Die Fertigung im Ausland sichert auch Arbeitsplätze in Deutschland, darin sind sich Geschäftsführung und Betriebsrat bei Bosch einig.  

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Stuttgart - Über die wohltuende Wirkung der Aktivitäten im Ausland ist man sich im Inland ziemlich einig: "Die Internationalisierung hat dazu geführt, dass Arbeitsplätze in Deutschland gesichert wurden", lobt Hans Baur. Der Erste Bevollmächtigte der IG Metall ist sich sicher, dass das weltweite Engagement der Stuttgarter Robert Bosch GmbH eher Segen als Fluch für die Beschäftigung in Stuttgart ist.

 

Ähnlich sieht dies auch Hartwig Geisel, Betriebsratsvorsitzender im Werk Feuerbach: "Das gibt dem Unternehmen eine große Stabilität," so die Erfahrung von Geisel, "davon profitieren auch die Beschäftigten in der Region".

Rudolf Colm, der für weite Teile des internationalen Geschäfts zuständige Geschäftsführer, muss also keine Sorge haben, dass ihm Arbeitnehmervertreter und Gewerkschaft in die Parade fahren, wenn er die Aktivitäten des Schwaben-Konzerns rund um den Globus preist: "Ohne die Internationalisierung hätten wir in Deutschland deutlich weniger Arbeitsplätze" - dieser Diagnose von Colm stimmen auch die Vertreter der Beschäftigten zu.

Bosch legt Wert auf partnerschaftliche Beziehungen

Die Kultur des Konzerns ist in der Regel ohnehin eher partnerschaftlich geprägt, Konflikte gibt es äußerst selten. Das gilt auch für das Engagement unter fremden Sternen. Glaubt man Colm, lässt sich Bosch nicht in erster Linie von niedrigen Löhne locken.

Das Unternehmen will mit seinen Auslandsaktivitäten auch keineswegs eine Drohkulisse aufbauen, um massive Zugeständnisse der Beschäftigten im Inland zu erzwingen. Im Vordergrund steht für ihn anderes: "Wir müssen alle Märkte bedienen und wir müssen auch auf allen Märkten einkaufen", meint Colm zur Strategie des Konzerns.

Nicht nur die Belieferung fremder Märkte von Deutschland aus, sondern eben auch durch eigene Fabriken im Ausland hat sich Bosch praktisch schon von der Gründung an auf die Fahnen geschrieben: Bereits 1905 wurde in Paris die erste Fabrik jenseits der Grenzen errichtet - Frankreich, aber auch England, beides Länder mit einer aufstrebenen Autoindustrie, sollten von dort mit Magnetzünder beliefert werden.

Schon früh strebte Bosch die Globalisierung an

Auch der Sprung über den großen Teich ließ nicht lange auf sich warten: Schon 1912 begann die Produktion im ersten US-amerikanischen Werk in Springfield, Massachusetts. Den Erfolg des Magnetzünders in den USA, dem damals dynamischsten Automarkt der Welt, glich, so sagte es der nicht gerade zu propagandistischen Übertreibungen neigende Unternehmensgründer Robert Bosch einmal, "einem wahren Triumphzug".

Die weltweite Tätigkeit schon in den Anfangsjahren des Konzerns trug wohl wesentlich dazu bei, dass das Stichwort "Globalisierung" nicht wie ein Schreckgespenst durch Werkhallen und Büros geistert. "Bosch hat Erfahrung mit der Internationalisierung", meint etwa Geisel.

Natürlich weiß auch der Feuerbacher Betriebsratschef, dass es nicht immer ohne Schrammen und Probleme geht: "Da gibt es Sieger und Verlierer", meint Geisel denn auch. Die weltweite Tätigkeit, da ist sich Geisel sicher, ist mit ein Grund dafür, dass es Verschiebungen innerhalb der Belegschaft gibt. "In Feuerbach arbeiten 11.000 Beschäftigte", sagt der dortige Betriebsratsvorsitzende, "das sind so viele wie vor 15 Jahren".

