Die Brandursache ist scheinbar geklärt: Ein Gasofen soll die Brandkatastrophe mit 14 Toten in einer Behindertenwerkstatt verursacht haben. Es sei unkontrolliert Gas ausgetreten und verpufft, teilte Staatsanwalt Peter Häberle in Titisee-Neustadt am Dienstag mit.

Titisee-Neustadt - Nebel und Regen tauchen die Behindertenwerkstatt in der Schwarzwald-Gemeinde Titisee-Neustadt in tristes Einheitsgrau. Nur einige Kerzen flackern vor dem Gebäude, das am Montag für 14 Menschen zur Todesfalle wurde. Brandspuren und zerstörte Fensterscheiben erinnern am Tag danach an das Feuerdrama. Die Opfer sind mittlerweile identifiziert. Nur langsam entsteht ein Bild von den schrecklichen Ereignissen, die sich hinter den Türen der Caritas-Werkstatt abspielten. „Die ganze Dimension wird uns erst am Tag danach bewusst“, sagt der örtliche Feuerwehrkommandant Gotthard Benitz.

 

Ermittler und Brandsachverständige suchen die ganze Nacht akribisch nach Spuren. Sie wollen wissen, wieso sich das Feuer rasant ausbreitete und warum es zu einer Explosion kam. 

Ermittlungen gegen Unbekannt wurden eingeleitet

Ein Gasofen hat die Brandkatastrophe mit 14 Toten verursacht. Es sei unkontrolliert Gas ausgetreten und verpufft, teilte Staatsanwalt Peter Häberle in Titisee-Neustadt mit.

In einem Raum der Behindertenwerkstatt habe sich ein Gasofen befunden, der mit einer Gasflasche verbunden war, sagte Häberle am Dienstagnachmittag. Aus bislang ungeklärter Ursache sei das Gas ausgeströmt, habe sich entzündet und zu einer Verpuffung geführt. Nach derzeitigem Kenntnisstand spreche alles für ein Unglück, sagte Häberle. Es gebe keine Anhaltspunkte für eine vorsätzliche Tat. Dennoch habe die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Unbekannt wegen fahrlässiger Brandstiftung beziehungsweise fahrlässiger Tötung eingeleitet. „Das bedeutet aber nicht, dass fahrlässiges Verhalten vorliegt“, sagte Häberle. Die Toten, darunter eine Betreuerin und 13 behinderte Menschen, hätten sich alle in dem Raum aufgehalten, in dem sich der gasbetriebene Heizofen befunden habe, erläuterte der Staatsanwaltschaft. Ob dies auch auf alle Verletzten zutreffe, sei unklar. Die Todesursache ist dem Staatsanwalt zufolge noch nicht bei allen Opfern geklärt. Einige der Menschen seien aber an einer Rauchvergiftung gestorben.

Keine Mängel im Sicherheitskonzept 

Nach Angaben des baden-württembergischen Innenministers Reinhold Gall (SPD) gibt es bislang aber keine Hinweise auf gravierende Sicherheitsmängel in der Werkstatt. „Heute jedenfalls kann ich sagen, dass es keinerlei Erkenntnisse gibt, dass die Sicherheitskonzeption, was Brandschutz und Arbeitsschutz anbelangt, nicht eingehalten worden sind.“ Forderungen, die Einrichtung hätte mit einer Sprenkleranlage ausgestattet sein müssen, wies Gall als voreilig zurück. Eine solche Anlage sei nicht vorgeschrieben. Es komme vielmehr darauf an, ob die Rettungswegkonzeption stimme und dass geübt werde, wie man sich in solchen Situationen verhalte. Erst auf Basis der Ermittlungen könne über künftige andere Vorkehrungen nachgedacht werden.

