In der Gerlinger Ortsmitte bricht am Donnerstagabend ein Feuer aus. Die Löscharbeiten gestalten sich extrem schwierig. Wehren aus vier Kommunen sind mehr als 12 Stunden im Einsatz. Der Dachstock musste abgerissen werden, offen ist die Zukunft des Gebäudes.

„Eine Katastrophe. Es ist eine Katastrophe“, sagt Carlo de Luca am Freitagmittag. Dann muss der Wirt des Restaurants Da Carlo das Gespräch abbrechen, die Polizei will ihn sprechen. 17 Stunden nachdem ein Feuer in dem Haus gemeldet worden war, ist der Einsatz für die Feuerwehr noch nicht beendet, ein Abrissunternehmen ist am Werk – und de Lucas Zukunft als Wirt des heutigen Ristorante Da Carlo in der Gerlinger Rosenstraße ist ungewiss.

 

Das Feuer war nach Polizeiangaben gegen 19.45 Uhr ausgebrochen. 20 Personen wurden dadurch verletzt, vier davon schwer. Alle hatten eine unterschiedlich ausgeprägte Rauchgasvergiftung. Ein 52 Jahre alter Mann musste mit einer Drehleiter gerettet werden, weil ihm das Feuer bereits den Fluchtweg versperrt hatte. Eine zweite Person war noch in Begleitung der Polizei aus dem Gebäude gebracht worden. Unter den Verletzten waren auch etliche Personen aus der Nachbarschaft. Sie hatten ihre Fenster geöffnet, obwohl der Rauch nach unten gedrückt wurde.

Laut der Polizei hatte ein Anwohner die Feuerwehr alarmiert und einen Brand in dem Mehrfamilienhaus gemeldet, in dessen Erdgeschoss sich das Restaurant befindet. Das hatte zu dem Zeitpunkt geöffnet, die Atmosphäre war lebhaft. Es sei voll gewesen, sagt der Wirt de Luca, „drinnen und draußen“.

Unter den Gästen ist ein Gerlinger Feuerwehrmann. Als er über seinen Funkmeldeempfänger alarmiert wird und registriert, dass sich der Alarm auf eben jenes Gebäude bezieht, lässt er das Haus räumen. Seine Kameraden treffen kurz darauf ein, ihnen schlagen aus einem Gaubenfenster bereits große Flammen entgegen. Mutmaßlich dort war das Feuer ausgebrochen. Die Flammen seien waagrecht gestanden, das bedeute, „es muss heiß und lang gebrannt haben“, sagt der Gerlinger Wehrsprecher Dennis Blos.

Verkehr wird umgeleitet

Tags darauf, Freitagfrüh, sind das Umfeld großräumig gesperrt und der Abrissbagger am Werk: Das Dachgeschoss und die Etage darunter müssen abgetragen werden. Ob das Gebäude insgesamt – und damit das Restaurant im Erdgeschoss – zu retten ist, ist weiterhin unklar. Die Kripo ist erneut im Haus. „Wir ermitteln wegen des Verdachts der fahrlässigen Brandstiftung“, sagt die Sprecherin des Ludwigsburger Polizeipräsidiums, Yvonne Schächtele. Einen Zusammenhang mit dem von einem ehemaligen Mitarbeiter versuchten Brandanschlag auf das Gebäude im Jahr 2019 gebe es nicht.

Das Feuer war wohl in jenem Zimmer ausgebrochen, aus dem den Einsatzkräften beim Eintreffen die Flammen entgegenschlugen. Das Gebäude gehört laut dem Bürgermeister Dirk Oestringer einer GmbH. Diese Gesellschaft hat die Räume vermietet, die Gasträume verpachtet. Zehn Personen sind laut der Polizei im Haus gemeldet, laut Oestringer haben dort auch Gastro-Mitarbeiter gewohnt. Acht Personen wurden nach dem Brand von der Stadt untergebracht.

Ursache ist am Tag danach noch unklar

Warum das Feuer ausbrach, war bis Freitagnachmittag unklar. Zu diesem Zeitpunkt ging für die Gerlinger Feuerwehr der Einsatz zu Ende: Gegen 15 Uhr meldete der stellvertretende Kommandant Dennis Blos: „Feuer aus.“ Er signalisierte damit das Ende eines 19 Stunden währenden Einsatzes. Daran beteiligt waren laut Blos 90 Einsatzkräfte der Feuerwehren Gerlingen, Ditzingen, Korntal-Münchingen und Leonberg, dazu 20 Einsatzkräfte des Rettungsdienstes. Dieser war zum Schutz der Wehr bis Einsatzende dort.

Für die Wehr sei der Brand sehr komplex gewesen, sagt der Gerlinger Bürgermeister. Zudem es ein „sehr, sehr anstrengender Brand für die Einsatzkräfte“ gewesen. Er habe einen „besonderen Einsatz erfordert“.

Was zunächst als Zimmerbrand begonnnen hatte, hatte sich binnen kurzer Zeit in dem rund 120 Jahre alten, mehrfach umgebauten Haus zu einem nicht mehr lokalisierbaren Feuer entwickelt. Das Feuer hatte sich laut dem Gerlinger Wehrsprecher Blos über die ursprünglich bei Bau verwendete Dämmung – unter anderem Stroh – auf der gesamten Etage durch die Zwischendecke gefressen. Waren offensichtliche Glutnester gelöscht, fachte der Wind während des Löschens dann verdeckt vorhandene Glutnester wieder an. Nischen und Hohlräume des rund 120 Jahre alten Gebäudes hätten es der Feuerwehr unmöglich gemacht, überall hinzukommen, sagt Blos. Deshalb sei am Freitag auch das Dach und die darunter liegende Etage abgetragen worden. Der Kreisbrandmeister Andy Dorroch teilt die Einschätzung. Bei aller Selbstkritik, so Dorroch, „wir hätten es nicht besser machen können, auch wenn ich mich gefreut hätte, wie wir das Gebäude hätten schützen können“. Gleichwohl habe zu keiner Zeit die Gefahr bestanden, dass das Feuer auf Nachbargebäude übergriff. Die Kooperation vor allem mit den Ditzingern sei gut gewesen: „Sie sind eine eingespielte Truppe.“

Wirt wendet sich an die Gäste

Wenn die Kriminalpolizei ihre Ermittlungen abgeschlossen hat, wird der Brand ein Fall vor allem für die Versicherung. Dann wird auch über die Zukunft des Hauses entschieden. Auf der Internetseite seines Restaurants schreibt der Wirt: „Tief traurig müssen wir Euch leider mitteilen, dass unser Restaurant aufgrund eines Brandes bis auf Weiteres geschlossen bleibt. Wir hoffen, Euch bald wieder bei uns begrüßen zu dürfen.“