Ein Großbrand hat das Nationalmuseum in Rio de Janeiro vernichtet – ein herber Schlag für das kulturelle Erbe des Landes.

Rio de Janeiro - Die Flammen steigen in den Nachthimmel, die Fassade des Nationalmuseums verhüllt wie ein Skelett die dahinter tobende Feuersbrunst, die einen großen Teil der Geschichte Brasiliens verschlingt. Die ehemalige königliche Residenz in Rio de Janeiro galt als das größte Natur- und Völkerkundemuseum Lateinamerikas. Für Brasilien ist das so verheerend, wie ein Brand des Louvre für Frankreich wäre, kommentierten entsetzte Brasilianer in den sozialen Netzwerken.

 

Insgesamt sollen 20 Millionen Exponate zerstört worden sein, allerdings wird es noch Tage dauern, bis ein Überblick über den tatsächlichen Schaden möglich ist. Die Tageszeitung „O Globo“ berichtete am Morgen danach, dass auch die Statik des Gebäudes gelitten habe und nun ein Einsturz des 1818 von dem portugiesischen König João errichteten Baus drohe. In diesem Fall wäre ein Wiederaufbau der historischen Bausubstanz kaum möglich. „Das Museum war vor allem bei älteren und kulturell interessierten Touristen beliebt“, sagt der Stuttgarter Reiseführer Bernhard Weber, der in Rio de Janeiro als Touristenführer arbeitet. „Durch die Nähe zum Maracana-Stadion haben viele Besucher auch einen Abstecher in das Nationalmuseum mit eingeplant. Allerdings liegt das Museum abseits der bei den Touristen besonders beliebten Strände Copacabana und Ipanema.“

Neben den nationalen und internationalen Touristen galt das Museum auch bei Schulklassen als ein absoluter Höhepunkt. Zu den Publikumsmagneten gehörte das älteste in Brasilien gefundene menschliche Fossil mit Namen „Luzia“, das sich bei Schulkindern ebenso großer Beliebtheit erfreute wie das Skelett eines im Bundesstaat Minas Gerais entdeckten Dinosauriers und der größte in Brasilien gefundene Meteorit namens „Bendego“ mit einem Gewicht von 5,3 Tonnen. Aus brasilianischer Sicht besonders bitter ist der Verlust der Ausstellungsstücke, die die jüngere Geschichte von der Ankunft der portugiesischen Kolonisatoren im Jahr 1500 bis zur Ausrufung der Republik 1889 zeigten.

Nach dem Brand beginnt die Suche nach den Schuldigen

Kaum waren die Flammen gelöscht, entbrannte mitten in der heißen Phase des Präsidentschaftswahlkampfes vor dem Urnengang am 7. Oktober die Diskussion über die Schuldfrage. Luiz Fernando Dias Duarte, Vizedirektor des Museums, äußerte sich gegenüber brasilianischen Medien voller Wut. Die vergangenen Regierungen hätten es versäumt, die für den Erhalt des Gebäudes dringend erforderlichen Mittel bereitzustellen. Derweil liefern sich Brasiliens Parteien einen Schlammschlacht, wer Schuld an dem Großbrand habe, vor dem Experten wegen des maroden Zustands immer gewarnt hatten.

Anhänger des rechtsextremen Präsidentschaftskandidaten Jair Bolsonaro warfen den Behörden vor, mehr Geld für den Unterhalt eines Schwulenmuseums auszugeben als für den Erhalt des nationalen Kulturerbes. Senator Lindbergh Faris von der bis 2016 regierenden linken Arbeiterpartei (PT) kritisierte die Kürzungspolitik der amtierenden Regierung des rechtsgerichteten Präsidenten Michel Temer. Kulturminister Sérgio Sá Leitão konterte, das Drama hätte unter Staatschefin Dilma Rousseff (PT) begonnen, als das Museum 2015 „mangels Mittel zu seinem Unterhalt“ hätte geschlossen werden müssen.

Gut zwei Jahre nach Olympia 2016 und vier Jahre nach der Fußball-Weltmeisterschaft besitzt Brasilien nun zwar eine völlig überteuerte Stadionlandschaft mit Arenen für viele Hundert Millionen Euro, die wie in Brasília oder Manaus nur noch sporadisch genutzt werden. Dafür verrottet seit der WM das Museum für die indigene Geschichte gleich neben dem Maracana.

Präsidentin Rousseff wollte das Museum einst abreißen lassen

Zunächst wollte die damalige Regierung Rousseff das Museum einreißen lassen, um Platz für Stadionparkplätze zu schaffen. Nach Protesten der Ureinwohner versprach die damalige Regierung, das Museum nach den Großereignissen zu restaurieren. Doch weder Rousseff noch ihr rechtsgerichteter Nachfolger Michel Temer und auch nicht Rios neuer Bürgermeister, der evangelikale Hardliner Marcelo Crivella, ließen diesen Versprechen Taten folgen.