Die Bands Botschaft und Scharping zelebrieren bei ihrem Konzert im Stuttgarter Kulturzentrum Merlin die Achtzigerjahre – jede auf ihre Weise. Und Kevin Kuhn hat viel zu tun.
Stuttgart - Jeder ist ersetzbar. Wenn der Tastenmann nicht da sein kann, kommt der Synthesizersound beim Konzert der Band Botschaft im Stuttgarter Kulturzentrum Merlin eben aus dem iPad. Weshalb das Publikum am Freitagabend sich auf die anderen, nicht minder interessanten Aspekte der Hamburger Gruppe und ihres Debütalbums „Musik verändert nichts“ konzentrieren kann. Dazu zählt zweifellos die wunderbar weiche Gesangsstimme von Malte Thran, die an Jochen Distelmeyer erinnert. Schließlich könnte auch der Blumfeld-Frontmann Zeilen singen wie „An der Promenade gehen die Menschen / Allein oder zu zweit / Und starren auf das Ufer / Der Aussichtslosigkeit“.
Musikalisch referenzieren Botschaft vor allem auf die Achtzigerjahre. Das Schlagzeug unterlegt federnd die stellenweise herrlich verwaschenen Gitarrenakkorde, dazu ein agiler Bass. Nichts drängt sich in den Vordergrund, alles fügt sich zu einem samtig-nostalgischen Gesamtbild. In der mit einem wunderbaren Video in VHS-Optik versehenen Single „Sozialisiert in der BRD“ besingt Malte Thran eine westdeutsche Kindheit, wie sie so vielen nachhängt, die noch als Erwchsene vor elterlicher Kleinstadtenge und Konsumismus davonlaufen oder aber all das mittlerweile selbst leben, und sei es nur als Zitat.
Wodka-Lemon ist für Loser
Was einen unmittelbar zur Vorband Scharping führt. Deren Sänger Jermain Herold tritt im perfekt klischeehaften Yachtclub-Outfit auf die Bühne, nur um irgendwann unter Kevin Kuhn zu liegen. Der spielt normalerweise Schlagzeug, zum Beispiel bei Die Nerven, hat in diesem Fall aber einen Bass umgeschnallt und ist im schwarzen Heavy-Metal-Bandshirt nicht minder achtzigerjahremäßig gekleidet. Die Gitarre bedient Angelo Fonfara, Sohn des Stuttgarter Gitarristen Teflon Fonfara, und der Schlagzeuger trägt ein SSV-Ulm-Trikot. Eine ziemlich lustige und recht schwäbische Reisegruppe also, die musikalisch vielleicht unter Schrammelrock einsortiert werden könnte. In den Songs geht es um Wodka-Lemon („ein Getränk für Loser!“) oder die Langeweile in Berlin-Schöneweide. Dazu permanentes Gewusel auf und vor der Bühne, schräge Ansagen und unzählige Instrumentenwechsel.
Manch einer würde das albern finden, wahrscheinlich zu Recht. Am Ende ist das ein großer Spaß, zumal Scharping bei der Zugabe noch einmal auf die Bühne geholt werden – und das recht überschaubare Publikum den Yachtclub-Sänger mit vereinten Kräften crowdsurfen lässt. Es mag um den Rock’n’Roll nicht so gut stehen, aber für einen unterhaltsamen Abend reicht es allemal.