„Der vorbeugende Brandschutz war absolut ordnungsgemäß“, bestätigte auch Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer am Dienstag. Der Einsatz der Rettungskräfte sei „vorbildlich gelaufen.“ Bei der Katastrophe waren 14 Menschen ums Leben gekommen. Von den 97 Menschen, die sich aus dem Gebäude retten konnten, schafften dies nach Darstellung der Behörden 86 aus eigener Kraft. Nur elf Menschen mussten von der Feuerwehr aus dem Gebäude geleitet werden. Dies spreche für das Funktionieren des Rettungskonzepts über eine Rampe für Rollstuhlfahrer und eine Stahltreppe, sagte Schäfer.

Eines ist aber schon jetzt klar: Der starke Rauch und Verbrennungen wurden den Opfern zum tödlichen Verhängnis. „Es waren nur wenige Minuten, die das Schicksal der 14 Menschen, die hier gestorben sind, besiegelt haben“, sagt Benitz. „Es hat sich hier Schreckliches abgespielt.“

Chronik des Grauens

Es ist eine Chronik des Grauens: Innerhalb kürzester Zeit füllt sich am frühen Montagnachmittag das dreistöckige Gebäude mit dichtem und lebensgefährlichem Rauch. Er nimmt den 120 Menschen, die dort arbeiten, die Luft zum Atmen und die Sicht. Der Weg ins Freie, etwa durchs Treppenhaus, ist abgeschnitten. Es bricht Panik aus. Viele Behinderte können nur eingeschränkt laufen, sind orientierungslos, brauchen Hilfe. Andere sitzen im Rollstuhl. Als die Feuerwehr kommt, stehen viele an den Fenstern und schreien um Hilfe.

„Eine Behinderteneinrichtung ist kein gewöhnliches Objekt“, sagt Kreisbrandmeister Alexander Widmaier. „Wir haben es hier mit Menschen zu tun, die nicht immer rational reagieren.“ Auf einen Betreuer kommen im Schnitt zwölf Behinderte, sagt die Caritas. Die Betreuer und Helfer haben Leben gerettet. Mängel an der Einrichtung oder verschlossene Türen hat es laut der Feuerwehr nicht gegeben.

„Die Werkstatt war der Lebensmittelpunkt der hier betreuten Menschen“, sagt der Freiburger Caritas-Chef Egon Engler. „Er ist nahezu komplett zerstört.“ Die Behinderten werden weiter betreut und kommen zunächst in andere Einrichtungen. Die Werkstatt soll wieder aufgebaut werden. Doch noch hat niemand Zugang zu dem Brandort.

Die Menschen sind traumatisiert

„Die Menschen sind traumatisiert von dem, was geschehen ist“, sagt der Leiterin des Notfallnachsorge des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), Sandra Bergmann. Psychologen und Seelsorger stehen für Gespräche bereit. Im angrenzenden Gemeindehaus der evangelischen Kirche haben sie einen Stützpunkt eingerichtet.

„Es ist wichtig, dass jemand da ist und zuhört und die Menschen einfach mal in den Arm nimmt“, sagt Bergmann, die wie alle hier ehrenamtlich arbeitet. Das Angebot werde angenommen. Es soll auch für die kommenden Tage bestehen bleiben. Die Hinterbliebenen sollen zudem die Möglichkeit erhalten, an den Unglücksort zu kommen und dort Abschied zu nehmen. Für Samstag plant Titisee-Neustadt dann eine öffentliche Trauerfeier.

Insgesamt 31 Notfallseelsorger des Deutschen Roten Kreuzes haben nach der Brandkatastrophe mit 14 Toten und neun Verletzten in einer Behindertenwerkstatt in Titisee-Neustadt psychosoziale Hilfe geleistet. „Ehrenamtliche Helfer der Kreisverbände Freiburg, Schwarzwald-Baar, Waldshut und Emmendingen leisteten Angehörigen und Überlebenden Beistand“, sagte der Geschäftsführer des Kreisverbandes Freiburg, Wolfgang Schäfer, am Dienstag. In den ersten Stunden nach einem traumatischen Erlebnis gehe es vor allem ums Zuhören und Mitfühlen: „Das sind Erste-Hilfe-Maßnahmen für die Seele.“ Manche der Ehrenamtlichen betreuten vor Ort Angehörige und Überlebende: „Das Wichtigste ist zunächst, die schwere seelische Not zusammen mit den Betroffenen durchzustehen“, erklärte die Leiterin des DRK-Kriseninterventionsteams Freiburg, Sandra Bergmann. „Es geht nicht so sehr darum, Trost zu spenden, weil es häufig für Menschen in dieser Situation gar keinen Trost gibt. Das muss nicht heißen, dass nie mehr die Sonne scheint, aber zunächst müssen wir nur da sein und die Verzweiflung zusammen aushalten.“ Rund 60 Anrufe von Angehörigen und Einwohnern erhielt nach Angaben Bergmanns die Telefon-Hotline der Gemeinde, über die ebenfalls ehrenamtliche Helfer erreichbar waren.

