Ex-Manager Bernd Bönte über die Brüder „Die Klitschkos sind keine Maulhelden“

Bernd Bönte (links), hier 2009 vor einem Fight in Stuttgart mit Vitali Klitschko Foto: Bauma/n

Bernd Bönte, Ex-Manager und Vertrauter der früheren Boxweltmeister Vitali und Wladimir Klitschko, sieht den Kampf der Brüder und der Ukrainer um ihre Freiheit mit großer Sorge.

Stuttgart - Als Manager von Wladimir und Vitali Klitschko war Bernd Bönte einer der einflussreichsten Männer im Boxsport. Derzeit fürchtet er um das Leben seiner Freunde – und fühlt sich wie in einem Albtraum.

 

Herr Bönte, mit welchen Gefühlen blicken Sie auf den Krieg in der Ukraine?

Mit Sorge. Mit Trauer. Mit Entsetzen. Da kommt alles zusammen. Es ist ein Desaster, das einem surreal vorkommt. Doch leider ist es die bittere Wirklichkeit.

Sie sind ein enger Vertrauter und Freund von Vitali und Wladimir Klitschko. Wie groß ist Ihre Angst um die Brüder?

Sehr groß.

Haben Sie Kontakt zu den beiden?

Ja, per Whatsapp. Ich habe Ihnen natürlich meine Unterstützung zugesagt, meine Anteilnahme ausgesprochen und meine Hoffnung ausgedrückt, dass sie gesund bleiben. Gerade weil ich mit ihnen fühle, ist ein engerer Kontakt derzeit nicht angesagt. Sie haben ganz andere Sorgen.

Was können Sie sonst noch tun?

Ich bete für sie, für alle Ukrainer und ihren Kampf gegen den russischen Aggressor. Und natürlich können wir alle mit Protesten und Demonstrationen auf der Straße sowie in den sozialen Medien auf diesen eklatanten Bruch des Völkerrechts aufmerksam machen und unsere Solidarität mit dem heroischen Kampf der Ukrainer für ihre Freiheit zeigen.

Es gibt Gerüchte, dass zumindest der Name Vitali Klitschko, der seit 2014 Bürgermeister von Kiew ist, auf der russischen Todesliste steht.

Das ist einerseits Spekulation. Andererseits wäre es nicht verwunderlich, schließlich ist er seit Jahren einer der Protagonisten des Widerstands. Er hat schon beim Maidan-Aufstand vor acht Jahren an vorderster Front für die Demokratie und die Orientierung in Richtung Europa gekämpft. So etwas wird in Moskau genau registriert.

Wo befinden sich die beiden derzeit?

Irgendwo in Kiew. Mehr weiß ich nicht. So viel aber ist klar: Es wäre viel zu gefährlich für sie, Hinweise auf ihren Aufenthaltsort zu geben. Sie müssen sich verstecken, befinden sich zumeist in geschützten Räumen.

Beide waren Schwergewichte im Boxen, haben als Weltmeister Millionen verdient. Warum riskieren sie in diesem Krieg ihr Leben?

Es geht nicht darum, wie viel Geld sie auf dem Konto haben. Wie ganz viele Ukrainer sind sie extrem verbunden mit ihrer Heimat. Sie kämpfen für höhere Werte, für eine freie, demokratische Ukraine. Sie setzen sich für ihre Ideale ein, zeigen Haltung. Und beweisen damit erneut, was jeder schon wusste: Sie sind keine Maulhelden.

Und zugleich zwei gute Beispiele für den Irrsinn dieses Krieges.

Richtig. Ihre Mutter ist Russin, ihr verstorbener Vater war Ukrainer. Ähnliche Konstellationen gibt es in ganz vielen Familien. Es sind Brudervölker, die gegeneinander kämpfen, das ist das eigentlich Unvorstellbare. Umso wichtiger ist, dass Wladimir und Vitali in ihren Botschaften auch immer wieder direkt die russische Bevölkerung ansprechen.

Werden sie gehört?

Beide sind auch in Russland sehr bekannt und durch ihre sportlichen Erfolge beliebt. Ihre Statements werden dort garantiert vernommen, auch wenn sie jetzt für ihre ukrainische Heimat sprechen. Vitali hat mir einmal erzählt, sein großer Traum sei, dass irgendwann eine Straße in Kiew nach ihm benannt wird – aber nicht für seine Leistungen im Boxring, sondern als Anerkennung für die Dinge, die er für sein Land getan hat. Für ihn bricht gerade sein Lebenswerk zusammen, das wissen und sehen die Leute. Seine Glaubwürdigkeit ist sehr groß.

