In den nächsten Jahren will Bosch in Reutlingen 500 Millionen Euro investieren. Im Bereich Automotive Electronics beschäftigt der Stuttgarter Zulieferer dort rund 8000 Mitarbeiter.

Stuttgart - Die zunehmende Elektrifizierung und Automatisierung der Fahrzeuge treibt den Bedarf an Halbleitern in die Höhe. Bereits heute stecken in jedem neuen Auto Chips im Wert von 370 Dollar (325 Euro), hat der ZVEI, der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie, ausgerechnet – Tendenz steigend. Die elektronischen Winzlinge regeln nicht nur den Antrieb und das Fahrverhalten der Autos. In den Navigationsgeräten sind sie es, die die Richtung errechnen. Oder sie sagen dem Airbag, wann er auslösen soll. Aber nicht nur Autos, auch Smartphones, Maschinen und Anlagen, Küchengeräte sowie Fitnessarmbänder benötigen Halbleiter. Gigantische 451 Milliarden Dollar (396 Milliarden Euro) werden weltweit in diesem Jahr mit den Winzlingen umgesetzt, schätzen die Marktforscher von Gartner. Die Angaben zum Marktwachstum differieren stark – je nach Quelle liegen die geschätzten Zuwachsraten zwischen fünf und 20 Prozent. Vor allem die Autoindustrie, die bisher zwar nur für rund elf Prozent des Halbleitermarkts steht, bringt die Zuwächse. Auch Speicherchips, die ausschließlich Daten speichern, treiben das Wachstum.

 

Einer der großen Anbieter im Halbleitermarkt

Der Zulieferer Bosch ist einer der großen Anbieter im Halbleitermarkt für Autos – neben Chipherstellern wie Infineon, Texas Instruments, NXP oder ST Microelectronics. 2016 hatte weltweit jedes neu zugelassene Fahrzeug im Schnitt mehr als neun Chips von Bosch an Bord, hat der Stuttgarter Zulieferer ausgerechnet. Aktuellere Zahlen veröffentlicht er nicht. „Bei Halbleitern für Autos spielen wir einen einzigartigen Vorteil aus: Nur Bosch ist gleichzeitig in der Automobil- und Halbleiterindustrie zu Hause“, sagt Jens Fabrowsky, Mitglied des Bereichsvorstands des Bosch-Geschäftsbereichs Automotive Electronics. Bosch selbst ist denn auch einer der wichtigsten Kunden seiner elektronischen Winzlinge, die in Reutlingen gefertigt werden. Welcher Anteil der Reutlinger Produktion konzernintern in den Werken verbaut wird, wollte eine Sprecherin nicht sagen. Auch Fragen zur Höhe des Umsatzes dieser Sparte, des Exports oder der Zahl der Mitarbeiter blieben – mit Hinweis auf den Wettbewerb – unbeantwortet. Nur so viel: Rund 8000 Mitarbeiter beschäftigt Bosch in Reutlingen im Bereich Automotive Electronics. Dies umfasst aber nicht nur das Halbleiterwerk, das 2010 eingeweiht wurde, sondern auch andere elektronische Bauelemente sowie Sensoren. Und Bosch beliefert nicht nur sich selbst und andere Autohersteller mit seinen elektronischen Winzlingen. In mehr als jedem zweiten Smartphone weltweit sowie in Fitnessarmbändern, Flugdrohnen, und Spielekonsolen steckt Bosch-Technik.

Die Geschäfte scheinen gut zu laufen

Auch wenn sich der Zulieferer wortkarg gibt, scheinen die Geschäfte gut zu laufen. Erst vor Kurzem hat die Geschäftsleitung mit den Arbeitgebervertretern eine Beschäftigungssicherung unterschrieben, in der betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2025 ausgeschlossen sind. Dafür wurde unter anderem die Arbeitszeit flexibilisiert. Bosch hat dafür zugesagt, in den nächsten Jahren 500 Millionen Euro in den Standort zu stecken. Investiert werden soll unter anderem in eine neue Halbleitertechnologie. Einen konkreten Zeitplan dafür gebe es aber noch nicht, sagte eine Sprecherin.

Bosch investiert nicht nur in Reutlingen. Auch in Dresden baut der Technologiekonzern eine moderne Halbleiterfabrik, die rund eine Milliarde Euro kosten und 2021 die Fertigung aufnehmen soll. Es sei die größte Einzelinvestition in der Firmengeschichte, heißt es bei Bosch. Bis zu 700 Mitarbeiter sollen dort einmal tätig sein. In Sachsen werden Chips in der 300-Millimeter-Technologie produziert; im Vergleich zur bisher üblichen 150- und 200-Millimeter-Technologie können künftig mit den größeren Siliziumscheiben (Wafern) mehr Chips zeitgleich hergestellt werden.

Bosch reagiert auf den Bedarf und schafft zusätzliche Kapazitäten

Bosch reagiert auf den Bedarf an Elektronik. Wegen Engpässen bei solchen Komponenten war es im Frühjahr zu Lieferverzögerungen von bis zu neun Monaten etwa im Maschinenbau gekommen. Mittlerweile hat sich die Lage etwas entspannt. Laut Dietrich Birk, Hauptgeschäftsführer des Maschinenbauverbands VDMA in Stuttgart, gibt es zwar noch Engpässe, aber weniger als zu Jahresbeginn. 27 Prozent der vom Münchner Ifo-Institut befragten Maschinenbauer klagen über Materialengpässe, im Frühjahr waren es 36 Prozent.