Notfallseelsorger begleiten die Polizei

Auch bei der Überbringung von Todesnachrichten begleiteten Notfallseelsorger die Polizei am Montag. „Dies muss immer persönlich geschehen, und wir achten darauf, dass es in einem geschützten Rahmen stattfindet und nicht zwischen Tür und Angel“, betonte Bergmann. Wichtig sei, den Angehörigen hierbei schon möglichst viele Informationen zum Unglückshergang geben zu können. Gleichzeitig müsse die Benachrichtigung zügig erfolgen, „damit die Familie die traurige Nachricht nicht von Nachbarn erfährt.“ Das Freiburger DRK-Kriseninterventionsteam hat 30 Mitglieder, die ein Auswahlverfahren und 80 Stunden Grundausbildung durchlaufen haben. Ehrenamtlich tätig sind dort Psychotherapeuten und Seelsorger, aber auch Imker oder Straßenbahnfahrer. Sie kommen im Jahr nach Angaben Bergmanns auf durchschnittlich 150 Einsätze. Auch das Netzwerk Psychosoziale Notfallversorgung in Freiburg schaltete eine kostenlose Hotline für Betroffene, Angehörige und belastete Einsatzkräfte unter der Nummer 0800/58 92 27 2.

Trauertag am 1. Dezember

„Unsere Stadt ist im Ausnahmezustand. Wir spüren Trauer und Schmerz. Die ganze Stadt steht unter Schock“, sagt der Bürgermeister von Titisee-Neustadt, Armin Hinterseh. Am Tag nach dem Feuer macht er sich am Brandort erneut vor Ort ein Bild. „Wir sind eine Kleinstadt mit 12 000 Einwohnern. Da kennt jeder jeden“, sagt Hinterseh. Kaum ein Bürger, der nicht persönlich betroffen wäre von dem Unglück, zumindest eines der Opfer kannte. „Die Menschen, die hier umgekommen sind, gehörten zum Bild der Stadt.“

Ministerpräsident Winfried Kretschmann kündigte an, dass am Samstag, 1. Dezember, ein landesweiter Trauertag stattfinden soll und ordnete Trauerbeflaggung an. Die Trauerandacht im St-Jakobus-Münster um 11.00 Uhr halten der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch und der Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Baden, Ulrich Fischer. Anschließend sei auch eine Ansprache des Ministerpräsidenten geplant.

Papst Benedikt XVI. hat am Dienstag der Opfer der Brandkatastrophe gedacht. Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone richtete im Namen des Papstes ein Trauertelegramm an den Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) dokumentiert das vom Erzbistum Freiburg am Dienstag veröffentlichte Schreiben: „Mit Betroffenheit hat der Heilige Vater von der Brandkatastrophe in der Behindertenwerkstatt der Caritas in Titisee-Neustadt Kenntnis erlangt. Papst Benedikt XVI. gedenkt der bei diesem tragischen Unfall ums Leben gekommenen Menschen in seinem Gebet und versichert den Angehörigen der Opfer seine tief empfundene Anteilnahme. Der Allmächtige Gott schenke ihnen in der Stunde des Schmerzes und der Trauer Kraft und Trost aus dem Glauben. Der Heilige Vater betet auch für die Verletzten um Zuversicht und baldige Genesung. Ihnen allen sowie den Einsatzkräften und Helfern erteilt Papst Benedikt XVI. den Apostolischen Segen.“