Scheitert der Kampf der Ukrainer …

… dann wäre das fatal. Ihr Land würde zu einem russischen Satellitenstaat. Sie hätten nur noch die Alternative, sich von Russland aus steuern zu lassen oder ins Ausland zu gehen. Weil sie beides nicht wollen, ist der Widerstand der Ukrainer so heftig. Sie wissen, wofür sie kämpfen. Das hat Wladimir Putin unterschätzt. Verhältnisse wie in Russland will niemand in der Ukraine haben.

Kam die Eskalation aus Ihrer Sicht eigentlich überraschend?

Nein, der Konflikt schwelt seit Jahren. Übrigens auch bei Sportveranstaltungen.

Erzählen Sie!

2013 musste Wladimir gegen seinen russischen Kontrahenten Alexander Powetkin aus boxpolitischen Gründen seine WM-Titel in Moskau verteidigen. Bereits damals haben wir eine sehr feindliche Stimmung erlebt. Sport war für Russland immer ein gigantisches Marketinginstrument in eigener Sache – inklusive Staatsdoping.

Mittlerweile gibt es entsprechende Sanktionen von fast allen Verbänden.

Es ist die einzig richtige Maßnahme, alle russischen Teams von internationalen Wettbewerben auszuschließen. Endlich mal haben Verbände wie das IOC, die Fifa oder die Uefa, die sich ja sonst gerne an Diktatoren heranwanzen und vor allem das Geld im Blick haben, ihre sonstigen Interessen hintangestellt, wenn auch teilweise sehr spät und nur durch externen Druck.

Vitali und Wladimir Klitschko haben die meisten ihrer Kämpfe in Deutschland bestritten, sind hier sehr populär. Wie blicken sie derzeit auf Deutschland?

Auch sie haben sehr bedauert, dass vor allem Deutschland sich damals gegen den Nato-Beitritt der Ukraine ausgesprochen hat. Und jetzt, nach Kriegsbeginn, hat Deutschland zu lange gewartet, ehe die richtigen Schritte eingeleitet wurden. Aber das hat sich ja nun geändert – hoffentlich nicht zu spät.

Wo ist der Ausweg aus diesem Krieg?

Schwierig zu sagen. Wladimir Putin ist absolut unberechenbar. Er hat den Krieg lange geplant. Ich habe die russlandfreundliche Haltung vieler Politiker vor allem nach der Annexion der Krim 2014 nie verstanden. Gerhard Schröder, den ich als Kanzler sehr geschätzt habe, ist ja sogar zum Laufburschen Putins geworden, wie ihn der erst vergiftete und später inhaftierte Oppositionelle Alexei Nawalny sehr treffend bezeichnete.

Noch mal die Frage: Wo ist die Lösung?

Ich sehe derzeit keine. Zugleich bedeutet jeder weitere Tag Krieg noch mehr Tote auf beiden Seiten, noch mehr Leid, noch mehr Zerstörung. Das ist unfassbar traurig. Wenn ich morgens aufwache, wünsche ich mir, einen Albtraum erlebt zu haben. Doch es ist die bittere Realität, vor allem natürlich für die Ukrainer. Sie kämpfen mit ihren Herzen gegen eine unglaubliche militärische Übermacht, und wir schauen machtlos zu. Uns bleibt eigentlich nur die Hoffnung.

Auch auf ein Wiedersehen mit den Klitschko-Brüdern.

Das wäre mein größter Wunsch. Und trotzdem geht es natürlich nicht nur um sie. Wenn ich sehe, wie sich an der Grenze Mütter und Kinder von ihren Männern und Vätern verabschieden, die für die Verteidigung ihrer Heimat in den Krieg ziehen, dann zerreißt es mir das Herz. Das alles ist Wahnsinn.

Zur Person

Journalist
 Bernhard Fritz Peter Bönte, Jahrgang 1955, arbeitete nach seinem Studium zunächst beim BR und ab 1990 bei Sat 1 als Kommentator und Moderator. 1993 wechselte er zum Pay-TV-Sender Premiere.

Manager
 Von 2000 bis 2006 managte Bönte die Klitschko-Brüder, ab 2007 war er Mitinhaber der Klitschko Management Group. Von 2014 bis 2018 war er Mitglied des Aufsichtsrats des Hamburger SV. Heute leitet er eine Sportmanagementagentur.

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