Nach vielen Rückschlägen erwischt der BVB-Star beim 3:1-Sieg in Gladbach den perfekten Start ins Jahr. Als bester Akteur der Partie schießt er ein Tor und bereitet ein weiteres vor.

Mönchengladbach - Der Bundestrainer Joachim Löw hätte gewiss viel Freunde gehabt, wenn er sich am Samstag auf den Weg an den Niederrhein begeben hätte, aber auch aus der Ferne wird er von den Bildern des 3:1-Sieges von Borussia Dortmund in Mönchengladbach angetan gewesen sein. Einige seiner wichtigsten Spieler für die Fußball-Europameisterschaft in diesem Sommer haben das Jahr am ersten Rückrundenspieltag mit einem Feuerwerk begonnen, das nur so von Schönheit und Kraft sprühte.

 

Ilkay Gündogan spielte überragend, der Dortmunder Pass- und Dribbelkünstler war überall, schoss ein Tor selbst, bereitete eins vor und lieferte zum dritten den vorletzten Pass. Auch Mats Hummels wirkte frisch wie selten nach einer Spielpause, der Trainer Thomas Tuchel feierte „ein außergewöhnliches Spiel“ seines Kapitäns, der mit der Attitüde eines echten Anführers gearbeitet hatte: präsent, zuverlässig und enorm fleißig.

Der große Star des Abends hieß aber Marco Reus, der das erste Tor geschossen und das 2:0 für Henrikh Mkhitaryan vorbereitet hatte. Es war bereits das 30. Mal, dass er den BVB in der Bundesliga mit 1:0 in Führung brachte – ein fantastsicher Wert. Puristen, die alleine auf die Leistungen schauen, konnten zwar zu dem Ergebnis kommen, dass Gündogan noch ein Stück besser war, doch Reus’ Aufblühen erwärmte all jenen das Herz, die in den vergangenen Monaten mit dem gebeutelten 26-Jährigen mitgefühlt hatten.

Reus hat eine ganz schwierige Zeit hinter sich, mit verpasster Weltmeisterschaft, mit vielen Verletzungen und einer Affäre um jahrelanges Autofahren ohne Führerschein, die allerlei unangenehme Spekulationen über seine Persönlichkeit und seine Psyche aufkommen ließen. Auf dem Platz hatte der Offensivmann seine draufgängerische Leichtigkeit verloren und damit den Kern seines Spiels. Nun sagte Thomas Tuchel, Reus sei wieder „so selbstbewusst, die Dinge mit der nötigen Freiheit zu tun“.

Marco Reus spielt wieder entschlossener als zuletzt

Der Schuss, mit dem er das 1:0 erzielte, hatte tatsächlich diese erstaunliche Klarheit, die seine Torabschlüsse in besten Zeiten kennzeichneten. Und sein zuletzt oft etwas zögerlich wirkendes Passspiel ist ebenfalls wieder entschlossener und intuitiver. Es scheint, als habe Reus die durch ein Foul im letzten Testspiel vor dem Abflug nach Brasilien verpasste WM 2014 endlich verarbeitet. „Das war natürlich ein einschneidendes Erlebnis in meinem Leben, diese Zeit bekomme ich nicht mehr zurück – und ich muss es so akzeptieren“, hat er in der Winterpause erklärt.

Das sind Sätze, die erahnen lassen, wie sehr Reus gelitten hat. Nun steht aber ein neues Jahr mit wunderbaren Chancen bevor. Im Sommer ist EM, der BVB ist in drei Wettbewerben gut dabei, und die Mannschaft entwickelt sich großartig. In Gladbach präsentierte das Team ein Meisterstück strategischer Flexibilität. Weil die Mannschaft von Trainer André Schubert ein ebenso riskantes wie kluges Pressing spielt, schlugen die Dortmunder viele lange Pässe wie zu Zeiten von Jürgen Klopp. Die Leichtigkeit, mit der diese Umstellung vom Ballbesitzfußball der Hinrunde auf diesen etwas anderen Stil gelang, war imponierend.

„Wir wollten extra nicht hinten herausspielen, weil die Gladbacher sehr viel Druck machen“, sagte Reus, der sich im Winter besonders gewissenhaft vorbereitet hat. Tuchel berichtete, wie „glücklich“ er über den Zustand sei, in dem sein sensibler Spieler aus dem Urlaub zurückgekommen ist. „Er hat da schon viel gearbeitet, er investiert in jedes Training, es ist greifbar, dass er auf sein höchstes Niveau zurückkommt“, sagte der zufriedene BVB-Trainer.

Reus nimmt sich Arjen Robben zum Vorbild

Reus befindet sich derzeit an einem ähnlichen Punkt, an dem auch der Münchner Arjen Robben einmal stand: Der dribbelnde Niederländer wurde oft gefoult, war enorm verletzungsanfällig und haderte mit sich selbst. Bis er sein Spiel etwas umstellte und passende Gegenmaßnahmen – regelmäßiges Yoga zum Beispiel – entwickelte und die richtigen Ärzte fand.

Auf der Suche nach solchen Lösungen ist nun auch Marco Reus, bei dem sich wohl überdies ein privater Glücksfall ergeben hat. Nach seinem Treffer in Mönchengladbach formte er mit seinen Fingern ein Herz, was einige Reporter als Zeichen alter Verbundenheit zur Borussia vom Niederrhein werteten. Das hätte er aber bestimmt erzählt, als er natürlich auf die Geste angesprochen wurde. Reus jedoch erwiderte: „Das ist vielleicht auch mein Geheimnis.“ Ein Geheimnis, das einen kleinen Teil beitragen könnte zu einem erfolgreichen Jahr nach einer harten Zeit.