Der BVB verliert das Pokalfinale gegen den FC Bayern – und Trainer Thomas Tuchel gibt sich selbst die Schuld an der Niederlage.

Sport: Marco Seliger (sem)

Berlin - Der Trainer Thomas Tuchel ist ein kritischer Geist. Ein Perfektionist. Ein Detailversessener. Ein Mann mit den höchsten Ansprüchen an seine Spieler. Und an sich selbst, wie es sich nach der Niederlage im Pokalfinale gegen den FC Bayern eindrucksvoll zeigte. Borussia Dortmund hatte das Elfmeterschießen vergeigt, Sven Bender und Sokratis verschossen. Die Defensivmänner, die beim 0:0 in den 120 Minuten vorher eine bärenstarke Leistung zeigten, waren am Boden zerstört. Thomas Tuchel war noch weiter unten. Wenn es ein tiefes Loch auf dem Rasen des Berliner Olympiastadions gegeben hätte, Tuchel hätte sich wohl reingelegt. Der Coach wollte im Erdboden versinken. Warum das so war? Tuchel kreidete sich die falsche Auswahl der Elfmeterschützen an.

 

Die entkräfteten Sven Bender und Sokratis traten auf eigenen Wunsch an – und trafen nicht. „Es wäre meine Aufgabe gewesen, das zu verhindern und andere in die Verantwortung zu nehmen“, sagte Tuchel: „In Bundesligaspielen habe ich Sven und Papa noch nie bei Elfmetern gesehen. Das nehme ich auf meine Kappe.“

Tuchel machte fast schon einen bemitleidenswerten Eindruck. Seine Enttäuschung über sich selbst hinterließ Spuren. Der Blick war leer, das Gesicht aschfahl. Das Gefühl, im entscheidenden Moment versagt zu haben, lähmte den Coach. Dabei ging es unter, dass es nicht falsch sein muss, Spieler, die antreten wollen, beim Elfmeterschießen auch ranzulassen.

Aubameyang vergibt die große Chance

Und dabei ging auch unter, dass Tuchel und sein Team im Finale einen großen Schritt machten. Auf Augenhöhe agierte die Borussia mit dem FC Bayern, was angesichts der Stärke der Münchner keine Selbstverständlichkeit ist. Wenn BVB-Stürmer Pierre-Emerick Aubameyang kurz vor Schluss frei stehend getroffen hätte, wäre es nicht zum Elfmeterschießen gekommen. Und Tuchel wäre womöglich der Strahlemann des Abends gewesen.

Hätte, wenn und aber bringen nichts auf dem Fußballplatz. Beim BVB herrschte Tristesse pur. Und dennoch: der Dortmunder Finalauftritt, er war trotz der Niederlage ein Fingerzeig für die Zukunft. Tuchels Mannschaft hatte Lösungen parat gegen den Rekordmeister. Vorne klappte der neue BVB-Mix aus Ballbesitzfußball und überfallartigen Angriffen nicht immer – einige Male aber stellte er die Bayern vor große Probleme. Und hinten profitierte der BVB von seiner Kompaktheit. Wenn die Borussia es schafft, den Abgang von Mats Hummels zu kompensieren und Schlüsselspieler wie Henrich Mchitarjan zu halten, ist sie auch im nächsten Jahr ein ernst zu nehmender Konkurrent für den FCB.

Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke blickte spät in der Berliner Nacht zuversichtlich in die Zukunft. „Wenn man aus einem Spiel Stärke ziehen kann, dann aus diesem“, sagte er, „wir können Berlin erhobenen Hauptes verlassen.“

BVB-Profis fühlen sich benachteiligt

Am Ende gab sich der BVB trotzig – auch, weil er sich vom Schiedsrichter benachteiligt fühlte. Bei einem Zweikampf zwischen Gonzalo Castro und Franck Ribéry Ende der ersten Hälfte fasste Ribéry dem BVB-Profi ins Gesicht – und erwischte mit dem Ringfinger das Auge. „Wenn eine Tätlichkeit nicht regelkonform bestraft wird, finde ich das spielentscheidend“, sagte der Dortmunder Außenverteidiger Marcel Schmelzer, „aber die Rote Karte ist nicht gekommen, obwohl der vierte Unparteiische zehn Zentimeter daneben steht.“

Wie 2013 im Champions-League-Finale, als Ribéry seinen Ellbogen ins Gesicht von Robert Lewandowski schlug, und 2014 im Pokalfinale, als Mats Hummels die Kugel über die Linie köpfte, der Treffer aber nicht gegeben wurde, fühlt sich der BVB benachteiligt. „Geschichte wiederholt sich. Wir haben einen Hattrick von Endspielen, die der Schiedsrichter wesentlich beeinflusst hat“, sagte Hummels: „Niemand im Stadion hat nicht gesehen, was passiert ist.“