Brand in Flüchtlingsunterkunft in Weissach „Die Menschen sind schockiert“

Nachdem ein Feuer eine noch leer stehende Flüchtlingsunterkunft in Weissach im Rems-Murr-Kreis zerstört hat, wurde das Gebäude schon Stunden später abgerissen. Die Ermittlungen laufen. Der Bürgermeister bricht seinen Urlaub ab, Ordnungsamtsleiter Rudolf Scharer ringt um Worte.
Weissach im Tal - Im Aldi-Supermarkt herrscht am Montagmorgen besonders viel Verkehr. Der Rauch, der aus den Fenstern des Hauses in der Nähe quillt, lockt Schaulustige an. Am Vormittag brennen noch immer Glutnester im ehemaligen Flüchtlingsheim in Weissach im Tal (Rems-Murr-Kreis), das in den nächsten Tagen renoviert werden und ab Dezember erneut Platz für rund 20 Flüchtlinge in der Anschlussunterbringung bieten sollte.Feuerwehr und Polizei sind schon stundenlang zugange, seit fünf Uhr früh.
„Die Bürger sind schockiert“, sagt Rudolf Scharer, Ordnungsamtsleiter von Weissach im Tal, der ebenfalls zu dem Gebäude in Welzheimer Straße eilte. „Man hat ihnen angesehen, dass es sie sehr berührt.“ Viele kamen auf ihn zu. Auf ihre Fragen habe er jedoch nur antworten können, dass die Brandursache noch nicht untersucht werden konnte, da für Ermittlungen die Situation in dem einsturzgefährdeten Gebäude zu gefährlich sei. Der Bürgermeister, Ian Schölzel, bekam die Nachricht im Sommerurlaub und hat sich bereits am Morgen ins Flugzeug gesetzt und auf den Rückweg gemacht.
Abriss erfolgt wenige Stunden nach Feuerausbruch
Auch der Staatsschutz sei zu den Ermittlungen hinzugezogen worden, sagt Polizeisprecher Klaus Hinderer. Doch bei „solchen Gebäuden“ sei dies die Regel, schon seit den Anschlägen auf Flüchtlingsheime in den 90er-Jahren. Ausschließen könne man bis jetzt nichts. Der Schaden an dem recht alten Gebäude beträgt mehrere Zehntausend Euro.
Bereits am frühen Nachmittag wurde mit dem Abriss des Gebäudes begonnen. Laut Polizei war dies aus Sicherheitsgründen eine notwendige Maßnahme; eine Begehung des akut einsturzgefährdeten Gebäudes sei nicht mehr möglich gewesen. Die Ermittlungen dauern weiter an, sind vor Ort jedoch abgeschlossen.
Ordnungsamtsleiter Scharer erklärte, die Polizei habe für weitere Untersuchungen Proben aus dem Abrissmaterial entnommen. Viele tragende Wände und Balken seien beschädigt gewesen: „Mit der Hauptstraße direkt daneben war nach Einschätzung der Bausachverständigen das Risiko, das absolut einsturzgefährdete Haus stehen zu lassen, viel zu hoch.“
Info-Veranstaltung zu Flüchtlingen war „hoch emotional“
Die Debatte um Unterkünfte für Flüchtlinge steht auch in Unterweissach weit oben auf der Agenda. Am Abend des 10. August hatte Schölzel zu einer Informationsveranstaltung geladen.
Die Diskussion drehte sich nicht um das Flüchtlingsheim in der Welzheimer Straße, sondern um eine geplante Sammelunterkunft im selben Ort. Für diese ist nicht die Gemeinde, sondern der Landkreis Rems Murr zuständig. Dieser möchte ein von der Kreissparkasse Waiblingen verwaltetes ehemaliges Druckereigebäude in Unterweissach anmieten.
160 Flüchtlinge sollen dort unterkommen. Das seien zu viele auf einmal, so der Tenor der Teilnehmer. In der Gemeindehalle von Unterweissach war jeder Stuhl besetzt, rund 230 Bürger der gut 7000 Einwohner zählenden Gemeinde waren gekommen. Die Veranstaltung bezeichnete der Bürgermeister im Anschluss als „hoch emotional“. Ein Weissacher Bürger sagte, er befürchte, dass „das Gebäude brennen könnte“, noch bevor es bezugsbereit sei.
Gebrannt hat es nun, knapp zwei Wochen später, nur einige Straßen entfernt, in dem ehemaligen Flüchtlingsheim, auf das im Jahr 2005 ein Anschlag verübt wurde. Damals warf ein 17-jähriger Neonazi einen Molotow-Cocktail in das Haus, das Feuer erlosch jedoch von selbst. Von den elf Bewohnern wurde damals niemand verletzt, der Täter wurde zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.
„Wir haben eine Willkommenskultur“
Vor Spekulationen warnen jedoch sowohl Polizei als auch die Gemeindevertreter. Frühestens im Laufe des Tages, meint Ordnungsamtsleiter Scharer, könnten weitere Ermittlungen zur Brandursache vorgenommen werden.
Auf die Frage, ob an der geplanten Sammelunterkunft in der alten Druckerei nun die Sicherheitsvorkehrungen erhöht werden, antwortet Polizeisprecher Hinderer, dass man dies ins Kalkül mit einbeziehe.
In Weissach leben bereits 35 Flüchtlinge verschiedener Nationalitäten. „Diese Familien leben seit gut einem Jahr hier, sie sind bei uns integriert“, sagt Rudolf Scharer. Im Arbeitskreis Integration, initiiert von der Gemeinde, engagierten sich zahlreiche Ehrenamtliche und kümmern sich um die Menschen. Sie begleiten die Flüchtlinge auf Behördengängen, zu Arztbesuchen, bieten Sprachkurse an.
Offene Anfeindungen? „Habe ich nie erlebt“, sagt Scharer.
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