Der Verein Türkisch-Islamische Gemeinde zu Stuttgart vermutet, dass der Brandanschlag in der Nacht zum Dienstag einen PKK-Hintergrund hat. Zugleich gibt es ein Video, das die Täter zeigt, wie sie den Brandsatz werfen. Ministerpräsident Kretschmann ist entsetzt.

Stuttgart - Der Verein Türkisch-Islamische Gemeinde zu Stuttgart vermutet, dass der Brandanschlag auf ihre Einrichtungen in der Stuttgarter Mauserstraße in der Nacht zum Dienstag einen terroristischen Hintergrund hat. Es gibt ein Video, das vier Täter dabei zeigt, wie sie die Scheibe einer Bücherei im Erdgeschoss des Gebäudekomplexes einschlagen und einen Brandsatz hineinwerfen. Mitglieder des Vereins, der der Ditib-Organisation angehört, die auf Integration setzt, verweisen auf eine PKK-Demonstration am späten Samstagnachmittag vor dem Gemeindezentrum an der Mauserstraße. Die Gemeinde sei davon überrascht worden. Laut Augenzeugen sollen dabei Silvesterböller geworfen worden sein und auch vermummte Demonstrationsteilnehmer beteiligt worden sein. Die Gemeinde vermutet daher einen Zusammenhang mit dem Anschlag.

 

Auch die Polizei vermutet eine politisch-motivierte Tat. Laut Sprecher Olef Petersen liege es nahe, dass Kurden und deren Organisation PKK hinter der Tat stehen, aber „wir können uns jetzt noch nicht festlegen“. Deshalb ermittle man auch bei rechten und linken Gruppen. Zudem werte man die Bilder der Überwachungskameras aus. Was man bei der Polizei aber sicher weiß: Am Abend vor dem Anschlag gab es vor dem türkischen Konsulat in der Kernerstraße eine Spontandemo von etwa 25 Kurden, die wohl im Zusammenhang mit aktuellen kurdischen Todesfällen in der Türkei stand. Möglicherweise gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Protest und der Tat. Von einer PKK Demo am Samstag in der Mauserstraße weiß die Polizei laut Petersen dagegen nichts. Auch bei der Stadt weiß man nichts von einer Demo am Sanstag. Zumindest ist keine beim Ordnungsamt angemeldet worden.

Kretschmann verurteilt den Anschlag

In dem betroffenen Haus befinden sich neben Büros zahlreiche türkische Einrichtungen. Eine Moschee in direkter Nachbarschaft des Gebäudes blieb von den Flammen verschont. Der Schaden wurde zunächst auf rund 80 000 Euro geschätzt. Anwohner hatten kurz vor zwei Uhr beobachtet, wie die Flammen durch zuvor eingeschlagene Schaufenster des Geschäfts schlugen. Die Feuerwehr rückte mit mehreren Löschzügen an und konnte den Brand schnell unter Kontrolle bringen. Das Gebäude in einem Gewerbegebiet im Stadtteil Feuerbach war stark verraucht.

In einer ersten Reaktion verurteilte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) den Anschlag: „So etwas sind abscheuliche Taten“, die er nur „mit aller Schärfe“ verurteilen könne, sagte der Regierungschef. Man werde alles tun, um die Täter zu ermitteln.

Christen solidarisieren sich mit Muslimen

Auch der Vorstandsvorsitzende von Ditib in Baden-Württemberg, Erdinc Altuntas, zeigte sich entsetzt ob des Brandanschlags. „Wir verabscheuen diese Art von Anschlägen“, sagte Altuntas und räumte ein, dass es eine Unsicherheit unter den Gläubigen gebe: „Das schürt natürlich gewisse Ängste bei den Muslimen.“

Der katholische Stadtdekan Christian Hermes hat sich per E-Mail an den Stuttgarter Ditib-Vertreter Ali Ipek gewandt, um ihm seine Solidarität auszudrücken. „Mit Schrecken habe ich eben die Nachricht vom Brandanschlag auf Ihr Zentrum in Feuerbach zur Kenntnis genommen“, schrieb Hermes. „Was auch immer die politischen Hintergründe sein mögen, die hoffentlich bald aufgeklärt werden können, ist für mich klar: Wer friedliebende Muslime in unserem Land angreift, der greift den Frieden in unserem Land an! Wer eine friedliebende Religion angreift, der greift dieReligionsfreiheit an.“ Hermes verurteilte „mit Abscheu diesen feigen Anschlag, der unsere Stadt insgesamt trifft und alle Religionen dieser Stadt.“

Polizei sucht Zeugen

Der evangelische Stadtdekan Søren Schwesig, der auch Koordinator des Stuttgarter Rats der Religionen ist, wollte sich mit einer Bewertung zurückhalten, solange die Hintergründe nicht aufgeklärt sind. Sollte es sich um eine islamfeindliche Tat handeln, „würde ich es als einen Angriff auf uns alle empfinden“, dann wäre es „ein Angriff auf die Religionsfreiheit“.

Ali Ipek von Ditip gehört dem Rat der Religionen an, genau so wie Yücel Yesilyurt als Vertreter der Aleviten, die im türkischen Wahlkampf die prokurdische Partei HDP unterstützt hat. Der HDP-Vorsitzende Selahattin Demirtaş hat im Juli Kontakte zur PKK bestritten.

Zeugenhinweise zu dem Anschlag nimmt die Polizei unter der Telefonnummer 0711/8990- 5778 entgegen.