Langsam entdecken die IT-Firmen im Silicon Valley das Thema Frauenförderung für sich. Beim Mutterschutz bessern Firmen wie Google und Facebook nach. Doch es gelingt nur wenigen Frauen wie Yahoo-Chefin Marissa Mayer Karriere zu machen.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

San Francisco - Wenn es allein danach gehen würde, wie bereitwillig IT-Firmen in den USA zurzeit den bisher minimalen Mutterschutz aufstocken, dann müsste das Silicon Valley bald zu einer Hochburg von Managerinnen werden. Doch einige prominente weibliche Führungskräfte wie die Yahoo-Chefin Marissa Mayer, die Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg oder Susan Wojcicki, die Chefin des Google-Videokanals Youtube, täuschen lediglich darüber hinweg, dass die Zukunftsbranche bei der Gleichberechtigung der Geschlechter stark hinterherhinkt. Insgesamt kommt die IT-Branche in den USA auf eine Frauenquote von nur 25 Prozent.

 

Bei näherer Betrachtung sind auch die neuen Regelungen zum Mutterschutz im Silicon Valley lediglich ein kleiner Fortschritt. Bisher gibt es in den Vereinigten Staaten für Frauen nur das gesetzlich festgeschriebene Recht, für zwölf Wochen in den Mutterschutz zu gehen – unbezahlt, versteht sich. Doch im Jahr 2013 führte Yahoo, dem die weibliche Chefin Marissa Meyer vorsteht, eine bezahlte Auszeit von sechzehn Wochen ein. Inzwischen gibt es solche Regelungen auch bei Microsoft (20 Wochen), Google (18 Wochen plus 500 Dollar Babybonus) und Facebook (17 Wochen plus 4000 Dollar Bonus). Der Internet-TV-Anbieter Netflix ist sogar mit der für die USA ungewöhnlichen Regelung vorgeprescht, dass Eltern ohne Bezahlung ihren Job für ein Jahr ruhen lassen können.

Der Druck auf weibliche Führungskräfte ist enorm

Wie groß der Druck auf Frauen im Silicon Valley jedoch tatsächlich ist, zeigt das Beispiel der Yahoo-Chefin Mayer selbst. Marissa Mayer hatte sich schon für die Geburt ihres ersten Kindes im Jahr 2012 nicht ansatzweise eine Babypause gegönnt. Die inzwischen 40-Jährige hat auch nicht vor, dies für die im Dezember anstehende Geburt ihrer Zwillinge zu tun.

Auch beim Cloudunternehmen Salesforce, das sich inzwischen die Frauenförderung auf die Fahnen schreibt, gibt es Nachholbedarf. Der Anteil der weiblichen Mitarbeiter der Firma liegt lediglich bei 29 Prozent und damit knapp unter den Zahlen für Facebook und Google. Firmenchef Marc Benioff räumte vor kurzem ein, dass auch in seiner Firma wie in vielen Bereichen der US-Wirtschaft eine ganze Reihe von Frauen für die gleiche Arbeit schlechter bezahlt wurden als Männer. Seitdem er von Managerinnen in seinem Unternehmen mit dieser für ihn zunächst kaum glaubhaften Tatsache konfrontiert wurde, hat er eine systematische Gehaltsanalyse gestartet, die Stelle um Stelle dafür sorgen soll, dass dieses Defizit korrigiert wird.

Vorwurf: Branche hat Thema lange ignoriert

„Zehn Jahre hatten wir in unserem Unternehmen andere Prioritäten als die Frauenförderung“, sagte Benioff nun auf der Dreamforce-Konferenz in San Francisco: „Das war mein größter Fehler“. Doch trotz dieser ehrlichen und mutigen Selbstkritik nahm ihn auf dem Podium die Technologie- Journalistin und Bloggerin Kara Swisher so hart in die Mangel, dass sie dem Publikum mit dem sich ohne Punkt und Komma rechtfertigenden Benioff genau die männlichen Verhaltensmuster vorführen konnte, die ihrer Meinung nach die tieferen Ursachen der Leerstelle in der Wahrnehmung sind. „Das Silicon Valley hat eine studentische Männerbundkultur – nur dass sie manchmal noch jugendlich-kindischer ist als diese“, sagte sie unter dem Beifall des Publikums im Saal. Eine Frauenquote von knapp neun zu eins auf den Rängen belegte allerdings, dass männliche Veranstaltungsbesucher so etwas nicht unbedingt anhören wollten.