Personalbedarf hat sich verändert

Allerdings: Heute sind in dem Stuttgarter Ortsteil rund 8.000 Angestellte und 3.000 gewerbliche Arbeitnehmer tätig. "Vor 15 Jahren war das genau umgekehrt," berichtet Geisel. Die internationalen Aktivitäten sind zwar keineswegs alleinige Ursache für die sinkendes Zahl der Blaumänner in den Fabriken, aber sie beschleunigen diesen Trend, dem sich etwa die Gewerkschaften weder widersetzen können noch wollen:

"Man braucht eine andere Belegschaft, mehr Techniker, mehr Ingenieure", sagt Geisel. Die Konsequenz: Der Betriebsrat versucht gar nicht erst, den fahrenden Zug zu stoppen, sondern setzt auf Abkommen mit der Geschäftsführung zur Qualifizierung der Beschäftigten.

Chinesischer Markt bietet großes Potenzial

Besonders wichtig wurde solches in der jüngsten Welle der Globalisierung mit der Erschließung der asiatischen Märkte. Zwar ist Bosch, zunächst über eine Vertretung, etwa in China schon seit mehr als 100 Jahren präsent - doch aus dem lauen Lüftchen, das von Bosch im Reich der Mitte kündete, wurden inzwischen ein regelrechter Wirbelwind: Mit nicht weniger als 20 Fabriken, in erster Linie Joint Ventures mit einheimischen Unternehmen, ist Bosch heute in China vertreten.

Hergestellt werden Elektrowerkzeuge, Verpackungsmaschinen, Komponenten für die Fahrzeugindustrie, auch Warmwassergeräte, Hausgeräte, oder Sicherheitssysteme "Das ist eine Fertigung für den lokalen Markt", so Colm, beliefert werden sowohl ausländische Autobauer als auch rein chinesische Hersteller.

Produktion im Ausland - das bedeutet für Colm, der selbst mehr als vier Jahre die Aktivitäten in der Region Asien-Pazifik koordiniert hat, auch den Ausbau von Forschung und Entwicklung in anderen Ländern. "Es gibt immer verschiedene Spezialanforderungen, so müssen etwa bestimmte Komponenten in China an sehr preisgünstige Fahrzeuge angepasst werden".

Trotz Globalisierung bleibt die Führungsriege in Deutschland

Mehr Forschung und Entwicklung jenseits der Grenzen aber bedeutet keineswegs Abbau und Arbeitsplatzverlust im Inland: "Die Kompetenz für den gesamten Konzern bleibt in wesentlichen Teilen in Deutschland", sagt Colm.

Natürlich steht China bei allen Diskussionen über die Globalisierung besonders im Rampenlicht - doch Bosch setzt nicht nur auf das Land des Drachens. "Ganz entscheidend für uns sind die Bric-Staaten" erklärt Colm, also Brasilien, Russland, Indien und China.

Die Staaten, von denen viele hoffen, sie würden zur Lokomotive der Weltwirtschaft, sind für Bosch keineswegs Neuland: Seit 1953 gibt es eine Fertigung in Indien, seit 1957 steht ein Werk im brasilianischen Campinas. "Unser Ziel ist, dass möglichst überall dann auch ein einheimisches Management die Tochterunternehmen leitet," erklärt der Bosch-Geschäftsführer.

Auch Käufe von im Ausland tätigen Unternehmen gehören zur Strategie

Auf fremde Märkte wollen die Schwaben aber nicht nur vorstoßen, indem dort eigene Fabriken gegründet oder Gemeinschaftsunternehmen aus der Taufe gehoben werden. Zur Strategie gehört auch, Unternehmen zu kaufen, die im Ausland bereits aktiv sind. Und das dürfen auch durchaus deutsche sein: "Das war zum Beispiel so, als wir Mannesmann-Rexroth gekauft haben", sagt Colm.

