Der Wiederaufbau der im April 2019 durch einen Brand schwer beschädigten Pariser Kathedrale kann beginnen. Geldsorgen haben die Verantwortlichen nicht.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Paris - Notre-Dame ist endgültig gerettet. Die erlösende Nachricht kommt über zwei Jahre nach dem verheerenden Brand in der weltberühmten Kathedrale in Paris. Das Gebäude sei nun bautechnisch ausreichend abgesichert und stabil, sodass keine Einsturzgefahr mehr bestehe, verkündete Jean-Louis Georgelin, ein ehemaliger General, der von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit der Koordinierung der Arbeiten persönlich betraut wurde. Wie er weiter erklärte, sei nun der Weg frei für die eigentlichen Restaurierungsarbeiten an dem schwer beschädigten Bauwerk.

 

Das Problem mit den 40 000 Rohren

Hinter seinem großen Team aus Handwerkern, Architekten und Ingenieuren lägen 29 sehr schwierige Monate, erklärt Jean-Louis Georgelin. Eine der kompliziertesten Aufgaben sei es gewesen, das weit über 200 Tonnen schwere, geschmolzene Stahlgerüst zu demontieren, das auf dem Dach der Kathedrale lastete. „40 000 ineinander verhedderte Rohre mussten nacheinander abgesägt werden.“ Immer habe die Gefahr bestanden, dass die Last die Mauern des Gebäudes zum Einsturz bringe, erzählt Georgelin. Gleichzeitig mussten die beschädigten Gewölbeteile mit mächtigen Holzverschalungen abgestützt werden, bevor mit einer riesigen Plane das gigantische Loch im Dach zumindest provisorisch geschlossen werden konnte. Natürlich erwähnt der ehemalige General auch die sehr hohe Bleibelastung der Baustelle. Beim Brand im April 2019 ist das im Dach verwendete Blei geschmolzen und hat die Umgebung rund um Notre-Dame mit giftigen Rückständen verseucht. Die Reinigungsarbeiten dauerten viele Wochen. Und schließlich habe die Corona-Pandemie die Arbeiten weiter verzögert, sagt Jean-Louis Georgelin.

Ein großes Versprechen des Präsidenten

Die Verantwortlichen wollen nun aber in die Zukunft blicken, denn vor ihnen liegt ein sehr ambitionierter Zeitplan. Noch in der Brandnacht hatte Präsident Emmanuel Macron versprochen, die Kathedrale innerhalb von fünf Jahren wieder aufzubauen. Fachleute runzelten angesichts dieser Vorgabe ungläubig die Stirn, denn es war damals noch nicht abzusehen, welche Schäden das Feuer verursacht hatte. Trotz aller Schwierigkeiten liege man im Zeitplan, um die für Frankreich so symbolträchtige Kathedrale rechtzeitig zu den Olympischen Spielen 2024 in Paris zu eröffnen, versichern die Verantwortlichen. Vielleicht werde zu jenem Zeitpunkt noch nicht alles fertig sein, räumt Jean-Louis Georgelin ein, aber die Menschen werden Notre-Dame wieder betreten und die 22 Kapellen der Kathedrale besichtigen können.

Kopfzerbrechen im Zuge der nun beginnenden Restaurierung bereitet vor allem der Aufbau des markanten, über 90 Meter hohen Vierungsturmes der Kathedrale. Der war in der Brandnacht mit mächtigem Getöse in die Tiefe gestürzt und hatte große Teile des Daches mit sich gerissen. Für dessen Bau muss nun ein spezielles Gerüst aufgestellt werden. Zur exakten Rekonstruktion des Vierungsturmes wurden bereits vor Monaten rund 1000 Eichen gefällt, die aus verschiedenen Regionen Frankreichs stammen und auf diese Weise den Wiederaufbau als nationale Aufgabe unterstreichen.

Der Streit um das richtige Dach

Vor allem um die Gestaltung des Daches gab es viele Diskussionen. Präsident Emmanuel Macron hatte eine eher moderne Variante ins Spiel gebracht. Daraufhin überschlugen sich Architekten und Künstler aus aller Welt in einem inoffiziellen Ideenwettbewerb mit bisweilen eher bizarr anmutenden Vorschlägen. Auf dem Tisch lagen Skizzen von Dächern aus Kristall, in den Himmel ragenden goldenen Flammen oder auch einem öffentlichen Schwimmbad im Dach der Kirche. Am Ende wurden alle hochtrabenden Pläne verworfen und zur Erleichterung der Verantwortlichen entschied man sich, das Dach und den Turm so aufzubauen, wie sie vor dem Brand ausgesehen hatten.

In den kommenden 39 Monaten sind also noch viele Probleme zu meistern, um die Finanzierung müssen sich die Konstrukteure allerdings keine Sorgen machen. Fast eine Milliarde Euro wurden für die Rettung von Notre-Dame inzwischen eingesammelt. Nach Angaben von Jean-Louis Georgelin wurden von dieser Summe bereits 165 Millionen Euro ausgegeben. „Manche sagen, wir hätten zu viel Geld“, erklärt der Ex-General, hält diese Kritik offensichtlich aber für reichlich kleingeistig. Schließlich handelt es sich bei der Rettung von Notre-Dame in seinen Augen um eine historische Aufgabe von nationaler Tragweite.