Die Branche rede inzwischen bedauernd vom Problem der „unbewussten Diskriminierung“, sagte Swisher: „Aber das ist nur ein beschönigender Begriff fürs Nichtstun.“ Der Salesforce-Chef kann sich immerhin rühmen, dass er bei diesem Thema inzwischen ein Vorreiter der Branche ist. Erstmals in den dreizehn Jahren ihrer Geschichte wurde auf der von Salesforce veranstalteten Dreamforce-Konferenz eine ganze Veranstaltungsreihe zum „Gipfeltreffen weiblicher Führungskräfte“ erklärt. „Und das soll auch künftig jedes Jahr so bleiben“, sagte Benioff – nur um sich von der scharfzüngigen Moderatorin die Replik einzufangen: „Ein Erfolg ist das erst, wenn Sie so etwas nicht mehr brauchen.“

Schwarze und Latinos sind ebenfalls unterrepräsentiert

Man könne das Ruder in einer derart großen Firma wie Salesforce doch gar nicht so schnell herumreißen, beteuerte Benioff. Er habe sich als Gründer in den Anfangsjahren eben mehr darum gekümmert, von Anfang an die Philanthropie in der Firmenkultur zu verankern: „Aber schauen Sie sich im Vergleich dazu doch Apple an. Bei der Präsentationsshow vor kurzem hatten die keine Frau auf der Bühne – dabei hat Apple talentierte Frauen unter seinen Führungskräften!“ Die Sprecher und Sprecherinnen für Salesforce würden hingegen gerade bei technikaffinen Veranstaltungen bewusst quotiert. Ein Drittel der beförderten Mitarbeiter im vergangenen Jahr seien Frauen gewesen, sagte der Mitgründer und Salesforce-Produktstratege Parker Harris.

Nur als die Moderatorin das heikle Thema der massiven Unterrepräsentation von Schwarzen und Latinos ansprach, wurden die Antworten wieder vorsichtig. „Wenn alles Priorität hat, dann hat nichts Priorität“, sagte Harris. „Das Frauenthema hat für uns zurzeit Vorrang“, sagte Benioff. Schließlich sei allein schon dies eine große Aufgabe für ein ganzes Jahrzehnt. Für die afroamerikanische IT-Unternehmerin Stephanie Lampkin war das in San Francisco keine Überraschung. „Es ist im Silicon Valley besser eine Frau zu sein als schwarz“, sagte sie auf einer anderen Veranstaltung. „Auch weiße Computernerds haben Töchter, mit denen sie sich identifizieren können“, sagt sie. Mit Schwarzen und Latinos habe der durchschnittliche Valley-Bewohner hingegen so gut wie nichts zu tun.

Kritiker bemängeln fehlende Nachwuchsförderung

Lange haben sich die großen amerikanischen IT-Firmen heftig dagegen gewehrt, Daten über die Zusammensetzung ihrer Mitarbeiterschaft zu veröffentlichen. Erst die Klagedrohung von Journalisten, die sich auf das amerikanische Gesetz auf die Informationsfreiheit beriefen, brachte die Wende. Im vergangenen Jahr publizierte Google als erste Branchengröße offizielle Zahlen – und die meisten anderen Großen der Branche folgten. Die Werte sind bei der Repräsentanz von Latinos und Afroamerikanern noch ernüchternder als beim Frauenanteil.

Bei Facebook sind 93 Prozent der Mitarbeiter Weiße und Asiaten, bei Google liegt der Wert bei 91 Prozent. Die Frauenquote lag bei 32 beziehungsweise und 30 Prozent. In technikaffinen Bereichen ist dieser Anteil sogar nur halb so hoch. Die Nadel hat sich in den vergangenen Jahren trotz aller öffentlichen Bekenntnisse so gut wie nicht bewegt. Die IT-Firmen argumentieren damit, dass nicht genügend qualifizierte Bewerber zur Verfügung stehen. Kritiker werfen ihnen hingegen vor, dass ohne Quoten und eigene Nachwuchsarbeit sich nichts verändern könne.