Das Landgericht Stuttgart hat einen 21 Jahre alten Mann am Montag vom Vorwurf des versuchten Mordes und der schweren Brandstiftung freigesprochen. Der Stuttgarter mit kurdischen Wurzeln stand vor Gericht, weil er an dem Brandanschlag auf den Moschee-Verein in Feuerbach im Dezember 2015 beteiligt gewesen sein soll.

Stuttgart - Gerade einmal 40 Stunden gemeinnützige Arbeit statt die von Staatsanwältin Tomke Beddies geforderten sechs Jahre Jugendhaft – so lautet das Urteil der 3. Strafkammer des Landgerichts gegen einen jungen Mann, der wegen Mordversuchs und schwerer Brandstiftung auf der Anklagebank saß. 40 Stunden Arbeit, weil er einen Bekannten gegen die Brust geschlagen hatte. Ansonsten sprachen die Richter den 21-Jährigen aus Stuttgart frei. Ganz so, wie es Verteidigerin Vanessa Höch und ihr Kollege Markus Schwab beantragt hatten. „Wir können nicht feststellen, dass der Angeklagte an der Tat beteiligt war“, sagt Vorsitzender Richter Joachim Holzhausen.

 

Hausmeisterpaar kann sich retten

In der Nacht auf den 15. Dezember 2015 hatten fünf vermummte Personen das Gebäude an der Mauserstraße in Feuerbach heimgesucht. Die Täter waren mit einem Auto, das trotz Überwachungsvideo nicht zu identifizieren war, angefahren. Ein Täter filmte, die anderen vier warfen Fenster an dem Haus ein. Danach schleuderten sie drei Brandsätze ins Innere der dortigen Bücherei, die zu der Ditib-Moschee gehört. Das Hausmeister-Ehepaar das in dem Komplex eine Wohnung hat, wurde von einem danach von den Tätern gezündeten Böller aufgeschreckt. Das Paar konnte sich unverletzt retten. Der Schaden beläuft sich auf weit über 100 000 Euro.

Eine Überwachungskamera hatte die Brandstifter gefilmt. Dieses Material stellte sich bei den Ermittlungen aber als weit weniger wertvoll heraus, als zuerst gedacht.

Wenige Tage später tauchte im Internet dann das Bekennerschreiben eines „Baran-Dersim-Rachekommandos“ auf. Diese kurdische Jugendorganisation behauptete, der Anschlag sei ein Protest gegen die türkische Regierung.

Prahlerei und Geschwätz

Doch erst das Mitteilungsbedürfnis einer jungen Frau kurdischen Ursprungs brachte die Ermittlungen ins Rollen. Die Frau hatte in sozialen Netzwerken geschrieben, sie sei bei dem Anschlag dabei gewesen. „Sie hat geprahlt“, so der Richter. Bei ihrer Vernehmung sei dann auch der Name des Angeklagten gefallen. „Sie hat im Grunde nur Geschwätz widergegeben“, sagt Richter Holzhausen. Auch ein zweiter Belastungszeuge ruderte zurück. Der Mann hatte gesagt, der Angeklagte habe sich ihm gegenüber selbst der Tat bezichtigt. Der Zeuge revidierte diese Aussage mehrmals. Das tauge nicht als Basis für eine Verurteilung, so der Richter. Und die Angaben der sogenannten Vertrauenspersonen, also der Informanten der Polizei, waren ebenso vage geblieben. Da bleibe nichts übrig, sagt der Richter.

Schließlich musste sich der 21-Jährige, der nach vier Monaten Untersuchungshaft seit Ende Juni wieder auf freiem Fuß war, im Gerichtssaal vermessen lassen. Eine Expertin hatte mittels der Videobilder errechnet, der korpulente, etwas tapsige Mann in dem Film sei maximal 1,87 Meter groß. Der ebenfalls korpulente Angeklagte, der noch bei seinen Eltern wohnt, misst indes 1,89 Meter. Mit jedem Zentimeter Differenz wachse die Wahrscheinlichkeit, dass der Angeklagte nicht auf dem Video zu sehen sei, sagt der Vorsitzende Richter.

Der Angeklagte wird entschädigt

Staatsanwältin Beddies sieht es anders. „Nach meiner Überzeugung hat die Hauptverhandlung ergeben, dass der Angeklagte an der Tat beteiligt war“, so die Anklägerin. Zwar hätten mehrere Zeugen ihre belastenden Aussagen revidiert. Es sei aber klar zu erkennen gewesen, dass sie den 21-Jährigen bewusst nicht hatten belasten wollen. Die Gesamtschau der Indizien belege die Schuld des Angeklagten.

Die Richter folgten jedoch der Verteidigung – Freispruch im Hauptanklagepunkt. Deshalb sei der 21-Jährige auch für die erlittene U-Haft zu entschädigen. Die Staatsanwaltschaft wird das Urteil prüfen und dann entscheiden, ob sie Revision einlegt.