Wie bekommt man Fachkräfte in die schwäbische Provinz? Bosch versucht es mit einem Bus. Das Sindelfinger Daimler-Werk betreibt seit Jahrzehnten diese Art der Personalbeförderung – allerdings mit weniger Komfort.

Renningen/Sindelfingen - Spencer ist einer der Mitarbeiter am Bosch-Campus in Renningen. Der 1,93 Meter große Roboter ist so intelligent, dass er einmal Passagieren an großen Flughäfen helfen könnte, den richtigen Weg zu finden. Das Forschungslabor Robotik und das Bosch-Center für Künstliche Intelligenz (KI) sind dabei nur zwei der Bereiche am Forschungsstandort des Autozulieferers in Renningen. Die Arbeit müssen dort noch immer die Menschen erledigen: „Unsere Herausforderung ist es dabei, junge, qualifizierte Mitarbeiter zu finden“, sagt die Bosch-Personalreferentin Andrea Lanno. Mit einem Bus holt das Unternehmen deshalb seit einem Jahr seine Mitarbeiter in Stuttgart ab. Diese Art der Personalbeförderung praktiziert das Sindelfinger Daimler-Werk schon lange.

 

Apple und Google sind die Konkurrenz

1900 Mitarbeiter aus 60 Nationen tüfteln und forschen mittlerweile auf dem Bosch-Campus mit dem großen, markanten Hochhaus. Gerade im Bereich Künstliche Intelligenz stehe das Unternehmen in starker Konkurrenz zu Apple und Google, erklärt Andrea Lanno. Die Konzernleitung muss Anreize schaffen, damit junge Ingenieure nicht nach Santa Clara oder Cupertino in Kalifornien abwandern, sondern in die schwäbische Provinz kommen. Eines der Lockmittel ist der City-Link.

Blau-glänzend und per Aufschrift für den „Campus Renningen“ werbend, fährt er nun seit mittlerweile genau einem Jahr durch die Region. Der Geschäftsleiter der Bosch-Forschung in Renningen, Thomas Kropf, zieht eine positive Bilanz: „Dass der Bus so voll ist, hat uns überrascht.“ Rund 600 Mitarbeiter sind derzeit registriert, mehr als 120 davon sitzen jeden Tag im City-Link. Der Bus verbindet die Stuttgarter Stadtmitte vom Rotebühlplatz aus mit dem Bosch-Campus in Malmsheim. Schließlich wohnen viele der Renninger Bosch-Mitarbeiter in den urbanen Stadtteilen Stuttgart-Mitte, -West und -Süd.

Fahrgemeinschaften per App

Bei einem Workshop zum betrieblichen Mobilitätsmanagement ist die Idee zu dem Bus entstanden, die das breite Angebot an die Mitarbeiter ergänzt. Per App können die Pendler zum Beispiel auch Fahrgemeinschaften finden. In Verhandlungen mit dem VVS hat Bosch bereits für eine gute Anbindung des öffentlichen Nahverkehrs an den S-Bahnhof in Renningen gesorgt. „Wir wollen nicht in Konkurrenz zum öffentlichen Nahverkehr gehen“, sagt Thomas Kropf. Dass Pendler aber in einer halben Stunde von der attraktiven Wohngegend in Stuttgart-Mitte nach Renningen kommen, ist unschlagbar. Der Malmsheimer Standortleiter ist darum von diesem Angebot überzeugt. „Unsere Mitarbeiter könnten alle im Silicon Valley arbeiten“, sagt er. „Da helfen solche Maßnahmen, Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten.“

Bei Daimler befördern Busse die Produktionsmitarbeiter

Bei Daimler dient der Bus seit Jahrzehnten vor allem dazu, die Arbeiter pünktlich nach Sindelfingen zu bringen. Das Mercedes-Benz-Werk kooperiert laut Auskunft des Unternehmens derzeit mit 13 Busunternehmen aus der Region, „um eine Anbindung für unsere Mitarbeiter aus mehr als 200 Ortschaften für alle Schichtmodelle zu ermöglichen“. Ein Bus startet beispielsweise um 4.20 Uhr im Pforzheimer Stadtteil Büchenbronn an und fährt im Werk verschiedene Gebäude an. Um 14.27 Uhr geht es zurück, die Monatskarte kostet 135 Euro. Neben dem bezuschussten Jobticket bietet der Konzern seinen Mitarbeiter mit Flinc seit Februar noch eine Mitfahrgelegenheitsapp für den Pendler-Verkehr rund um das Mercedes-Benz-Werk Sindelfingen an.

So komfortabel wie im City-Link geht es in den Pendlerbussen allerdings nicht zu. „Das ist für mich ein vollwertiger Arbeitsplatz“, berichtet der Ingenieur Eckart Mayer-John, der den City-Link werktäglich nutzt. Per WLAN im Bus loggt er sich ins Bosch-Netz ein. Vorher sei er mit dem Auto nach Renningen gefahren, das hat er aufgegeben. Zumal er sich bei der Fahrt auch mit Kollegen aus ganz anderen Bereichen austauschen kann. Fünfmal täglich fährt der City-Link morgens von Stuttgart nach Renningen, nachmittags wieder fünfmal zurück. Für die Mitarbeiter sind die Fahrten kostenlos. Wie viel sich Bosch den Komfort kosten lässt, wird nicht verraten. „Wir sehen es auch als Beitrag an, die Schadstoffe und die Staus in der Region zu verringern“, sagt Thomas Kropf. Aufgrund der positiven Resonanz wurde die Testphase für die Verbindung bis Ende 2019 verlängert, um weitere Erfahrungen zu sammeln. „Schließlich haben immer weniger junge Leute ein eigenes Auto“, sagt die Personalreferentin Andrea Lanno.