Der Automatisierungsspezialist aus Lohr am Main, nur rund 180 Kilometer von Stuttgart entfernt, beflügelt seit Jahren die Geschäfte der Schwaben auf anderen Kontinenten.

Colm indes weiß auch noch einen weiteren Grund für Zukäufe - und diese können dann durchaus auch schon mal in einem Hochlohnland stattfinden. Gekauft wird, so es denn passt, nicht nur in Asien, sondern auch mitten in Europa: "In der Schweiz haben wir einen Hersteller von Verpackungsmaschinen erworben", berichtet der Bosch-Geschäftsführer. "Dabei hat uns besonders die hohe Kompetenz des Unternehmens gereizt". Zu bieten hatten die Eidgenossen Erfahrungen, die nicht überall auf der Welt anzutreffen sind: Zu verpacken war ein Produkt, bei dem die Schweiz einen guten Namen hat - Schokoriegel.

Das Ausland bietet Potenzial für neue Tätigkeitsfelder

Doch trotz eines solches Engagements - niedrige Löhne lässt sich natürlich auch Bosch nicht immer entgehen. So etwa, um bei bestimmten Elektrowerkzeugen mit der chinesischen Konkurrenz mithalten zu können. So aber auch, als nach der Wende in Osteuropa die Marktwirtschaft eingeführt wurde. "Da hieß es schon öfters mal, Tschechien ist billiger", erzählt Betriebsrat Geisel, "das haben wir aber inzwischen hinter uns".

Inzwischen nämlich gebe es, auch wegen der Interventionen des Betriebsrats, "eine klare Rollenverteilung, die deutschen Werke sind die Leitwerke." Ausbau des internationalen Geschäfts - das bedeutet für Bosch oftmals auch eine Erschließung neuer Tätigkeitsfelder.

So wurde dieses Jahr im französischen Mondeville mit der Produktion von Antrieben für Elektrofahrräder begonnen. In Malaysia, wo das Unternehmen schon seit 1923 präsent ist, setzt der Konzern auf die Kraft der Sonne. Rund 520 Millionen Euro werden dort in eine Solarfabrik gesteckt, die vor allem den asiatischen Markt beliefern soll.

Viele Gespräche mit Mitarbeitern nötig

Dies aber bedeutet keineswegs den Verzicht auf ähnliche Aktivitäten in Europa. Im Gegenteil: Die Zahl de Mitarbeiter in Arnstadt in Thüringen, wo Bosch ebenfalls im Fotovoltaikgeschäft aktiv ist, soll weiter steigen.

Geisel will gar nicht bestreiten, dass auch das Engagement rund um den Globus "dem Mann an der Werkbank etwas Angst macht", dass viele Gespräche mit den Mitarbeitern nötig sind, um sie vom Segen der Internationalisierung zu überzeugen.

Doch den durch die Globalisierung ausgelösten Wandel des Konzerns hätten Betriebsrat und Geschäftsführung inzwischen "weitgehend geregelt", meint Geisel. Was ihm weit mehr Kopfzerbrechen bereitet, ist die Tatsache, dass mit immer weniger Menschen immer mehr produziert werden kann: "Wir haben eher mit der Steigerung der Produktivität zu kämpfen als mit der Globalisierung", glaubt der Feuerbacher Betriebsratschef.

Trotz Globalisierung: Bosch bleibt ein schwäbisches Unternehmen

Für den IG-Metall-Bevollmächtigten Baur handelt es sich bei der Globalisierung auch um eine über das Unternehmen hinausgehende Grundsatzfrage: "Es geht prinzipiell nicht, dass wir die Welt mit unserer Waren überschwemmen, ohne dass andere Länder entwickelt werden" - und sei es eben mit Investitionen aus Stuttgart.

Doch trotz aller Aktivitäten unter fremden Sternen will Bosch seine Ursprünge nicht verleugnen. "Wir sind in zehn Jahren noch ein weltweit tätiges Unternehmen mit schwäbischen Wurzeln", sagt Colm vorher.