Die Ermittler sind sich fast sicher: Hinter dem verheerenden Feuer von Backnang steckt ein Technikdefekt - und kein fremdenfeindlicher Anschlag.

Backnang/Istanbul - Ein technischer Defekt hat sehr wahrscheinlich die Feuerkatastrophe im schwäbischen Backnang mit acht Toten türkischer Herkunft ausgelöst. Die Brandermittler entkräfteten mit dieser Aussage Befürchtungen von Politikern und Verbänden, es könnte sich auch um einen fremdenfeindlichen Anschlag gehandelt haben. Dennoch laufen die Ermittlungen laut Polizei weiter in alle Richtungen. Laut einem Sprecher konzentriere man sich auf die Elektrik in dem maroden Haus. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) reagierte bestürzt auf den verheerenden Brand.

 

Bei dem Feuer am Sonntagmorgen waren eine 40-jährige Mutter, sechs ihrer Söhne sowie eine Tochter gestorben. Die toten Kinder waren zwischen 6 Monate und 17 Jahre alt. Drei Familienmitglieder wurden gerettet.

Der türkische Staatspräsident Abdullah Gül forderte eine vollständige Aufklärung der Brandkatastrophe. „Leider gab es in der Vergangenheit Feuer, Brandstiftungen, Morde an unseren Bürgern. Deswegen prüfen wir alle Eventualitäten“, sagte Gül am Montag nach Angaben türkischer Medien. „Jetzt schon etwas zu sagen, wäre nicht richtig“, sagte Gül zu einem Zeitpunkt, als die Aussage der Ermittler zu dem vermuteten Technikdefekt noch nicht bekannt war. Die Türkei werde der Sache auf den Grund gehen.

Kanzlerin zutiefst erschüttert

Der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter sagte in Berlin, die Kanzlerin sei zutiefst erschüttert über die furchtbare Katastrophe. Mit Blick auf skeptische Äußerungen aus der Türkei zur deutschen Ermittlungsarbeit sagte er: „Die Bundeskanzlerin hat keinen Zweifel, dass die zuständigen Stellen nicht ruhen werden, bis die Brandursache aufgeklärt ist.“

Der Botschafter sprach den deutschen Sicherheitsbehörden sein volles Vertrauen aus. „Es handelt sich um ein technisches, kriminaltechnisches Verfahren, es gibt keinen Anlass, dass wir nicht vertrauen sollten“, sagte Hüseyin Avni Karslioglu. Auch sollten zunächst keine türkischen Spezialisten eingesetzt werden. Die Opposition in Ankara schickte zwei Abgesandte nach Backnang, das etwa 30 Kilometer von Stuttgart entfernt ist.

Angehörige der Opfer machten dem Vermieter der Wohnung und den deutschen Behörden schwere Vorwürfe. Die elektrischen Leitungen in der Wohnung seien total marode gewesen, sagte die Großmutter der sieben getöteten Kinder, Hatice Özcan (63). Der Vermieter habe sich aber nicht darum gekümmert.

Die Überlebenden werden psychologisch behandelt

Die drei Überlebenden - Mutter, Bruder und der elfjährige Sohn der verstorbenen 40-Jährigen - würden noch in einer Klinik psychologisch behandelt, hieß es. Auch ein getrennt von der Familie lebender Vater wird betreut. Angaben aus dem Umfeld zufolge sollen die Kinder von zwei verschiedenen Vätern stammen. Die Leichen der Mutter und der Kinder wurden obduziert. Es wurde davon ausgegangen, dass sie im Schlaf von dem Brand überrascht wurden und erstickt sind.

Der größte islamische Dachverband in Deutschland, Ditib, forderte, die deutschen Sicherheitsbehörden dürften keine Option vorschnell außer Acht lassen. Ditib-Vertreter Erdinc Altuntas sagte, er habe „volles Vertrauen“ in die deutschen Ermittler. Ermittlungspannen wie nach den lange Zeit unaufgeklärten Morden der rechtsextreme Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) an Kleinunternehmern türkischer und griechischer Herkunft könne sich keine Behörde noch einmal erlauben.

„Man darf Spekulationen und Verschwörungstheorien keinen Raum bieten“, sagte auch der Vorsitzende der Religionsgemeinschaft des Islam, Ali Demir, der Nachrichtenagentur dpa.