Auch beim Tennisturnier auf dem Stuttgarter Weissenhof hält die Moderne Einzug. Das elektronische Linienüberwachungssystem hat das menschliche Auge abgelöst. In naher Zukunft soll das Linienpersonal ganz abgeschafft werden.

Sport: Gregor Preiß (gp)

Die Stimme ist laut und klingt blechern: „Out!“ und „Fault!“ dröhnt es über den Center-Court bei den Boss Open, wenn ein Ball das Feld verfehlt hat. Knappe Entscheidungen werden auf der LED-Leinwand präsentiert. Was nicht selten zu einem Raunen im Publikum führt, wenn ersichtlich wird, dass der Ball nur gefühlt im Aus war, in Wirklichkeit aber noch mit einer Filzfaser die Linie gekratzt hat.

 

Willkommen in der neuen Lebenswirklichkeit des Tennis, in der es eine jahrzehntealte Institution in Stuttgart nicht mehr gibt: Linienrichter. Bereits vor zwei Jahren wurden sie im Zuge der Coronamaßnahmen teilweise durch „Electronic Line Calling“(ELC) ersetzt. Jetzt steht das System endgültig vor dem Durchbruch. Vor wenigen Wochen kündigte die Spielervereinigung ATP an, auf der Herrentour ab 2025 weltweit ohne Linienrichter auszukommen.

Das System meldet sogar Fußfehler beim Aufschlag

Maschine statt Mensch, computergesteuerte Präzision statt menschliche Fehleranfälligkeit. „Dies ist ein Meilenstein für unseren Sport“, sagt ATP-Chef Andrea Gaudenzi. „Tradition ist zwar der Kern des Tennis. Allerdings haben wir die Verantwortung, Innovationen anzunehmen.“ Auch die Spieler begrüßen den Schritt. „Die Technologie ist auf einem hohen Level. Vor allem auf Sand ist sie sehr hilfreich“, sagte Frances Tiafoe nach seinem Viertelfinalerfolg gegen Lorenzo Musetti.

Bei der Live-Version des ELC handelt es sich um die Weiterentwicklung des 2006 eingeführten ELC Review – besser bekannt unter dem Herstellernamen Hawk-Eye. Das Hilfsmittel, das bei strittigen Entscheidungen punktuell herangezogen werden konnte. Nun läuft alles komplett automatisiert ab. ELC Live meldet sogar Fußfehler.

Wobei die Technik zumindest auf menschliche Unterstützung angewiesen ist. Controller sitzen vor kleinen Geräten, um dem System vor jedem Ballwechsel die Aufschlagrichtung anzuzeigen. Ob Vorhand- oder Rückhandseite, kann die Technik nicht erkennen. Noch nicht. Und wer weiß, wo die Entwicklung noch hinführt. Altstar John McEnroe denkt bereits über das Ende der Stuhlschiedsrichter nach.

John Mc Enroe sinniert bereits über das Ende der Schiedsrichter

Immerhin als stille Reserve gibt es menschliches Linienpersonal noch. In Stuttgart hält sich eine achtköpfige Notfall-Truppe bereit. Es könnte ja zu einem technischen Ausfall des ELC kommen.