Zwei Schnellkochtöpfe dienten beim Bombenbau als Basis. Mehr wissen die US-Ermittler nach dem Anschlag von Boston noch nicht. War es ein Täter oder eine Gruppe? Präsident Obama nannte den Anschlag einen Terrorakt.

Boston - Die Bomben von Boston sollten offenbar so viele Menschen wie möglich töten und verstümmeln. Nach dem verheerenden Anschlag auf die Marathonstrecke in der Millionenstadt an der amerikanischen Ostküste gelang es jetzt Ermittlern, die Sprengsätze zu rekonstruieren. Nach Angaben der Bundespolizei FBI bestanden die beiden selbst gebauten Bomben aus handelsüblichen Schnellkochtöpfen, die mit Nägeln, Stahlkugeln und Schwarzpulver gefüllt waren. Die Rohrbomben wurden aller Wahrscheinlichkeit nach nicht ferngezündet, sondern waren mit einer Eieruhr verbunden, die als Zeitzünder diente.

 

Die Schrapnelle aus den Sprengsätzen richteten Verletzungen vor allem an den unteren Gliedmaßen der Opfer an. Mehreren Menschen mussten Beine amputiert werden. Ärzte am Massachusetts Generals Hospital zeigten sich schockiert. „So etwas habe ich in 25 Jahren nicht gesehen“, sagte Alasdair Conn, Chefarzt der Notaufnahme in dem Bostoner Krankenhaus. Verletzungen dieser Art gebe es üblicherweise nur im Krieg. Beim schlimmsten Anschlag in den USA seit dem 11. September 2001 starben drei Menschen, unter ihnen ein acht Jahre alter Junge. 176 Menschen wurden mit zum Teil schweren Verletzungen in die Krankenhäuser gebracht, 17 von ihnen befinden sich noch in kritischem Zustand.

Die simple Bauweise macht die Fahndung nicht leichter

Das FBI erklärte, die Bombenreste würden in einem Labor in Quantico im Bundesstaat Virginia näher untersucht. Die Ermittler konzentrieren sich momentan auf die Theorie, dass der oder die Täter die Sprengsätze in einer Tasche oder einem Rucksack aus schwarzem Nylon an den Tatort gebracht haben. Entsprechende Stoffreste wurden in der Nähe der Marathon-Ziellinie gefunden. Die Aufschrift „6 L“ auf einem der Fundstücke könnte nach Ansicht der Forensiker ein Hinweis sein, dass es sich um einen Druckkochtopf mit einem Fassungsvermögen von sechs Litern handelte. Auch hoffen die Ermittler dadurch, Marke und Hersteller identifizieren zu können, um dadurch vielleicht Informationen über den oder die Käufer zu bekommen. Die „New York Times“ meldete, die Kochtöpfe seien vielleicht von der spanischen Firma Fagor hergestellt worden. Diese habe Werke in sechs Ländern, darunter China und Marokko. Das Unternehmen verkaufe jährlich etwa 50 000 der sechs Liter fassenden Kochgeräte in den USA, so eine Fagor-Sprecherin.

Die relativ simple Bauweise der Bomben macht die Fahndung nach den Attentätern nicht einfacher. „Es könnte sich um einen Einzeltäter handeln“, sagt Bruce Hoffman, Antiterrorspezialist an der Georgetown-Universität in Washington. Die Suche werde dadurch erschwert. „Wenn wir Terroristen zu fassen bekommen, dann normalerweise deshalb, weil sie Teil einer Verschwörung sind und miteinander kommunizieren“, sagte er. Das FBI erklärte kurz nach dem Anschlag, dass es vor dem Marathon keine Hinweise gegeben habe, die auf ein bevorstehendes Attentat hätten schließen lassen. Das FBI sagte auch am dritten Tag nach dem Anschlag nicht, ob es einen Einzeltäter oder eine Gruppe hinter den Explosionen vermutet. Auch die Frage, ob einheimische Extremisten oder ausländische Terroristen für die Bluttat verantwortlich sind, bleibt weiter unbeantwortet.

Obama: ein Terrorakt

Präsident Barack Obama, der am Donnerstag an einer Gedenkfeier für die Opfer in Boston teilnehmen will, nannte den Anschlag einen Terrorakt. Er räumte ein, dass es noch keine Hinweise gebe, wer für die Tat verantwortlich sei. Die Heimatschutzministerin Janet Napolitano sagte, der Anschlag sei nach jetzigem Kenntnisstand nicht Teil einer größeren Verschwörung gegen die USA. An Verkehrsknotenpunkten im Land würden aber weiter höhere Sicherheitsstufen gelten.

Die Suche nach den Bombenlegern könnte sich noch lange hinziehen. Denn laut Ermittlern spricht die Verwendung von Schnellkochtöpfen als Bauteil der Bomben sowohl für Amerikaner als auch für Ausländer als mögliche Täter. Rohrbomben wie jene in Boston wurden in früheren Jahren in Afghanistan, Indien, Nepal und Pakistan für Anschläge benutzt. Das Terrornetzwerk Al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel hat in seinem englischsprachigen Online-Auftritt Anleitungen für den Bau solcher Sprengsätze verbreitet. Auch Faisal Shahzad, der im Mai 2010 einen Autobombenanschlag auf dem Times Square in New York verüben wollte, hatte seinen Sprengsatz aus einem Schnellkochtopf gebaut.

Allerdings ähneln die Bomben auch den Sprengsätzen, die Eric Rudolph für den Anschlag im Olympiastadion von Atlanta 1996 verwendete. Rudolph, ein fanatischer Abtreibungs- und Homosexuellengegner, hatte keine Verbindung zu islamistischen Terroristen.