längst nicht. Mit seinem gesenkten Blick und gleich zwei schwarzen, tief ins Gesicht gezogenen Kapuzenjacken sah Santanas Abwehrkollege vielmehr aus wie ein Einbrecher, der sich ins Dunkel der Nacht davonstehlen will. Dabei sollte das Gangster-Outfit des Serben nur signalisieren, dass er den letzten großen Knall im Duell mit den unglücklichen Andalusiern erst noch verarbeiten musste. Sein aktueller Zustand? „Ich bin“, drückte Subotic leise hervor, „total müde. Ich kann es noch gar nicht fassen, was da heute passiert ist.“

Passiert war, dass es die schwarz-gelbe Borussia erstmals seit 15 Jahren wieder unter die besten Vier in Europa geschafft hatte. „Dabei waren wir schon tot“, stammelte der BVB-Boss Hans-Joachim Watzke beim Gedanken an Málagas 2:1 durch Eliseu, erzielt acht Minuten vor Schluss. Aber dann kam die Extrazeit, in der Marco Reus und Santana trafen. Letzterer aus einer klaren Abseitsposition heraus – so wie zuvor Eliseu auch, was zumindest für ausgleichende Ungerechtigkeit sorgte. Schwer in Rage, forderte Scheich Abdullah ben Nasser Al Thani, der Besitzer des FC Málaga, wegen Santanas Tor trotzdem eine Untersuchung seitens der Uefa. Während der Abwehrchef Martin Demichelis zornig twitterte: „Es ist unglaublich, dass fünf Schiedsrichter das nicht sehen. Was für ein Raub!“ Die Dortmunder bekundeten Mitgefühl mit der Elf aus der Primera División, hatten in den letzten Sekunden des Spiels aber selbst mächtig gelitten. „Wir waren alle kurz vor dem Herzinfarkt“, behauptete Jürgen Klopp. Und Clubchef Watzke schnaufte: „Ich dachte, ich hätte schon alles erlebt im Leben. Aber so etwas noch nicht – ich bin fix und fertig.“

Der BVB hofft jetzt auf einen offensivfreudigen Gegner

Das lag nicht zuletzt an der sehr speziellen Entwicklung der Partie. „Man muss Fußballspiele auch an regnerischen Tagen gewinnen. Heute hat es bei uns sogar richtig geschifft, wir mussten das Glück erzwingen“, erklärte Klopp den emotionalen Höhepunkt in der laufenden Champions-League-Runde zugleich zum sportlichen Tiefpunkt seiner Mannschaft, bebte wegen des beeindruckenden Überlebensdrangs seiner Schiffbrüchigen aber auch vor Stolz: „Das ist ein ganz großer Abend, den werde ich nicht vergessen. Das war so großartig, die Leute freuen sich ein zweites Loch in den Allerwertesten.“

Das pralle Selbstbewusstsein, das sich die Dortmunder – in der Königsklasse weiterhin als Einzige ungeschlagen – seit dem ersten Sieg über Amsterdam erarbeitet haben, kam deshalb auch rasch wieder zum Vorschein. „In der Champions League haben wir aus jedem Spiel etwas Besonderes gemacht. Und das heute war eine Explosion der Gefühle, das wird in die Geschichtsbücher eingehen“, sagte der Mittelfeldmann Ilkay Gündogan – nach einem Duell, zu dem der Sportdirektor Michael Zorc sagte: „Eigentlich war das unser schlechtestes Spiel in der Champions League.“

Im Halbfinale steht Dortmund trotzdem – und erwartet dort offensivfreudigere Gegner als jenen vom Dienstag. „Uns passen Mannschaften, die uns spielen lassen, besser als ein Team wie Málaga“, sagte Subotic. Und auch Nuri Sahin hat Blut geleckt. „Ab jetzt ist alles möglich“, sagt er. Denn: „Von den verbliebenen Teams sind wir vom Namen her das kleinste. Aber genau diese Rolle liegt uns am besten.“