Der Brackenheimer Dekan Jürgen Höss entwickelt viel Kreativität, um Schäden an der Decke seiner Jakobuskirche zu beseitigen.

Stuttgart - Mit einem gusseisernen, mittelalterlich anmutenden Schlüssel öffnet Jürgen Höss die Seiteneingangstür zur evangelischen Jakobuskirche und winkt einladend, das Gotteshaus zu betreten. Wenig später steht der Dekan und Pfarrer von Brackenheim auf der Empore und zeigt auf die mit Blumenranken bemalte, hölzerne Tonnendecke aus hochgotischer Zeit. "Auf diese hölzerne Prachtdecke ist die Kirchengemeinde besonders stolz. Sie ist eine der wenigen vollkommen erhaltenen, spätgotischen Tonnendecken in der Region", sagt er.

 

Seit rund drei Jahren ist er Dekan in der Heuss-Stadt Brackenheim und damit für 30.000 Protestanten in 23 Pfarreien im Zabergäu und Leintal zuständig. 1954 ist er in Stuttgart geboren worden und in Schorndorf aufgewachsen. Bevor er sich für den Pfarrersberuf entschied, hat Höss nach dem Abitur dort erst einmal Handwerksluft geschnuppert. "Mein Vater war Heizungsbauer, und so lag es für mich nahe, in derväterlichen Heizungsbaufirma zu arbeiten", fügt er hinzu. Er lernte die Arbeit in Büro und Verwaltung kennen und natürlich auch den harten Alltag auf dem Bau.

Dachbalken sind teilweise bereits zerfallen

"Noch heute weiß ich, wie man Ölleitungen verlegt und Heizungskörper gesetzt werden", sagt er. Inspiriert durch einen ehemaligen Schorndorfer Pfarrer entschied sich Höss dann aber für das Studium der evangelischen Theologie in Tübingen, Heidelberg und Erlangen. Nach dem Vikariat in Horb war Höss von 1983 bis 1986 Theologischer Repetent am Evangelischen Seminar in Maulbronn. "Meine erste ständige Pfarrstelle übernahm ich in Ingelfingen bei Künzelsau", erzählt er und blickt erneut, jetzt mit sorgenvollerer Miene zur hölzernen Decke der Kirche. "Am Anfang war es einfach eine Delle, hinter der die meisten Brackenheimer nichts Außergewöhnliches vermuteten - sie war ja schon immer da", erzählt Höss. Als er jedoch die Vertiefung im Kirchendach näher untersuchen ließ, erschrak der Dekan: "Hinter dieser Delle stellte sich heraus, dass die Dachbalken, welche auf dem Mauerwerk der Jakobuskirche aufliegen, morsch und teilweise bereits zerfallen sind."

Wahrscheinlich muss auch die Ziegeldeckung erneuert werden. Der Schaden beträgt immerhin rund 300.000 Euro. "An Eigenleistung kann unsere Kirchengemeinde 180.000 Euro beisteuern, der Rest lässt sich über Zuschüsse der Landeskirche und des Kirchenbezirks abdecken. Dabei können wir auf Rücklagen der Gemeinde von 80 000 Euro zurückgreifen. Aber rund 100.000 Euro fehlen jetzt noch." Er hat deshalb eine außergewöhnliche Spendenaktion ins Leben gerufen, um die Brackenheimer für eine Spende zu gewinnen.

Der Kreativität keine Grenzen gesetzt

Vor Kurzem hat der Kinderchor des Kirchenbezirks hier ein Musical aufgeführt: "Mäuse in der Jakobuskirche". Währenddessen hat Höss im Gottesdienst eine Talentbörse zu Gunsten der Restaurierungsarbeiten initiiert. "Dabei verschenkt unsere Gemeinde 1000 Euro in hundert Paketen zu je 10 Euro", so Höss. "Wer ein Geschenk annimmt, erhält zusätzlich einen Brief, der ihn auffordert, das Geld zu vermehren." Man wird also animiert, mit seinen Pfunden zu wuchern. Dabei seien der Kreativität keine Grenzen gesetzt, sagt Höss.

Mann könne damit zum Beispiel Wolle kaufen und Socken stricken, oder einen Kuchen backen, den man dann ebenfalls verkauft. Auch ein Grillabend wäre denkbar. Ihm schwebt auch eine Art Förderkreis für die Jakobuskirche vor. Der müsste aber schnell eingerichtet werden, denn im Frühjahr nächsten Jahres ist geplant, mit den Instandsetzungsarbeiten zu beginnen.

"Ein Pfarrer muss heute Teammitglied sein"

Der Dekan ist sich sicher, dass die Brackenheimer ihre angeschlagene Jakobuskirche tatkräftig stützen werden. "Was meiner Familie und mir als Erstes auffiel, als wir hier herkamen, war die angenehme Erfahrung, dass die Menschen hier sehr offen und freundlich auf einen zukommen." Besonders angetan war er, als er bei seiner Bewerbung für das Dekanatsamt die "Reben am Weinstock", das Leitbild des Kirchenbezirks Brackenheim, entdeckte. Er schloss, dass hier Kräfte am Werk seien, die Gemeinsames für den Kirchenbezirk schaffen und den Kirchenbezirk nach außen als Einheit präsentieren wollen - "getreu der Aussage Jesu im Johannesevangelium: Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben".

Ein solches Wir-Gefühl werde in Brackenheim besonders gelebt. Dieses Bild für die Kirche möchte Höss gemeinsam mit den Gemeindemitgliedern weiterentwickeln. "Ein Pfarrer muss heute Teammitglied sein, kein Einzelkämpfer, der auf der Kanzel steht und alles unisono entscheiden will", erklärt er. Gleichwohl gelte es als Dekan, die Übersicht zu behalten, sagt Höss, "das ist wie als Libero beim Fußball". Auch hier könne es nötig werden, vor dem Tor oder im Mittelfeld Löcher zu stopfen oder durch einen überraschenden Vorstoß Bewegung ins Spiel zu bringen.

Diese Eigenschaften, gepaart mit den früheren Erfahrungen aus dem Handwerk, das ihm eine "gehörige Portion Realitätssinn" vermittelt hat, möchte Höss auch in Zukunft für seine weitere Arbeit als Dekan fruchtbar einsetzen, um mehr denn je in Brackenheim die Gemeinde aktiv mit gestalten zu können und damit auch der Jakobuskirche zu neuem Glanz zu verhelfen.